Essen-Kettwig. Im Bauausschuss und in der Bezirksvertretung IX wurden Neubaupläne für den Bögelsknappen vorgestellt. So soll es hinter der Villa Ruhnau aussehen.
Was passiert mit der Villa Ruhnau? Wird das Grundstück dahinter verkauft und bebaut? Und wenn ja, wird der alte Baumbestand gefällt? Auf diese Fragen vieler Kettwiger gab es am Donnerstag, 18. Februar, im Ausschuss für Stadtentwicklung, -planung und Bauen (ASPB) Antworten.
Nach einstündiger Debatte im Gremium wurde die Verwaltung beauftragt, das hinter der Villa Ruhnau gelegene städtische Grundstück an den Villen-Eigentümer, die PromA Ateliers GmbH, zu veräußern. Der Ausschuss folgte damit mehrheitlich dem Antrag von CDU und Grünen. Der Antrag der Linken sowie Ratsgruppen Die Partei und Tierschutz Essen zur Erstellung eines Bebauungsplanes für den Bögelsknappen bekam trotz Unterstützung der SPD keine Mehrheit.
Städtisches Grundstück ist 2500 Quadratmeter groß
Im Antrag von CDU und Grünen wird dem Käufer unter anderem zur Auflage gemacht, das Villengebäude im Wesentlichen zu erhalten und baulich zu ertüchtigen. Hierbei soll möglichst nah an das ursprüngliche Erscheinungsbild angeknüpft werden.
In den Verkaufsverhandlungen für das 2500 Quadratmeter große Grundstück mit dem Investor sollen Vorgaben für den Neubau, die Modernisierung des bestehenden Gebäudes sowie die verkehrliche Situation vor Ort berücksichtigt werden. Zudem sollen die auf dem Grundstück befindlichen Kunstwerke gesichert und erforderliche Baumfällungen durch Ersatzpflanzungen kompensiert werden.
Geplant sind 28 Wohneinheiten in zwei Wohnkomplexen
Wie wird die Bebauung am Bögelsknappen aussehen? Im ASPB und dann noch einmal ausführlicher in der sich anschließenden Sitzung der Bezirksvertretung IX erläuterte die Verwaltung die Pläne. Sie stammen vom Essener Architekturbüro Holle und wurden im Rahmen einer Bauvoranfrage der PromA Ateliers GmbH am 3. Februar der Verwaltung übermittelt.
28 Wohneinheiten sollen in zwei Wohnkomplexen entstehen, die sich hinter dem Villengebäude erstrecken. Die Gebäude weisen eine elliptische Form auf und haben vier Geschosse. Geplant sind Zwei-, Drei- und Vierraumwohnungen. Auf den Plänen ist zu erkennen, dass die Höhe der Gebäude etwas unterhalb der Firsthöhe der Villa Ruhnau liegt, so dass die Neubauten optisch hinter dem zu erhaltenen Teil der Villa zurücktreten würden – so hatten es CDU und Grüne in ihrem Antrag als Bedingung formuliert.
Villa soll nach altem Vorbild rekonstruiert werden
In der Villa auf dem 3700 Quadratmeter großen Areal sind nach dem Umbau acht Wohneinheiten mit zwei bis vier Räumen geplant. Entfernt von dem 1905 errichteten Haus werden jene Anbauten, die vornehmlich der Funktion als Kinderkrankenhaus gedient haben. Der Investor plane die Wiederherstellung von Rundbogenfenstern und Fledermausgauben sowie die Freilegung des Fachwerks an der West- und Südfassade und des Bruchsteinsockels nach alten Vorbildern aus der Zeit bis 1920, erläuterte Dieter Schmitz, Leiter der Bauaufsicht.
Die Einfahrt zur Tiefgarage wird am Bögelsknappen liegen und sich bis zu den Neubauten erstrecken. Die Bewohner erreichen vom Tiefgeschoss aus mit dem Aufzug ihre Wohnungen. 90 Stellplätze, so referierte Schmitz gegenüber den Politikern, sind geplant.
Tiefgaragenplätze errechnen sich nach neuer Satzung
Rechnerisch stehen damit jedem Wohnungseigentümer bzw. Mieter 2,5 Stellplätze zur Verfügung. Die hohe Anzahl irritierte die Politiker. Dies ergebe sich, weil nach der seit 2020 geltenden Stellplatzsatzung in Mehrfamilienhäusern 1,5 Stellplatz je 100 Quadratmeter gerechnet werden, so die Auskunft der Verwaltung.
Auf Nachfrage bestätigte Dieter Schmitz außerdem bei der Präsentation in der Bezirksvertretung, dass in diesem Bauvorhaben keine der Wohnungen öffentlich gefördert wird. Die Bebauung am Bögelsknappen erfolge nach § 34 Baugesetzbuch, das heißt Einfügung nach Art, Maß und Bauweise von Bauten in der näheren Umgebung.
