Essen. In den letzten zehn Jahren war der April in Essen meistens frühsommerlich warm. Und nun das: Der Absturz zum Teil sogar unter den Gefrierpunkt.
„Der April macht, was er will.“ Ganz dieser Bauernregel folgend zeigte sich der April 2021 in Essen von einer überraschenden Seite: nicht frühsommerlich warm wie so oft in den letzten Jahren, sondern ungemütlich kalt und zum Teil sogar unerwartet frostig. „Mit einer Durchschnittstemperatur von nur 6,9 Grad zählt dieser April zu den kältesten der letzten Jahrzehnte“, sagt Thomas Kesseler-Lauterkorn, stellvertretender Leiter des Regionalen Klimabüros in Essen-Bredeney.
Den kältesten April der Nachkriegszeit erlebte Essen 1970 mit 5,9 Grad im Mittel
Der Blick in die April-Statistik zeigt: Der April 1986 und der April 1977 waren in Essen mit 6,3 beziehungsweise 6,4 Grad noch kälter. Den kältesten April der Nachkriegszeit erlebte Essen 1970 mit 5,9 Grad als Mittelwert. Der Experte des Deutschen Wetterdienstes (DWD) nennt den April augenzwinkernd „unseren Klimawandel-Musterschüler“. Soll heißen: Im Vergleich zu allen anderen Monaten falle die mittlere Temperaturerhöhung im April am stärksten aus. „Insofern ist dieser April ein kalter Ausreißer.“
Aus zwei 30-Jahre-Perioden errechnet der Essener Diplom-Meteorologe den Mittel- bzw. Vergleichswert. Zwischen 1961 und 1990 hatte der April in Essen im Schnitt 8,5 Grad, zwischen 1991 und 2020 aber schon 10,2. Der Anstieg um 1,7 Grad mag dem Laien gering vorkommen, für Klimaexperten ist er ein „riesiger Unterschied“ - und zugleich ein Beleg für die Erderwärmung.
Gemessen am zweiten Vergleichswert ist der zu Ende gegangene April also 3,3 Grad kälter - und für die Statistik somit der kälteste April seit 35 Jahren. Der Blick in alte Wetterberichte zeigt: In den 1960er-, 70er- und 80er-Jahren sei ein Kälte-April wie jetzt noch „alle vier, fünf Jahre“ die Regel gewesen.
So oft wie im April 2021 rutschte das Quecksilber in Essen selten unter den Gefrierpunkt
Eindeutig auf der Rekordspur befindet sich der April 2021 in der Kategorie „Frosttage“, Tage also, an denen das Quecksilber unter den Gefrierpunkt sackt. An der Wetterstation Bredeney - im höher gelegenen und deshalb wärmeren Teils Essens – seien allein acht Frosttage gemessen worden. In tieferen Lagen wie etwa im Ruhrtal dürften es sogar 10 bis 13 Minus-Tage gewesen sein. Thomas Kesseler-Lauterkorn: „Es gab jetzt vier Mal mehr Frosttage als sonst.“
Warum der aktuelle April gefühlt noch mehr an Gefrierschrank erinnert: In den letzten zehn Jahren hat der „Klimawandel-Musterknabe“ die Seelen der Essenerinnen und Essener fast durchgehend mit frühsommerlichen Temperaturen gestreichelt. Wie schattig er dieses Mal war, zeigt auch der Sonnenstunden-Vergleich. Auf gerade einmal 175 ist er gekommen, kaum mehr als der Durchschnitt. Zum Vergleich: Der April 2020, der erste Corona-April, hatte mit 288 Stunden Sonne und blauem Himmel noch für einen Rekord gesorgt.
Bleibt zum Schluss dieses Wetterberichts noch der Blick auf die Bredeneyer Niederschlags-Skala. „Der April war mit 47 Litern Niederschlägen auf dem Quadratmeter zu trocken“, sagt Thomas Kesseler-Lauterkorn. Ohnehin schleppe Essen aus den vergangenen drei Jahren ein großes Niederschlagsdefizit mit. Sein nasser Wunsch: „In der Wachstumsperiode im Mai müsste es jetzt ordentlich regnen, damit es für die Land- und Forstwirtschaft noch gut läuft.“