Duisburg/Kamp-Lintfort. MSV-Fans trauern nach dem Tod des Kultfans Danny Wustlich. Seine Mutter spricht über Höhenflüge, Tiefen und das letzte Telefonat mit ihrem Sohn.
Fußball-Romantiker lernten ihn als MSV-Kultfan kennen und lieben. Doch in Danny Wustlich steckte mehr: Er war ein angesagter Möbeldesigner, flog hoch und erlebte bittere Tiefen. Er reiste um die Welt, doch fühlte sich am wohlsten in seiner Heimat und bei seiner Familie. Er war bekannt mit Weltstars und wurde gefeiert in der Fankurve seiner „Zebras“. Seine Mutter Lydia Wustlich sagt über ihren Sohn: „Er hat das Leben geliebt, leider blieb dafür zu wenig Zeit.“
Mit nur 53 Jahren ist Daniel Ullrich Wustlich, den alle nur Danny nannten, überraschend gestorben. Lydia Wustlich sitzt in ihrem Haus in Kamp-Lintfort auf ihrem Lieblingsplatz und lächelt, wenn sie über ihr einziges Kind spricht: „Er war ein süßer Deiwel“, sagt sie. Also ein süßer Teufel. Ein Rabauke, schon als Kind ein Schlitzohr und jemand, der als Kindergartenkind seiner Mutter verriet: „Mama, irgendwann heirate ich mal dich.“
Kurze Zeit später macht der strohblonde Junge mit seinem besten Freund Mark die Nachbarschaft in Rheinberg unsicher. Erst Jahre danach zieht die Familie an ihren heutigen Wohnort nach Kamp-Lintfort. Die Eltern bauen ein erfolgreiches Unternehmen für Optoelektronik auf. Geschäftsreisen führen sie rund um den Globus. Danny haben sie oft dabei. Später auch Dannys Cousin Sascha.
Beide beginnen im Alter von 16 Jahren eine Lehre in dem Familienunternehmen, sind wie Brüder. Anders als Sascha fremdelt Danny mit Zahlen und Bilanzen, hat seinen eigenen Kopf. Er interessiert sich für die Technik, Bastelei und Tüftelei. Schon mit 14 Jahren baut er schließlich aus Schrotteilen ein Motorrad zusammen – und bringt es über den TÜV. Und was dann? „Dann hat er es verkauft. Fertige Sachen haben ihn nicht interessiert“, erzählt seine Mutter. Dabei schüttelt sie den Kopf, genauso wie sie es tut, wenn sie über die große Leidenschaft ihres Sohnes erzählt: den MSV Duisburg.
MSV Duisburg: Kult-Fan Danny Wustlich war seinem Verein ein Leben lang treu
Sein Vater nimmt ihn mit 14 Jahren das erste Mal mit ins alte Wedaustadion. Erst auf die Tribüne, dann haben Vater und Sohn ihren Stammplatz in der Nordkurve. Dort, wo die Fans der „Zebras“ stehen. Einmal haben sie Lydia Wustlich mitgenommen. „Ich habe mich wegen des Jargons so geschämt“, gesteht die elegante Frau. Sie habe sich auf den Boden, gesetzt, eine Zigarette angezündet und gehofft, dass das Spiel schnell vorbeigeht.
Lydia Wustlich geht danach nie mehr ins Stadion. Aber ihr Sohn ist von dem Virus infiziert. Mit Freunden gründet er den Fanclub „MSV Duisburg Dynamite“. Sie kaufen sich einen alten VW-Bus, den Danny bemalt. Dann geht es damit auf Auswärtsfahrten. Seine Mutter erinnert sich: „Bis nach Spanien sind sie gefahren. Einfach verrückt...“
Dem MSV wird Danny Wustlich sein Leben lang treu bleiben. „Die Spiele wollte er um nichts in der Welt verpassen“, unterstreichen die, die ihn kannten. Und so wird er 2021 auch zum Protagonisten der Sportschau-Dokumentation „Traditionsvereine nach dem Absturz“. Als Kult-Fan Danny – die Haare zurückgekämmt, eine Zigarette zwischen den Lippen und immer einen kernigen Spruch parat. Die Zuschauer verlieben sich in den Mann, der schimpfend vor der MSV-Arena auf- und abgeht: Wohl, weil der damals 51-Jährige so herzergreifend mit der sportlichen Talfahrt seines MSV und dem modernen Fußball hadert.