Teile des alten Baumbestandes werden für den Bau weichen
Für die Baumaßnahme, so erfuhren die Politiker, werden Teile des alten Baumbestandes auf dem Villengelände sowie dem dahinter liegenden Grundstück fallen müssen. Die Rede ist von 22 Bäumen, wovon zehn schützenswert seien. Der Investor werde dafür eine Ausgleichspflanzung leisten. Ein sich hinter dem bislang städtischen Grundstück erstreckender privater Wald werde nicht tangiert. Der neue Grundstücksbesitzer und der Waldeigentümer würden sich über die Modalitäten, was die Abstände zu den Grundstücksgrenzen angehe, privatrechtlich einigen, so Dieter Schmitz.
Villa Ruhnau erhielt trotz mehrmaliger Prüfung keine Denkmalwürde
Zum Hintergrund: Vor zwei Jahren, im Februar 2019, stand bereits der Verkauf des Grundstücks an die PromA Atelier GmbH zur Debatte. Damals hatte sich das Ratsgremium gegen die Veräußerung des städtischen Grundstücks ausgesprochen. Grund war die Sorge, dass ein Verkauf eine gemeinsame Neuentwicklung mit dem bereits im Eigentum des Investors befindlichen angrenzenden Grundstücks ermöglichen und schlussendlich zum Verlust des dort stehenden Villengebäudes führen würde. Die BV IX hatte sich ebenfalls gegen einen Verkauf ausgesprochen.
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Eine vom Institut für Denkmalschutz und Denkmalpflege und dem Landschaftsverband Rheinland – Amt für Denkmalpflege im Rheinland (LVR-ADR) auf Bitten der Anwohner am Bögelsknappen durchgeführte Untersuchung im Mai 2020 bestätigte eine bereits 2017 getroffene Entscheidung: Die Villa Ruhnau wurde als nicht denkmalwürdig eingestuft. Im September 2020 erfolgte eine Abrissanzeige seitens des Investors.
Diskussion im Bauausschuss dauerte mehr als eine Stunde
Ungewöhnlich lange widmete sich der Ausschuss für Stadtentwicklung, -planung und Bauen dem Thema Villa Ruhnau: Mehr als eine Stunde dauerte der Schlagabtausch zwischen den Politikern.
Zur Debatte standen zwei Anträge (Linke/Ratsgruppen sowie CDU/Grüne) und ein großer Fragenkatalog, den die Verwaltung zu beantworten hatte. In diesem Fragenkatalog, den die Gruppen Tierschutz Essen und Die Partei aufgeworfen hatten, ging es beispielsweise um das Bieterverfahren für das hinter der Villa Ruhnau gelegene städtische Grundstück.
Verwaltung: Es gab nur ein eingeschränktes Bieterverfahren
Es habe sich, so gab Ronald Graf (Fachbereitsleiter Bauen) Auskunft, im Sommer 2018 um ein eingeschränktes Gebotsverfahren gehandelt. Zwei Interessenten habe es gegeben, einer davon der ehemalige Eigentümer der Villa Ruhnau. Für den sei dann nach der Veräußerung des Gebäudes durch die Ruhnau-Erben der jetzige Eigentümer eingestiegen.
Zum Zeitpunkt der nächsten Bieterrunde sei dann auch nur noch dieser im Rennen gewesen. Aber: Den Grundstücksverkauf stoppte im Februar 2019 ja der Ratsausschuss. Dass es kein offenes Bieterverfahren gegeben habe, erklärt die Verwaltung auch damit, dass die Erschließung des hinteren Grundstücks immer über das vordere Flurstück erfolgen müsse.
SPD übt scharfe Kritik am Vorgehen des Ausschussvorsitzenden
Dass Guntmar Kipphardt (CDU) als derzeitiger Vorsitzender des Ausschusses Kontakt zum Grundstücksinteressenten aufgenommen hatte und in Verhandlungen mit ihm trat – dieser Umstand sorgte bei der SPD für höchsten Ärger. „Das ist kein akzeptabler Umgang mit den Entscheidungsträgern im Ausschuss“, monierte deren baupolitischer Sprecher Philipp Rosenau. „Heuchlerisch“ sei auch die Haltung der Grünen im Ausschuss, die mit den vorgestellten Bauplänen der Vernichtung alten Baumbestandes und dem Bau von Luxuswohnungen zustimmten.
CDU-Sprecher Sven-Martin Köhler verteidigte die Vorgehensweise von Guntmar Kipphardt: „Er hat ausgelotet, was geht.“ Andere Mitglieder des Ausschusses hätten dies ja gleichfalls tun können. EBB-Vertreter Joachim Kluft erwiderte kurz und knapp: „Es ist nicht meine Aufgabe als Politiker, mit Investoren zu verhandeln.“
Absage an B-Plan-Verfahren und Veränderungssperre
Ob die Einleitung eines Bebauungsplanverfahrens und eine Veränderungssperre einen Abriss verhindert und eine planerische Lenkung hätte bringen können – aus Sicht der Verwaltung verneinte dies Ronald Graf. Trotzdem namhafte Verwaltungsjuristen diesen Weg aufgezeigt hätten, so komme er doch zu spät und berge nun die Gefahr eines Klageverfahrens seitens des Villen-Eigentümers: Dessen Abrissanzeige sei ja bereits im September erfolgt. „Und eine Veränderungssperre bezieht sich immer auf eine Fläche, nicht auf ein einzelnes Gebäude.“