Essen-Bredeney. Wegen Corona sind Übernachtungen in Essen gerade wenig gefragt. Warum ein Paar trotzdem weiter an das Konzept „Wohnen auf Zeit“ glaubt.
- Die Appartements von „Wohnen auf Zeit“ liegen im Zentrum von Essen-Bredeney.
- Seit 2014 gibt es eine Dependance in der Innenstadt.
- In der Corona-Zeit sind weniger Touristen und Firmenmitarbeiter unterwegs.
Seit 2010 vermieten Heinz-Dieter Kaldewey und seine Partnerin in Essen Appartements für das „Wohnen auf Zeit in Bredeney“. Nach verhaltenem Start lief es in den vergangenen Jahren richtig gut – bis Corona kam. Warum das Paar weiter auf Gäste aus aller Welt hofft.
Mitarbeiter von Firmen mit Zeitverträgen, Touristen, Seminarteilnehmer, Messe-Aussteller oder -Besucher, Menschen, die Freunde oder Familie besuchen, nach einem Trauerfall Formalitäten zu erledigen haben, Angehörige zu einer Krankenhausbehandlung begleiten, frisch Getrennte, die sich mit der Wohnungssuche Zeit lassen wollen – eine Unterkunft auf Zeit suchen viele.
Die Essener Vermieter möchten Gäste aus aller Welt kennenlernen
Diese Erkenntnis und die Aussicht, fremde Menschen mit interessanten Geschichten zu beherbergen und vielleicht ein bisschen näher kennenzulernen, hatte das Paar 2009 veranlasst, einen Altbau am Bredeneyer Kreuz zu kaufen, dort neben normalen Mietwohnungen auch drei Appartements einzurichten und damit einen (neben-)beruflichen Neuanfang zu wagen.
„Bis 2018 lief es wirklich gut, so dass wir 2013 noch ein weiteres Haus an der Kreuzeskirchstraße in der Stadtmitte gekauft und auch dort drei Appartements für das Wohnen auf Zeit eingerichtet haben, die wir seit 2014 anbieten. Die anderen Wohnungen dort sind dauerhaft vermietet, unten im Haus gibt es eine Kneipe und einen kleinen Saftladen“, berichtet der gelernte Einzelhandelskaufmann Kaldewey. „Das Haus war bereits in kleine Appartements aufgeteilt, als wir es gekauft haben, was für unser Konzept ideal war.“
2019 seien die Vermietungen plötzlich und ohne ersichtlichen Grund eingebrochen. „Und dann hat uns im März 2020 Corona mit voller Wucht getroffen. Von heute auf morgen sind alle Einnahmen weggebrochen.“ Messen und Kongresse fielen aus, auch größere private Feiern wie Hochzeiten, alle bereits getätigten Buchungen wurden storniert, während die Unkosten weiterliefen, fasst der 65-Jährige die Situation zusammen.
Die Vermietung der Appartements ist ein schöner, aber zeitaufwendiger Nebenjob
Zum Glück sei seine Frau weiter in ihrem Beruf tätig, während er sich normalerweise um die Vermietungen, Handwerkereinsätze und kleinere Reparaturen kümmere. „Wir hatten eine Reinigungskraft beschäftigt, die wir durch Corona dann leider entlassen mussten.“ Auch aktuell gebe es noch viel Leerstand, nur vereinzelt würden Appartements gebucht.
Der Preis richtet sich nach der Dauer des Aufenthalts
Die jeweils drei Appartements in Bredeney und der Stadtmitte sind zwischen 33 und 46 Quadratmeter groß und verfügen jeweils über Bad und Küchenzeile.Der Preis für die komplett ausgestatteten Unterkünfte richtet sich nach der Dauer des Aufenthalts: Je länger man bleibt, desto geringer die Miete. Ein Appartement für ein bis zwei Personen kostet zum Beispiel etwa 900 Euro pro Monat. Informationen gibt es auf der Homepage: www.wazib.de oder unter 0178 6545 400.
Eine Durstphase hatte das Paar auch schon zu Beginn von „Wohnen auf Zeit in Bredeney“. Erst sei das Geschäft schleppend angelaufen, offenbar habe das Angebot erst einmal bekannt werden müssen. „Doch dann ist der Knoten geplatzt, es kamen immer mehr Gäste, vor allem durch Mundpropaganda, etliche Firmen kamen auf uns zu“, erzählt Kaldewey, der schon vor Jahren eine Photovoltaik-Anlage auf dem Dach und eine Ladesäule für E-Autos installieren ließ. Die liebevoll eingerichteten Räumlichkeiten mit Bad und Küchenzeile, nach unterschiedlichen Farbkonzepten gestaltet, kamen offenbar gut an.
Genutzt wurde das Angebot von ganz unterschiedlichen Menschen, vom Studenten über den Opernsänger bis zum Geologen, von der irakischen Arztfamilie bis zum Ex-Häftling sei alles dabei gewesen. „Überwiegend haben wir gute Erfahrungen gemacht, viele interessante Menschen aus aller Welt kennengelernt“, sagt Kaldewey. Aber es habe auch sehr unangenehme Erfahrungen gegeben, die sie schlaflose Nächte, viel Geld und Nerven gekostet hätten. „Eine Frau hat irgendwann keine Miete mehr bezahlt, sich einfach aus unserem Keller bedient, Einrichtungsgegenstände mitgenommen. Am Tag, als es nach langem Rechtsstreit endlich zur Zwangsräumung kommen sollte, war sie dann verschwunden“, erinnern sich die Vermieter.
Agenturen fordern immer mehr Leistungen für immer weniger Geld, klagt der Vermieter
Sie kooperieren inzwischen auch mit Agenturen, um ihre Übernachtungsmöglichkeiten bekannt zu machen. „Aber darüber kommen aber oft Gäste, die nur kurz bleiben wollen, was für uns ein sehr großer Aufwand ist, weil wir dann alle paar Tage alles wieder komplett herrichten müssen. Schöner ist es, wenn die Gäste länger blieben“, sagt Kaldewey. An die Zukunft denkt er mit gemischten Gefühlen und befürchtet, dass weiterhin Firmenveranstaltungen und ähnliches online stattfinden und immer weniger Unterkünfte gebraucht würden.
Und noch etwas habe sich im Laufe der Jahre geändert: „Es geht oft nur doch darum, immer mehr Leistungen für immer weniger Geld vorzuhalten. Um bei Buchungsportalen möglichst hoch gelistet zu werden, muss man die Unterkunft möglichst preiswert anbieten.“ Trotz dieser Entwicklung und der Unsicherheit, wie es mit und nach Corona weitergeht, lassen sich Heinz-Dieter Kaldewey und seine Partnerin nicht entmutigen. Bereut haben sie ihren Neustart mit Wohnen auf Zeit nicht. „Wir sehen optimistisch in die Zukunft und machen erst einmal weiter.“