Doch den „Zebras“ den Rücken kehren? Das ist für ihn nie eine Option gewesen. „Du wechselst ja auch nicht nach sechs Jahren die Frau, nur weil die mal ein Bein verliert“, so erklärt es Danny Wustlich in der Doku. Und legt vor der Kamera direkt das nächste Zitat hinterher: „Duisburg is‘ Duisburg, ich scheiß‘ auf die andern.“
„Der Beitrag hat mir nicht gefallen“, berichtet seine Mutter ganz offen. Zu viele Schimpfworte, zu viele Sprüche unter der Gürtellinie. Lydia Wustlich sagt drei Jahre nach Ausstrahlung: „Heute verstehe ich es.“ Ihr Sohn habe halt zwei Seiten gehabt: Danny, den Fußball-Ultra, und Danny, den Unternehmer.
Danny Wustlich wird zum gefragten Möbeldesigner
Viele alte Fotos im Familienalbum zeigen ihn in teuren Anzügen, chic und umgeben von Geschäftspartnern. Im Alter von 26 Jahren offenbart Wustlich seinen Eltern, dass er das Familienunternehmen verlassen will. Zwei Patente hat er zu diesem Zeitpunkt schon erlangt. „Er war immer auf der Suche nach etwas anderem“, beschreibt es seine Mutter.
Ihr Sohn studiert Kommunikationsdesign, macht sich in Düsseldorf mit der Wustlich Design AG selbstständig. „Stil ist Ausdruck der Persönlichkeit“, schreibt Danny Wustlich damals in seiner Broschüre. Sein Erfolgsmodell: Er stellt Einrichtungsunikate her, wagt sich dabei an neue Formen heran. Gianni Versace ist sein großes Vorbild. Viele Stücke sind rund – und mit LEDs ausgestattet. „Er war vielleicht der Erste, der das gemacht hat. Die Möbel sind in der Dunkelheit geschwebt“, erzählt seine Mutter stolz. Mit seiner Wustlich Design AG stattet ihr Sohn Luxushotels und Privathaushalte auf der ganzen Welt nach deren besonderen Wünschen aus. Er lernt Donnatella Versace und andere Berühmtheiten kennen.
Doch dann folgt der Absturz: Zwei Geschäftspartner bereichern sich nach Schilderungen seiner Mutter an Dannys Erfolg. Die Firma muss Konkurs anmelden. Danny Wustlich gerät im Anschluss in die Spielsucht und die Privatinsolvenz. Am Grab ihres mittlerweile verstorbenen Mannes beschließt Lydia Wustlich, ihrem Sohn einen Neustart zu ermöglichen. Sie bedient seine Schuldscheine – und Danny kämpft sich zurück.
Herzinfarkt am 9. Oktober überlebt der Kämpfer nicht
Mit dem Fischimbiss „Ahoy“ macht er sich in Neukirchen einen Namen. Aber zu einem hohen Preis: Danny Wustlich arbeitet zwölf bis vierzehn Stunden am Tag, sieben Tage die Woche. Nur für seine Familie – und natürlich den MSV – legt er Pausen ein. Erste gesundheitliche Probleme treten auf. „Er hat sich kaputt geschuftet. Das macht mich verrückt“, sagt Lydia Wustlich. Das sind die Momente im Gespräch über ihren Sohn, in denen Stolz und Freude der Traurigkeit weichen müssen.
Und dann schildert sie auch den verhängnisvollen Brand im „Ahoy“ im Juni. Trotzdem sei Danny wieder auf dem Weg nach oben gewesen. Die Privatinsolvenz habe hinter ihm gelegen, er habe endlich wieder Geld verdienen dürfen. Als er das letzte Mal mit seiner Mutter telefoniert, ist er glücklich. Sie ist zu diesem Zeitpunkt auf der gemeinsamen Lieblingsinsel Mallorca. „Ich habe das Telefon herumgegeben, er hat mit allen gescherzt. So war er eben.“
Am 9. Oktober hört sein Herz auf zu schlagen. Den Herzinfarkt überlebt der Tausendsassa nicht. Diesmal gibt es keine Chance, sich zurückzukämpfen. Danny Wustlich hinterlässt seine Ehefrau und drei Kinder.
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Seiner Mutter werden vor allem seine späten Besuche nach 21 Uhr – wenn Danny von der Arbeit kam – fehlen. Dann griff er immer in die Leckerschublade, nahm sich eines seiner heiß geliebten Karamellbonbons, setzte sich zu ihr. „Wir haben über alles gesprochen. Über Gutes und Schlechtes.“ Denn das Leben von Daniel „Danny“ Wustlich hatte nun einmal Höhen, Tiefen und seinen MSV.