Essen. Großbrände in Essen: Allein in den 1980ern ist die Stadt mancher Katastrophe entkommen. Wie beim Feuer im Handelshof oder beim Chemiekonzern.
Laut Chronik der Essener Feuerwehr, hat es bereits im Jahr 946 Großbrände wie den der Münsterkirche gegeben – oder auch eine „Feuersbrunst“, die 1438 etwa die Hälfte der Stadt Essen in Asche gelegt hat. Heute erinnern sich viele Essener noch vor allem an die Großbrände in den 1980ern:
Manches Feuer hätte zur Katastrophe werden können.
„Wenn es da richtig knallt, steht hier kein Haus mehr“, dieser Satz kam im Mai 1989 einem Anwohner über die Lippen, der damit offenbar genau ins Schwarze traf. Denn im Tenside-Betrieb von Evonik an der Goldschmidtstraße war ein Feuer ausgebrochen: in einem Chemiekonzern – mitten in der Stadt.
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Großbrand in Essener Chemiekonzern – mitten in der Stadt
Ausgebrochen war das Feuer, weil erhitztes Fett aus einem undichten Ventil auf ein 350 Grad heißes Öl-Heizungsrohr getropft war und sich entzündet hatte. Glücklicherweise hatten Mitarbeiter des Unternehmens, das rasch bemerkt, weitere Kollegen sperrten die Leitung ab, schalteten den Strom aus.
„Fenster schließen“ hörten dann die Essener immer wieder über Lautsprecher, während Feuerwehrleute gegen die Flammen kämpften, die ihnen mitunter entgegenschlugen. Ein Innenangriff, den der damalige Feuerwehrchef Ulrich Bogdahn als enormes Risiko für die Einsatzkräfte beschrieb. Ein glücklicher Umstand, dass die Hauptwache der Feuerwehr gleich gegenüber von Evonik (ehemals Goldschmidt) im Ostviertel liegt und sie damals sogleich am Unglücksort waren.
Sechs Löschzüge und insgesamt 90 Feuerwehrleute waren an dem Einsatz beteiligt, der Essen vor einer Katastrophe bewahrte. Verletzt wurde am Ende niemand. Das Bewusstsein für die kritische Lage im Stadtkern sprach der damalige Werksleiter durchaus an, ein Feuerwehrmann formulierte es mit den Worten: „Wenn es bei Goldschmidt brennt, ist Holland in Not.“
Bereits zwei Wochen zuvor stand die Aluhütte am Hafen in Flammen, eine riesige schwarze Rauchsäule war weithin sichtbar. Eine Giftwarnung gab es für die Bürger; und Einsätze für die Polizei, die sich um Schaulustige kümmern musste. Die Feuerwehr wiederum rückte in Bergeborbeck mit vier Löschzügen und einem Löschboot an. Unterstützung aus der Luft gab es von einem Hubschrauber, zudem waren Einheiten der Freiwilligen Feuerwehr alarmiert worden. Das Feuer griff schließlich auf eine zweite Halle über.
Bis in die Abendstunden waren rund 300 Kräfte im Einsatz, der nicht zuletzt selbst beim früheren Feuerwehrchef einen bleibenden Eindruck hinterließ („ich dachte, jetzt explodiert das“). Zur Bilanz dieses Großbrandes zählt auch ein schwer verletzter Feuerwehrmann, der am Tag nach dem Ausbruch des Feuers beim Nachlöschen abgestürzt war, aus zehn Metern Höhe.
Sechs Jahre später gab es dann bei Goldschmidt eine Explosion im östlichen Gelände-Teil. Das war 1995, als der Betriebsleiter ums Leben kam.
Handelshof in Essen: Großbrand Ende Oktober 1989
Eine Katastrophe hätte es auch am 29. Oktober 1989 für Essen und vor allem für 280 Menschen geben können. Sie waren im Hotel Handelshof, aus dem die Feuerwehr sie in einem spektakulären Einsatz befreien musste. Damals hatten zuvor vor allem Fehlalarme die Feuerwehr beschäftigt, sechs waren es in zwei Wochen, so dass der damalige Wachführer Horst Dieter Möller kaum noch an den Ernstfall glaubte, als er auf dem Weg in die Innenstadt war – und sich irrte.
