Duisburg. Bei einer Bürgermeisterwahl in Duisburg wäre es fast zur Kampfabstimmung zwischen SPD-Genossen gekommen. Ortsverein kritisiert den Amtsinhaber.

Elf Ja-Stimmen, drei Enthaltungen – das Ergebnis der Bürgermeisterwahl im Duisburger Stadtbezirk Homberg/Ruhrort/Baerl liest sich für den neuen Amtsinhaber Hans-Gerd Bosch (SPD) gut. Trotzdem dürfte es für ihn eine ungemütliche Zeit im Stadtteilparlament werden, mindestens bis zur Kommunalwahl im September. Denn in den eigenen Reihen rumort es gewaltig.

Bei Anträgen und Anfragen arbeiteten die Bezirksvertreter der SPD bislang geräuschlos zusammen, doch bei Personalfragen gehen die Vorstellungen der beiden Ortsvereine Baerl und Homberg/Ruhrort auseinander. Das offenbarte die Wahl am 23. Januar auf offener Bühne im Ratssaal.

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Dass mit Heike Gau und Hans-Gerd Bosch zwei Kandidaten derselben Fraktion auf dem Wahlzettel landen, während alle anderen Fraktionen keinen Kandidaten zur Wahl stellen, nennen selbst altgediente Bezirksvertreter einen außergewöhnlichen Vorgang. Nur weil Gau im letzten Moment zurückzog, blieb den Bezirksvertretern eine Kampfabstimmung zwischen SPD-Genossen erspart.

Wie schauen die beiden Beteiligten mit etwas Abstand auf die denkwürdige Wahl? Der neue Bezirksbürgermeister aus Baerl sieht sich rückblickend im Recht. „Ich hatte das Mandat, mich als Kandidat der SPD Duisburg für das Bezirksbürgermeisteramt vorzustellen“, sagt Hans-Gerd Bosch.

Bei der Eröffnung des Freibads Homberg im Juni 2023 posierten sie gemeinsam: Hans-Gerd Bosch (zweiter von links) und Heike Gau (rechts).
Bei der Eröffnung des Freibads Homberg im Juni 2023 posierten sie gemeinsam: Hans-Gerd Bosch (zweiter von links) und Heike Gau (rechts). © FUNKE Foto Services | Volker Herold

Die Rolle seines langjährigen Vorgängers habe für ihn nie zur Diskussion gestanden. Über viele Jahre arbeitete Bosch als Fraktionschef mit Bezirksbürgermeister Hans-Joachim Paschmann gut zusammen. Nun stand der Posten aber neu zur Abstimmung. Bosch, seit Anfang 2011 Vorsitzender der Fraktion im Bezirk, sah sich am Zug.

Der Wahl seien über Wochen intensive Gespräche vorangegangen, meint Bosch. Dass es trotzdem bis in die Sitzung hinein keine Einigung der beiden SPD-Ortsvereine gab, erklärt er so: „Wenn ein Bezirksbürgermeister 15 Jahre im Amt ist, haben sich Automatismen eingeschlichen. Wenn sich dann etwas verändert, führt das zu unterschiedlichen Interessen und Reibungen, weil sich alle Partner neu aufstellen.“

Kontrahentin Heike Gau: „Ich wäre die bessere Kandidatin gewesen“

Beinahe-Gegenkandidatin Heike Gau formuliert ihre Sicht weit weniger diplomatisch. Sie ist noch heute überzeugt: „Ich wäre die bessere Kandidatin für das Amt gewesen.“ Das habe auch ihr Ortsverein Homberg/Ruhrort so gesehen. Sie habe sich seit langem darauf vorbereitet, den Chefposten im Bezirksrathaus auszufüllen, habe Paschmann mehrmals über die Schulter geschaut.

Heike Gau war 35 Jahre lang Betriebsrätin bei Thyssenkrupp Steel in Duisburg, ist zudem seit 36 Jahren SPD-Mitglied. In der Bezirksvertretung saß sie erst seit August 2022. Trotzdem sei sie in den Stadtteilen bekannt: „Ich rede mit vielen Leuten und bin überall gut vernetzt.“ In diesem Punkt sieht sie sich gegenüber ihrem Baerler Kontrahenten klar im Vorteil.

Außerdem sei ihr Ortsverein gegenüber dem Baerler allein deshalb zuerst an der Reihe, einen Kandidaten für die Wahl zu stellen, weil er die allermeisten Einwohner repräsentiert. Nur rund zwölf Prozent der Menschen im Bezirk wohnen in Baerl, alle anderen in Homberg, Hochheide und Ruhrort.

