Duisburg. Für radikale Baumschützer ist er „Säge-Sören“: Im Interview spricht OB Link über Gratis-Bäume für Bürger und Ideen für die neue „Grünsatzung“.
Im zweiten Teil des Interviews über die umstrittene Duisburger Baum-Politik stellen sich Oberbürgermeister Sören Link und Stadtentwicklungsdezernent Martin Linne Fragen zur Abschaffung der Baumschutzsatzung und zum künftigen Umgang mit Bäumen auf Privatgrundstücken.
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Zum nächsten Streitthema, den Bäumen auf Privatgrundstücken. Herr Link, ist Ihr Garten baumreich?
Sören Link: Ich habe in meinem neuen Garten sechs Bäume gepflanzt: Apfelbäume, Kirsche, Pflaume, Birne. Dabei wird es nicht bleiben.
Haben Sie auch schon mal einen Baum gefällt?
Link: Ja, leider. Im Herbst hat ein Sturm einen großen Walnussbaum umgelegt, das war bitter. Und eine Tanne im Eingangsbereich musste aus Sicherheitsgründen weg.
Martin Linne: Ich habe vor 31 Jahren fünf Nadelbäume gefällt, der Garten war düster. Jetzt stehen da ein Kirsch-, ein Walnuss-, ein Pflaumenbaum und eine Magnolie. Walnuss und Kirsche werden sich in die Quere kommen, dann werde ich wahrscheinlich einen fällen müssen. Nach der alten Baumschutzsatzung wäre ich der Böse. Ein Nachbar, der Garagen statt Garten hat, ist der Gute, obwohl er nie Bäume hatte, da er nie in die Situation kommen kann, einen Baum fällen zu müssen. Dieses System wollen wir mit der neuen Grünsatzung aufbrechen. Wir wollen Baum-Typen berücksichtigen und die Bürger motivieren, Bäume zu pflanzen.
Link: Darum haben wir über die Wirtschaftsbetriebe 3000 Bäume verschenkt. Die Aktion war ein riesiger Erfolg. Die werden wir fortsetzen, damit möglichst viele Leute in ihren Gärten mehr Bäume haben. Das ist auch der Wunsch von SPD und CDU. Wir wollen Bäume schützen, aber nicht mit dem Verfahren der alten Satzung.
Abschaffung der Duisburger Baumschutzsatzung: 1000 Fällungen pro Jahr?
Glauben Sie nicht, dass durch die Abschaffung der Baumschutzsatzung 2015 durch die Groko in den ersten Jahren und auch später mehr private Bäume gefällt wurden und werden, weil es einfacher ist. Der BUND behauptet, Meldungen dokumentierten für 2016 und 2017 je 1000 Fällungen.
Linne: In der ersten Zeit gab es natürlich einen gewissen Nachholeffekt. Aber allein durch unsere Verschenkungsaktion sind zum Beispiel in diesem Jahr 3000 neue Obstbäume eingepflanzt worden.
Link: Wenn es so wäre, würde ich das sehr bedauern, deswegen setze ich auf Beratung. Ich möchte, dass die Bürger einen kompetenten Ansprechpartner haben, den sie auch fragen können: Welcher Setzling wird den klimatischen Änderungen trotzen können? Darum haben wir im Haushalt zwei Millionen Euro zusätzlich bereitgestellt fürs Stadtgrün und für Aktionen wie die Gratis-Bäumchen.
Sollte es Aufgabe einer Stadt sein, ihren Bürgern Bäume zu kaufen?
Link: Ja, wenn man wie wir das Ziel verfolgt, dass möglichst viele Bäume auch auf privaten Grundstücken wachsen. Wir wollen motivieren statt verbieten. Letztlich kostet der Baum uns weniger als den Bürger im Handel. Der Preis dort hält viele Leute ab, sich ein Bäumchen zuzulegen. Wir werden das nicht in alle Ewigkeiten mit den Wirtschaftsbetrieben fortsetzen, aber ein paar Jahre, auch weil die Nachfrage riesig war. Auch die Beschwerden darüber, dass nicht alle einen Baum bekommen haben, zeigen doch: Die Aktion kommt an.
Neue Grünsatzung: Personal für Baum-Beratung
Die 2016 von SPD/CDU abgeschaffte Baumschutzsatzung sah vor, dass Ersatz pflanzen oder bezahlen musste, wer einen Baum auf seinem Boden fällen durfte. Wer einen Baum mit zwei Metern Umfang gefällt hat, musste für vier, fünf neue Bäumen sorgen. Diese Ersatzpflanzungen fehlen seit 2016.
Link: Das war zugleich einer der Kritikpunkte: Es war ein aufwendiges Verfahren, viel Prüfaufwand, viel Bürokratie, und am Ende durfte dennoch oft gefällt werden. Ich will der frisch gewählten neuen Umwelt- und Kulturdezernentin Linda Wagner nicht vorgreifen, aber wir haben den politischen Auftrag, eine neue Grünsatzung vorzulegen. Die soll unbürokratisch und sehr bürgernah sein und einen Beratungsschwerpunkt haben – mit neuem, zusätzlichem Personal.
Könnten auch wieder Ersatz- oder Ausgleichspflanzungen Teil dieser Satzung sein?
Link: Warten wir ab. Aber mit den Extra-Geldern für die Wirtschaftsbetriebe gehen wir ja in die gleiche Richtung: Wir stellen kommunales Geld zur Verfügung, um überall in Duisburg Neupflanzungen zu ermöglichen. Ob das jetzt der Bürger über eine Gebühr zahlt oder wir mit Steuergeldern, für das Klima spielt die Finanzierung keine Rolle.
Die Stadt hat als Grundstücksbesitzer bis 2016 freiwillig auch nach dem Schlüssel der Baumschutzsatzung Fällungen auf ihren Grundstücken ausgeglichen. Dieser Ausgleich fehlt seit 2016 ebenfalls.
Link: Sollte die neue Grünsatzung so etwas für private Gärten anregen, würden wir uns dem als Eigentümerin städtischer Grundstücke nicht entziehen. Aber vielleicht wird die Grünsatzung auch einen anderen Ansatz haben. Lassen wir Frau Wagner erstmal machen – sie wird bei Klimafolgenanpassung, Grünsatzung, Klimaschutzsatzung in den kommenden Monaten eine Menge Arbeit leisten müssen.
Aber eine neue „Baumschutzsatzung“ wird es nicht geben?
Link: Nein. Es wird eine Grünsatzung geben mit dem Ziel, Bäume zu erhalten und Neupflanzungen zu fördern, die überleben.
Bis wann soll die Vorlage fertig sein?
Link: Bei Umwelt und Klima drängt die Zeit. Ende dieses Jahres oder Anfang 2024 sollte ein Entwurf vorliegen.
■ Im ersten Teil des Interviewsbeantworten Sören Link und Martin Linne Fragen zur Baumfällungen und Ausgleichspflanzungen, zur Kritik an der „Duisburger Baumpolitik“, zu den Protesten an Wedauer Straße und an der Mercatorstraße.