Duisburg. Nach Jahrzehnten sollen Anwohner in Duisburg plötzlich wieder Anliegergebühren zahlen – für eine neue Straße, die sie nie benutzen werden.
Ein kleines Neubaugebiet sorgt im Duisburger Süden für großen Ärger: Für zehn geplante Doppelhaushälften soll eine Straße verlängert werden, damit die künftigen Bewohner ihr neues Zuhause erreichen können. Dafür werden Anliegergebühren fällig. Nur: Die sollen zum großen Teil Nachbarn zahlen, die schon seit Jahrzehnten in Buchholz wohnen.
33.000 Euro Anliegerbeiträge: Anwohner sollen nach Jahrzehnten zahlen
33.000 Euro muss nach seinen Angaben allein Mario Blumenkamp zahlen – für eine Straße, die für ein Neubaugebiet errichtet wird. Dafür soll der Pfrontener Weg verlängert werden: Hinter den Gärten der Häuser Sittardsberger Allee 98 bis 110 wird die Sackgasse künftig entlang führen.
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„Keiner der Anwohner der Sittardsberger Allee hat einen Nutzen von dieser neuen Straße“, sagt Mario Blumenkamp für die Interessengemeinschaft Sittardsberger Allee, zu der sich die Anwohner inzwischen zusammengeschlossen haben. Um von der neuen Straße zu ihren Pkw-Stellplätzen zu gelangen, müssten sie durch ihre Gärten und am eigenen Haus vorbeifahren. Bei manchen Grundstücken ist selbst eine solche Nutzung nur theoretisch möglich: Einige Gärten schließen mit einer Mauer ab.
Dennoch hat die Stadt die Anwohner bereits informiert, dass sie zahlen müssen: Anliegerbeiträge. Die Betroffenen sind wütend. „Wir werden mit rund zwei Drittel der Erschließungskosten zur Kasse gebeten, und die Nutznießer zahlen nur einen Bruchteil! Das ist absolut inakzeptabel“, schimpft Blumenkamp.
Anliegergebühren längst beglichen – jetzt sollen Anwohner wieder zahlen
Ende Mai hat die Interessengemeinschaft gegen die Anliegerbeiträge Einspruch eingelegt. „Es ist für uns nicht nachvollziehbar, warum die Stadt Duisburg Erschließungsgebühren von den Anwohnern fordert, die bereits seit Jahrzehnten Ihre Beiträge leisten“, sagt Blumenkamp. Zumal die Buchholzer bereits in den 60er Jahren Straßenbaubeiträge gezahlt haben: für die Sittardsberger Allee.
„Hier sind Existenzen bedroht.“
Dass sie nach Jahrzehnten völlig unerwartet zum zweiten Mal zahlen sollen, für eine Straße, die nur wegen des Neubaugebiets gebaut wird, ist für die Anwohner der Sittardsberger Allee mehr als ein Ärgernis: Die Mehrheit ist laut Blumenkamp „im Rentenalter oder kurz davor“; er sagt: „Hier sind Existenzen bedroht.“
NRW schafft Anliegerbeiträge ab? Das gilt nicht für alle
Anliegerbeiträge hatte das Land NRW zwar kürzlich öffentlichkeitswirksam abgeschafft. Das gilt allerdings nicht für Erschließungsbeiträge: Wird eine Straße erstmals gebaut, müssen die Anlieger zahlen. Und zwar nicht nur die Bewohner der Häuser, für die sie errichtet wird.
„Grundstücke, die durch mehrere Straßen erschlossen werden, sind grundsätzlich zu jeder der Straßen beitragspflichtig“, teilt die Stadt in einem Schreiben an die Anwohner der Interessengemeinschaft Sittardsberger Allee mit. Das ist im Kommunalabgabengesetz NRW geregelt.
Weiter schreibt die Stadt Duisburg: „Im vorliegenden Fall erschließt die neue Erschließungsanlage nicht nur die Grundstücke des Investors, sondern darüber hinaus weitere Baugrundstücke, die bereits über die vorhandene Sittardsberger Allee erschlossen sind.“
Stadtsprecher Maximilian Böttner präzisiert: Die Grundstücke der Altanlieger würden durch die Verlängerung des Pfrontener Wegs „an ihrer bisherigen Rückseite erschlossen“. Daraus ergebe sich für die Eigentümer „die Möglichkeit, ihr jeweiliges Grundstück auch von dieser Seite aus anzufahren“ und damit dessen bisherige Nutzung „zu ändern oder zu erweitern“. Er fügt hinzu: „Inwiefern dies dann genutzt wird, liegt in der Entscheidung jeder Eigentümerin bzw. jedes Eigentümers.“
Die Anliegerbeiträge, die für die Weiterführung des Pfrontener Wegs fällig werden, werden laut Stadt „auf alle erschlossenen Grundstücke unter Berücksichtigung der Grundstücksgröße und der jeweiligen Ausnutzbarkeit der Grundstücke“ verteilt. Das erklärt auch, warum die bisherigen Anlieger mehr zahlen müssen als die Bewohner im Neubaugebiet, für das die Straße gebaut wird.
Anwohner müssen bis zu 40 Euro pro m2 Grundstück zahlen
Denn: Wie teuer Anliegergebühren für den einzelnen Eigentümer werden kann, darüber informierte die Stadt in einer Sitzung der Bezirksvertretung Süd 2022: Erfahrungsgemäß seien 40 bis 50 Euro pro Quadratmeter Grundstücksfläche zu erwarten, hieß es da. Bei einem Grundstück von 600 m2 entspricht das der Summe, die für Mario Blumenkamp errechnet wurde.
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Die Grundstücke für die Neubauten am Pfrontener Weg sind deutlich kleiner, Angaben der IG Sittardsberger Allee zufolge messen sie im Durchschnitt nur 215 m2. Denselben m2-Satz für die Kosten zugrunde gelegt, bedeutet das Anliegergebühren von bis zu 10.750 Euro. Böttner betont: „Die Berechnung und Verteilung der zu erwartenden Erschließungsbeiträge erfolgt anhand der geltenden gesetzlichen Vorgaben.“
Dass die Mitglieder der IG Sittardsberger Allee die Sackgasse ins Neubaugebiet wohl kaum nutzen werden, spielt für das Gesetz keine Rolle. Die Anliegergebühren werden sie zahlen müssen. Womöglich aber wird es nicht ganz so teuer wie bislang berechnet: „Mehrfach erschlossene Grundstücke erhalten eine satzungsgemäße Vergünstigung“, sagt Stadtsprecher Böttner. Wie hoch diese ausfällt, dazu macht die Stadt allerdings keine Angaben.
>> STRASSENBAUGEBÜHREN: NUR TEILWEISE ABGESCHAFFT
Das Land NRW hat die Anliegergebühren für den Straßenbau nur zum Teil abgeschafft. Weiterhin zahlen müssen Besitzer von Grundstücken in diesen Fällen:
- Die Baumaßnahme wurde vor dem 1. Januar 2018 beschlossen
- Ihr Grundstück grenzt an eine Straße, die erstmals neu gebaut wird: Erschließungsbeträge werden weiterhin erhoben.