Duisburg. Ausgerechnet vor Elif Korkankorkmaz‘ Café hängt ein Wahlwerbeplakat der AfD. Ihre Gäste sind empört, sie findet es entlarvend – und kontert mit Humor.
Das Werbeplakat am Gebäude ihres Cafés nimmt Elif Korkankorkmaz schon gar nicht mehr wahr. Normalerweise. Dann spricht ein Kunde sie in den Wochen vor der Bundestagswahl an: „Haben Sie das gesehen?“ „Das“ ist ein Wahlplakat der AfD, das Wort „Asyl-Betrug“ prangt in riesigen Buchstaben über der Eingangstür zum Café Inizio, das die Duisburgerin hier seit zehn Jahren betreibt. Auch wenn sie sich damit angreifbar macht: Die Buchholzerin mit türkischen Wurzeln will das nicht einfach hinnehmen. „Ich will mich nicht verstecken“, sagt sie. „Wir müssen darüber reden.“
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Elif Korkankorkmaz ist alevitische Muslima, ihre Eltern stammen aus der Türkei. Vor allem aber ist sie: Deutsche. Sie besitzt nur diese Staatsangehörigkeit, den schwäbischen Akzent ihrer Jugend in Baden-Württemberg hat sie sich im Ruhrgebiet abtrainiert, sie ist hier geboren, zahlt hier ihre Steuern, geht hier wählen. „Ich bin ganz normal aufgewachsen, ich habe eine ganz normale Kindheit gehabt. Der einzige Unterschied: Ich bin zweisprachig aufgewachsen.“
AfD fordert Remigration: „Es geht auch um mich“
Für manche ist sie damit ein Feindbild. Eine, die nicht hierhin gehört. Anfang 2024 machte die AfD mit ihrer damals geheimen Forderung nach der Remigration von Millionen Migranten Schlagzeilen, inzwischen steht der Begriff in ihrem Wahlprogramm für die Bundestagswahl 2025. „Es geht auch um mich“, sagt Elif Korkankorkmaz. „Ich bin für diese Partei eine Migrantin.“
„Das Plakat ist lustig. Die Partei ist gefährlich.“
Und dann das: Ein AfD-Plakat direkt über ihrem Café. Elif Korkankorkmaz denkt erst: „Ach Du Schreck.“ Dann nimmt sie es mit Humor: „Das ist die schlechteste Werbefläche, die sie sich hätten aussuchen können.“ Ihr Café schafft Arbeitsplätze, aktuell sucht sie einen Konditor. Sie passt nicht in das Bild der angeblichen Gefährder und Schmarotzer, das die in weiten Teilen vom Verfassungsschutz als rechtsextrem eingestufte Partei zeichnet. „Ich bin der Gegenbeweis für das, wofür die AfD steht.“ Diesen Widerspruch findet sie entlarvend. „Das Plakat ist lustig“, sagt sie. „Die Partei ist gefährlich.“
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Ihre Café-Gäste sind entsetzt über die Botschaft, die über dem Inizio prangt. „Viele sind extra reingekommen, haben angeboten: Wir überkleben das“, erzählt sie. „Ich habe natürlich abgelehnt.“
So reagiert die Café-Betreiberin auf die AfD-Wahlwerbung
Sie sucht sich einen anderen Weg, mit der AfD-Wahlwerbung über ihrem Café umzugehen: Macht auf den Widerspruch aufmerksam, geht ins Gespräch. Sie, die über sich selbst sagt: „Ich habe bis zu meinem 40. Lebensjahr nichts mit Politik zu tun gehabt, ich habe einfach nur gewählt“, will aufklären. Zum Beispiel Menschen mit migrantischen Wurzeln wie sie; Menschen, unter denen die AfD besonders viele Wähler findet. „Auch sie will die AfD von heute auf morgen weg haben. Es ist ihnen nicht bewusst. Was hat Jesus gesagt: Vater, sie wissen nicht, was sie tun.“
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Politik hat Macht, sagt die Café-Besitzerin. „Das vergessen wir hier in Deutschland. Wir sollten uns bewusst sein, wen wir wählen, der für uns entscheidet.“
Das Wahlplakat über der Tür zu ihrem Café sieht Elif Korkankorkmaz jetzt jeden Tag. Immerhin: Eine Woche nach der Bundestagswahl muss sämtliche Wahlwerbung verschwunden sein.
>> SO FUNKTIONIERT DAS GESCHÄFT MIT DER WAHLWERBUNG
- Wahlwerbung in Deutschland ist unter anderem durch die im Grundgesetz verankerte Pressefreiheit geschützt. An öffentlichen Gebäuden wie Rathäusern oder Schulen ist Wahlwerbung verboten; hier gilt das Neutralitätsgebot des Staates. Auch darf zum Beispiel Verkehr nicht durch ein Plakat beeinträchtigt werden.
- Auf Privatgrundstücken muss der Besitzer der Wahlwerbung zustimmen. Entsprechend entscheidet bei Werbeflächen an einer Immobilie deren Eigentümer, ob er Wahlwerbung zulässt und von welchen Parteien.
- Allerdings werden die Standorte für Wahlwerbung von den Parteien oft über Agenturen gebucht. Die Fläche an der Münchener Straße 16 ist zum Beispiel bei einem Anbieter für Werbeflächen gelistet, der sie für einen Tagespreis von 42,20 Euro anbietet. Der Preis richtet sich unter anderem nach der Anzahl von Menschen, die das Plakat an der betreffenden Stelle sehen werden – im konkreten Fall verspricht der Anbieter 76.399 Kontakte pro Termin, wobei die Fläche immer für zehn bis elf Tage vermietet wird.
- Die gelben Plakate wie in diesem Fall kommen nicht von der Partei selbst; dahinter steckt ein Großspender.
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