Essen. Muslime essen nur Halal-Fleisch. Schächtung ist in Deutschland aber verboten. So lösen Essener Gastronomen und Einzelhändler das Problem.
- Ist ein Lebensmittel halal, entspricht es muslimischen Speisevorschriften. Das kann die Schächtung bedeuten, also das betäubungslose Ausbluten von Tieren.
- Laut Verbraucherzentrale ist der Begriff halal in der Europäischen Union nicht geschützt. Es bestehen keine einheitlichen Standards, die bei einer Zertifizierung überprüft werden.
- Einige Essener Restaurants und Geschäfte importieren Halal-Fleisch, andere nutzen Fleisch von Tieren, die zuvor betäubt wurden.
Das Geschäft Musti’s Fleischwelt hat kürzlich im Essener Allee-Center neu eröffnet. „Bei uns ist alles halal“, hatte Projektmanager Cüneyt Akyazililar gegenüber dieser Redaktion gesagt und damit eine Diskussion unter den Lesern und Leserinnen ausgelöst. Hintergrund: Ist ein Lebensmittel halal, entspricht es muslimischen Speisevorschriften. Das kann die Schächtung bedeuten, also das betäubungslose Ausbluten von Tieren – aus Perspektiver einiger Leser und Leserinnen ist das Tierquälerei.
Halal als Begriff in der EU nicht geschützt
Halal bedeutet übersetzt so viel wie „rein“ oder „erlaubt“. Es geht also darum, welche Lebensmittel, Dinge oder auch Handlungen aus islamischer Sicht zulässig und islam-konform sind. Nach Angaben der Verbraucherzentrale Nordrhein-Westfalen ist es von verschiedenen Kriterien abhängig, ob ein Lebensmittel in die Halal-Kategorie fällt. Diese Kriterien werden von islamischen Rechtsgelehrten zum Teil unterschiedlich ausgelegt.
Laut Verbraucherzentrale ist der Begriff halal in der Europäischen Union nicht geschützt. Es bestehen keine einheitlichen Standards, die bei einer Zertifizierung überprüft werden. Folglich seien zahlreiche verschiedene „Halal“-Siegel auf dem Markt. Für Verbraucher sei demnach selten klar, wie sich diese unterscheiden und welche konkreten Kriterien zugrunde liegen. Während einige Zertifizierer Fleisch als „halal“ anerkennen, wenn Elektrokurzzeitbetäubung oder Bolzenschussapparate eingesetzt wurden, legen andere das betäubungslose Schächten zugrunde – das in Deutschland verboten ist. Erlaubt ist hingegen der Import von Fleisch geschächteter Tiere.
Eine Umfrage bei Essener Restaurants und Geschäften zeigt, dass die Auslegung von Halal-Produkten durchaus unterschiedlich ist.
Musti’s Fleischwelt (Allee-Center Altenessen): „Das betäubungslose Ausbluten von Tieren ist in Deutschland verboten und das ist auch gut so“, erklärt Cüneyt Akyazililar und betont, dass das Fleisch in seinem Geschäft von Tieren kommt, die per Bolzenschuss betäubt und dann ausgenommen wurden. Halal sei es trotzdem, denn die Schlachtung sei durchaus rituell, werde von einem muslimischen Metzger durchgeführt, der vorher ein Gebet spricht. Auch das türkische Religionsministerium habe sein Okay für diese Art der rituellen Halal-Schlachtung gegeben. „Das Tier soll nicht leiden“, findet Akyazililar, dem es dennoch wichtig ist, dass der Laden im Allee-Center muslimisch geprägt ist: „Er heißt schließlich Musti’s Fleischwelt.“ Musti ist abgeleitet von „Mustafa“, ein Beiname des islamischen Propheten Mohammed. In seiner Produktionsstätte in Recklinghausen wird das Fleisch dann weiterverarbeitet, verpackt und schließlich nach Essen transportiert. Dort werde dann regelmäßig gefragt, ob die Produkte halal seien.