Bezirksvertreterin ließ Verhältnis zwischen SPD-Ortsvereinen kippen

Aus diesem Grund war es zuletzt Usus, dass die SPD Homberg/Ruhrort den Bezirksbürgermeister stellt, Baerl dafür den Fraktionschef. Außerdem besetzte Homberg/Ruhrort vier der sechs Sitze in der Bezirksvertretung. Dieses Verhältnis kippte jedoch, als Bezirksvertreterin Heike Krause vor zwei Jahren den Ortsverein von Homberg/Ruhrort nach Baerl wechselte – wohl wegen persönlicher Differenzen in der Orts-SPD.

Weil Krause trotz ihres Wechsels weiter im Stadtteil-Parlament sitzt, heißt es seitdem Gleichstand in der SPD-Fraktion: Drei Bezirksvertreter kommen aus Baerl, drei aus Homberg/Ruhrort. Was zunächst nach Klein-Klein klingt, machte sich jetzt bei der Kandidatenfindung bemerkbar. Die drei Vertreter sprachen sich im Vorfeld jeweils für den Kandidaten ihres Ortsvereins aus, also blieb die Fraktion uneins.

Hans-Gerd Bosch sicherte sich Zustimmung der SPD Duisburg

Hans-Gerd Bosch sah außerhalb der Fraktion eine Möglichkeit, es doch noch auf den Chefsessel im Ratssaal zu schaffen: Er fragte den Vorstand der gesamtstädtischen SPD. Der Duisburger Unterbezirksvorstand votierte daraufhin mit deutlicher Mehrheit für den Baerler, wie es aus Parteikreisen heißt. Auf dieses „Mandat der SPD Duisburg“ berief sich Bosch schließlich bei der Bürgermeisterwahl. Gau zog zurück.

Er ist bereits ins Bürgermeisterbüro im Homberger Rathaus eingezogen: Hans-Gerd Bosch.
Er ist bereits ins Bürgermeisterbüro im Homberger Rathaus eingezogen: Hans-Gerd Bosch. © FUNKE Foto Services | Karl Banski

Der Ortsverein Homberg/Ruhrort kritisiert das Vorgehen des Baerlers scharf. Das Votum des Unterbezirks sei nicht mehr als eine Empfehlung gewesen, heißt es aus Kreisen der Orts-SPD. Eine finale Entscheidung habe jedoch die Fraktion im Bezirk treffen müssen – zur Not per Los, wenn es nach mehreren Wahlgängen keine Mehrheit für einen Kandidaten gibt.

Sozialdemokraten aus Homberg/Ruhrort sagen nun, mit Heike Gau als Bezirksbürgermeisterin hätte man die Kommunalwahl im September gewonnen – jetzt gehe sie zumindest im Bezirk mit Bosch verloren.

Streit in der Bezirks-SPD: Heike Gau ist aus dem Parlament zurückgetreten

Können die SPD-Bezirksvertreter im Homberger Rathaus nun überhaupt noch bis zum nächsten Herbst zusammenarbeiten? Hans-Gerd Bosch sagt optimistisch: „Es gab einen fairen Wettbewerb der besten Köpfe. Nach der Wahl müssen jetzt alle geschlossen hinter der gewählten Person und der gemeinsamen Sache stehen.“

Heike Gau hat eine andere Entscheidung getroffen: „Für mich ist keine weitere Zusammenarbeit im Bezirk möglich, deswegen bin ich als Bezirksvertreterin zum 31. Januar zurückgetreten.“ Ihre Nachrückerin wurde per Liste ermittelt und steht schon fest. Sie heißt Roswitha Kreutz. Und kommt aus Baerl.

>> Denkwürdige Sitzung: Details zur Bezirksbürgermeisterwahl

  • Die Bezirksvertreter in Homberg/Ruhrort/Baerl mussten nun einen neuen Bürgermeister wählen, weil Hans-Joachim Paschmann (SPD) wegen einer Krebserkrankung zum 31. Oktober 2024 vorzeitig zurückgetreten war.
  • Die Wahl des neuen Bezirksbürgermeisters stand am 23. Januar im Homberger Rathaus auf der Tagesordnung.
  • Dass der Nachfolger Paschmanns auch aus der SPD kommt, stand vor der Sitzung praktisch fest. Die Sozialdemokraten haben die meisten Sitze im Stadtteil-Parlament (sechs) und mit den Grünen eine verlässliche Mehrheit.
  • Weil sich die SPD-Vertreter mit Blick auf den Bürgermeisterkandidaten uneinig waren, wollten Heike Gau und Paschmann-Nachrücker Pascal Ailbout die Wahl auf die nächste Sitzung verschieben. Doch Hans-Gerd Bosch stoppte das Vorhaben mit dem Satz: „Das ist nur eine Einzelmeinung, die Meinung der Fraktion ist eine andere.“
  • Als Heike Gau ihre Kandidatur zurückzog und die Wahlzettel neu ausgeteilt wurden, gewann Hans-Gerd Bosch mit elf Ja-Stimmen und drei Enthaltungen.