Essen-Steele. . Am 23. November 1987 vernichtete ein Feuer den OP-Trakt des Steeler Krankenhauses. Der Brand galt in Essen als größter der Nachkriegszeit.
Es ist genau 30 Jahre her, dass der Alarm am Abend des 23. Novembers bei der Feuerwehr einging: Das Dach des OP- und Intensivtraktes am Steeler Lutherhaus stand in Flammen. Das Feuer galt als der größte Brand der Stadt in der Nachkriegszeit – und ist es wohl bis heute.
Was damals folgte, war die Evakuierung des Hauses und eine beispiellose Hilfsbereitschaft. Es eilten Feuerwehr, Hilfsorganisationen, Bundeswehr und Polizei herbei, die Mitarbeiter des Krankenhauses wie Bürger packten mit an, um die Patienten zu retten. Zwei Menschen starben jedoch bei der Räumung. Als Ursache galt aber nicht der Brand, sondern ein Nierenversagen bei einem 76-jährigen gerade erst operierten und ein Herzleiden bei einem 57-jährigen Patienten.
Zur Brandursache ermittelte das Landeskriminalamt. Es stand der
Verdacht auf fahrlässige Brandstiftung nach Dachdeckerarbeiten im Raum. Nach zwei Tagen stellten die Beamten fest, dass die Ursache der Umgang mit offenem Feuer und glimmenden Teilen gewesen sein müsse. Einen technischen Defekt schloss die Polizei aus.
OP-Schwester entdeckte den Brand
Entdeckt hatte den Brand eine leitende OP-Schwester um 18.45 Uhr, nur wenig später brannten mehr als 3000 Quadratmeter Dachfläche lichterloh, so berichtete es die WAZ 1987. Es gab einen Knall, als eine Propangasflasche explodierte, gegen halb acht folgte eine weitere Explosion. Da waren längst 74 Krankenwagen aus dem Stadtgebiet vor Ort, 30 weitere aus benachbarten Städten. Die Feuerwehr kämpfte mit einem Riesenaufgebot und 19 Löschwagen gegen die Flammen, während rund 100 Polizisten vor allem die Rettungswege frei hielten. Aus der Krayer Kaserne kamen eine Sanitätskompanie samt Stabsarzt.
Zahlreiche Mitarbeiter des Lutherhauses (heute Alfried-Krupp-Krankenhaus Steele) waren nach Feierabend noch beim Klavierkonzerts im Foyer. Ein glücklicher Umstand, denn sie waren sofort zur Stelle, als die Feuerwehr gegen 21.30 Uhr beschloss, das gesamte Haus zu räumen, in dem sich 370 Patienten befanden.
Eine ganze Krankenpfleger-Klasse half mit
Zur Räumung gehörten Situationen, in denen ein Vater seinen Sohn, die Ehefrau ihren herzkranken Mann suchte. Krankenpfleger und Ärzte trugen zu dritt ältere Patienten durch die Treppenhäuser, während Kinder und Jugendliche aus der Nachbarschaft Kranke in Rollstühlen über zahllose Wasserschläuche hievten. Eine ganze Krankenpfleger-Klasse half mit.
Acht Intensivpatienten kamen in umliegende Krankenhäuser, etwa 170 in die Turnhalle des nah gelegenen Gymnasiums Wolfskuhle, wo die Bundeswehr Notbetten aufgestellt hatte. Rund 200 Patienten wurden vorerst entlassen. Taxifahrer standen bereit, fuhren sie kostenlos nach Hause. Anwohner brachten Schnittchen und Kaffee. „Das ist ja wie im Krieg“, rief einer.
„Das ist ja wie im Krieg“
Ein Eindruck, den man bei dem Szenario mit den enorm vielen Einsatzwagen und der Bundeswehr durchaus bekommen konnte, bestätigt Feuerwehr-Sprecher Mike Filzen (54), der vor Ort gewesen ist. „Zuvor wartete ich vergeblich auf einen Kollegen, mit dem ich mich verabredet hatte.“ Michael Guttke war da längst am Lutherhaus, wie rund 300 Feuerwehrleute. Gegen 20.30 Uhr hatten sie das Feuer unter Kontrolle und hatten es geschafft, dass die Flammen nicht aufs Bettenhaus übergegriffen hatten. Um Mitternacht war ihr Einsatz beendet.
Da stand für den Unfallchirurgen Hans-Josef Braun noch eine Krisensitzung an. Zu der Zeit war er Assistenzarzt, stand kurz vor seiner Facharztprüfung – und hatte an dem Tag bereits Feierabend nach einem Dickdarmeingriff. „Es war die letzte Operation vor dem Brand“, erinnert sich der Oberarzt (63). Er war auf dem Steeler Weihnachtsmarkt, als ein ehemaliger Patient rief: „Ihr Krankenhaus brennt.“ Der Arzt fuhr sogleich zum Hellweg, sah er erst den roten Himmel, dann die hohen Flammen. Vor Ort aber lief alles sehr geordnet: „Es herrschte zu keinem Zeitpunkt Panik.“
Eine Putzfrau wollte noch ihren Putzwagen holen
So hat es auch Simone Spangenberg erlebt, die als Praktikantin in der
Krankenpflege Spätdienst in der allgemeinen Chirurgie hatte, als es auf der gleichen Etage knallte. „Ich habe noch die Kollegin vor Augen, die die Putzfrau hinaus zerrt, weil diese unbedingt ihren Wagen aus einem Zimmer holen wollte“, berichtet die 51-Jährige. An dem Abend galt es zunächst, die Patienten von der Intensivstation zu verlegen. Statt ängstlich seien einige regelrecht neugierig gewesen, erzählt Simone Spangenberg, die sich irgendwann nach dieser Nacht fragte, ob sie in dem Haus überhaupt die Ausbildung wird machen können.
Nach drei chaotischen Tagen, in denen der OP-Trakt zerstört war und das Wasser wie bei den Niagarafällen durch den Aufzugschacht lief, machte sich die Existenzangst bei vielen Mitarbeitern breit, erzählt Irmgard Rath-Kluge, die 1974 als Ernährungsberaterin ins Lutherhaus kam und nun die Vorsitzende der Mitarbeitervertretung ist. Sie hat an dem Abend von der Katastrophe nichts mitbekommen. „Am nächsten Tag fuhr ich auf dem Weg zur Arbeit in einen Schaumberg“, beschreibt sie die Überreste des Einsatzes, die selbst am Steeler Berg aus den Gullys quollen. Später schob sie im Haus Wache gegen Plünderer.
Operiert wurde zeitweise im Container
Das Krankenhaus eröffnete im März 1988 wieder. „Wir operierten übergangsweise in Containern, was sehr gut funktionierte“, sagt Hans-Josef-Braun, der zeitweise im Rüttenscheider Krupp-Krankenhaus arbeitete und seine Patienten im Knappschaftskrankenhaus besuchte. „Alle haben dank der Ausfallversicherung ihren Job behalten“, sagt Irmgard Rath-Kluge. Simone Spangenberg ist heute die Verantwortliche für die Ausbildung des Pflegepersonals, im April 1988 trat sie ihre Ausbildung im Lutherhaus an.