Restaurant Nevizade (Gladbecker Straße): Das Restaurant setzt auf gehobene türkische Küche. Das Fleisch kommt nach Angaben von Nevizade-Sprecherin Rumeysa Yilmaz nicht aus Deutschland, sondern unter anderem aus Großbritannien. „Wir verarbeiten Halal-Fleisch von Tieren, die original nach muslimischem Glauben geschächtet wurden, also ohne Betäubung“, erklärt Yilmaz, die beobachtet, dass die Kunden danach fragen und es ihnen durchaus wichtig sei.
Auch sie ist der Meinung, dass die Tiere nicht leiden dürfen, wenn der Prozess kurz und knackig durchgeführt werde, sei das aber auch nicht der Fall: „Wenn der Schlachter weiß, wie es funktioniert, geht das viel schneller, als wenn die Tiere erst betäubt werden.“ Yilmaz betont, dass es bei Halal-Fleisch um mehr als die Schächtung gehe. Wichtig sei beispielsweise auch, welches Futter die Tiere bekommen haben und wie sie gehalten wurden. „Unser Fleisch ist hochwertig und kostet entsprechend mehr.“
Restaurant Nirvana (Alfredstraße): „Bis und ist alles halal“, sagt Restaurantleiter Muhammet Ali Piskin. Das Fleisch für die Gerichte in dem türkischen Restaurant werde außerhalb Deutschlands geschächtet, in Köln zubereitet und dann in die Nirvana-Filialen nach Euskirchen, Langenfeld und Essen gebracht. „Ein paar Gäste fragen danach, die meisten wissen es aber“, erklärt Piskin, für den die Frage unproblematisch ist. Er sei gerne bereit Gästen darüber Auskunft zu geben. Das Restaurant ist übrigens nach einem Küchenbrand derzeit geschlossen und öffnet erst nach den Sommerferien wieder.
Restaurant Tablo (Huyssenallee):Auch bei Tablo werden türkische Gerichte serviert. Restaurantleiter Üzeyir Yigit erklärt, dass das gelieferte Fleisch mit „halal“ gekennzeichnet ist. Ob die Tiere vorher betäubt werden oder nicht, kann er jedoch nicht sagen. So explizit würden die Kunden auch nicht nachfragen. Von 100 Gästen seien ungefähr zehn muslimisch. Lediglich ungefähr fünf Mal im Jahr werde er gefragt, ob die Waren halal sind. Das Restaurant würde bei Weitem nicht nur Muslime als Zielgruppe ansprechen. Es werde schließlich auch Alkohol angeboten, auch das ist nach muslimischem Glauben nicht halal, daher würden einige Muslime erst gar nicht kommen. Yigit: „Wer ganz sicher gehen will, isst vegetarisch.“
Asil Urfa (Dönerimbiss in Altendorf):Auch bei den Dönerimbissen in Essen zeigt sich ein unterschiedliches Bild. Bei Asil Urfa werden die Spieße selbst gemacht, das Kalbfleisch komme von Tieren, die nach muslimischem Glauben ohne Betäubung geschächtet wurden.
Tadi Marifet (Dönerimbiss Altenessener Straße): Anders ist die Situation bei Tadi Marifet. Das Fleisch für die Gerichte dort komme von Tieren, die erst betäubt und dann geschlachtet werden. Doch es sei ein muslimischer Schlachter am Werk, der zunächst ein Gebet spreche. Somit gelte das Fleisch ebenfalls als halal.
Zurück zur Diskussion rund um Musti’s Fleischwelt, die ebenfalls zeigt, dass das Thema Fleischkonsum – ob halal oder nicht – divers ist. Denn abgesehen vom Thema Schächtung merkten einige Facebook-Nutzer zudem an, dass der Konsum von Billigfleisch aus Massentierhaltung sowie das Schreddern von männlichen Küken ebenfalls kritisch zu bewerten, aber in Deutschland nicht verboten sei.