Um 23.21 Uhr hatte ihn die Glocke auf der Hauptwache alarmiert. Was folgte, war eine dramatische Rettungsaktion verbunden mit der Sorge, die Menschen könnten aus den Fenstern springen. Ihr Fluchtweg über den verrauchten Treppenraum war abgeschnitten. „Das ganze Treppenhaus schien zu explodieren“, soll ein Kellner gerufen haben. Zudem kam die Feuerwehr mit den großen Löschfahrzeugen nicht in den engen Innenhof.
Hunderte Schaulustige hatten sich vor dem Handelshof versammelt
So bekämpften die Wehrleute das Feuer dort mit Hilfe von tragbaren Leitern, andere gelangten über den Haupteingang ins Innere, um von dort aus die Flammen zu löschen. Draußen vor dem Handelshof bot sich Hunderten Schaulustigen vor dem Hauptbahnhof eine fast unwirkliche Szenerie mit Blaulicht und zahllosen Einsatzwagen. Aus allen Wachen rückte die Feuerwehr an, allein sechs Drehleitern schraubten sich an der Hotelfassade hoch. 50 Polizisten sicherten den Einsatzort, wo auch die Krankenwagen standen.
Am Ende gab es acht Menschen mit Rauchvergiftung und einen Senior, der sich kurzzeitig in Lebensgefahr befunden hatte. Aus dem Gebäude brachte die Wehr in dieser Nacht 240 Hotelgäste und 40 Angestellte. Damit hielten die Einsatzkräfte ihr Versprechen, das sie zuvor durch Lautsprecher gemacht hatten: „Bleiben Sie ruhig, wir retten sie alle!“
Großbrand in Steeler Krankenhaus im Jahr 1987
Bereits 1987 gab es einen Großbrand im Steeler Krankenhaus, der als größter der Nachkriegszeit in Essen galt: am 23. November vernichtete ein Feuer den OP-Trakt des Lutherhauses. Um dieses zu evakuieren, packten auch Nachbarn an. „Unzählige Einsatzwagen und die Bundeswehr standen vor dem Krankenhaus“, sagte Feuerwehr-Sprecher Mike Filzen zu dem eindrucksvollen Aufgebot.
Unfallchirurg Hans-Josef Braun erfuhr davon auf dem Weihnachtsmarkt, als ein anderer Besucher ihm zurief: „Ihr Krankenhaus brennt.“ Im Lutherhaus war es eine leitende OP-Schwester, die das Feuer am frühen Abend bemerkte. Dann dauerte es nicht lange, bis rund 3000 Quadratmeter Dachfläche brannte. Es folgte ein Knall, als eine Propangasflasche explodierte, später gab es eine weitere Explosion.
Zum Einsatz waren 74 Krankenwagen aus dem Stadtgebiet herbeigeeilt, 30 weitere aus Nachbarstädten. Die Feuerwehr war mit 19 Löschwagen am Unglücksort, den Weg dorthin sicherten rund 100 Polizisten, die auch dafür sorgten, dass die Rettungswege frei waren.
Im Krankenhaus befanden sich 370 Patienten, die dieses beim Feuer verlassen mussten
Es war dann 21.30 Uhr, als die Entscheidung der Feuerwehr fiel: Das Haus wird geräumt. In diesem befanden sich 370 Patienten. 300 Feuerwehrleute waren in diesem Einsatz. Um die Menschen zu retten, halfen auch Ärzte und Krankenpfleger sowie Kinder und Jugendliche, die Kranke in Rollstühlen über Wasserschläuche schoben. Die Menschen kamen in einer Turnhalle unter oder wurden vorerst entlassen. Taxifahrer spendierten die Fahrt nach Hause, Nachbarn kamen mit belegten Broten herbei. Um Mitternacht war die Gefahr gebannt.
Neben der riesigen Hilfsbereitschaft gab es auch zwei Patienten, die bei der Räumung gestorben waren. Gründe sollen allerdings ein Nierenversagen und eine Herzerkrankung, also nicht der Brand gewesen sein. Zu dessen Ursache ermittelte das Landeskriminalamt. Fahrlässige Brandstiftung nach Dachdeckerarbeiten stand im Raum. Schließlich erklärten die Fachleute den Umgang mit offenem Feuer und glimmenden Teilen zur Ursache. Die Polizei schloss einen technischen Defekt aus.
Bei den Beteiligten Ärzten, Pflegern wie Patienten bleiben indes Szenen dieser Nacht im Gedächtnis, von Panik sprechen sie nicht, aber von Bildern, die manche an Krieg erinnerten.
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