Duisburg. Die Schifferbörse in Duisburg-Ruhrort wird nach bewegter Geschichte Sitz des Bezirks Niederrhein der IG BCE. Gewerkschaft will Tradition wahren.

Die Schifferbörse in Duisburg-Ruhrort ist die längste Zeit Handelsplatz für Binnenschiffer oder ein Restaurant gewesen. Nun hat sie eine ganz neue Funktion: Künftig ist die Schifferbörse Stützpunkt der Industriegewerkschaft Bergbau, Chemie, Energie (IG BCE).

Die Gewerkschaft vertritt 28.500 Mitglieder von der holländischen Grenze hoch bis ins Ruhrgebiet, sagt Matthias Jakobs, der damit Chef des zweitgrößten Bezirks im Bundesgebiet ist. Jedenfalls seit der Zusammenlegung der beiden Bezirke Moers und Duisburg zum Bezirk Niederrhein.

Die Schifferbörse in Duisburg soll Kommunikationsort werden

Mitglieder aus 144 Betrieben werden von Ruhrort aus unterstützt. Hier sollen künftig Fortbildungen für Funktionäre angeboten werden, die Ortsgruppen können sich hier treffen, es soll ein Kommunikationsknotenpunkt werden, der ziemlich genau in der Mitte des Bezirks liegt, so Jakobs. Aus Infektionsschutzgründen wird der neue Standort seine Vorzüge erst nach der Pandemie ausspielen können, maximal die Hälfte der 16 Mitarbeiter ist vor Ort, Treffen finden virtuell statt.

Die Schifferbörse ist eine echte Landmarke in Duisburg. Hafenrundfahrten beginnen vor der Haustür am gleichnamigen Steiger am Vinckekanal, beim Hafenfest ist der Vorplatz eine Konzertbühne. Hier will die IG BCE anknüpfen und mit eigenen Angeboten mitmischen, sich auch mit einem Tag der offenen Tür dem Stadtteil vorstellen. Ohnehin verirren sich häufiger Touristen zu den Gewerkschaftern in der Hoffnung, Karten für eine Hafenrundfahrt kaufen zu können.

Gewerkschaft will in Ruhrort Tradition wahren

Der Hansesaal als künftiger Ort für gewerkschaftliches Miteinander. Im Bild v.l.n.r.: Matthias Jakobs (Bez.-Leiter), Patrick Leveringhaus (Stellvertreter) und Guido Freisewinkel (Gewerkschaftssekretär).
Der Hansesaal als künftiger Ort für gewerkschaftliches Miteinander. Im Bild v.l.n.r.: Matthias Jakobs (Bez.-Leiter), Patrick Leveringhaus (Stellvertreter) und Guido Freisewinkel (Gewerkschaftssekretär). © FUNKE Foto Services | MATTHIAS GRABEN


Aus den Büros auf der Westseite hat man freie Sicht auf die Rheinorange und die vorbeifahrenden Schiffe. Wo früher die verschiedenen Restaurantbetreiber ihre Büffets aufgebaut haben, ist jetzt ein Sozialraum eingerichtet. Es riecht nach Mandarinen.

Der Hansesaal, der in den vergangenen Jahren viele Veranstaltungen gesehen hat, sieht noch so aus, als könnten die Binnenschiffer gleich loslegen: Wappen aus Kopenhagen oder Bremen hängen an den Backsteinwänden, hell scheint das Tageslicht durch die gläserne Decke. „Der Vermieter hätte auch alles weiß gestrichen“, erzählt Freisewinkel, aber die Gewerkschafter wollten den alten Charme gerne behalten.

Traditionen wahren ist ihnen wichtig. An den frisch geweißelten Wänden hängen geradezu museale Exponate: Ein Arschleder vom Bergwerk Walsum für die Gewerkschaft Leder, leere Plastikflaschen, die für die Kunststoffindustrie stehen, eine Heilige Barbara und – weil die IG BCE Niederrhein als eine der letzten Bezirke zumindest noch ein Bergwerk betreut: Kali und Salz aus den Tiefen unter Rheinberg.

Kohlenlore wird vor dem Eingang der Schifferbörse platziert

Ein Repro aus dem Buch „Duisburg-Ruhrort in alten Fotografien
Ein Repro aus dem Buch „Duisburg-Ruhrort in alten Fotografien" der Zeitzeugenbörse Duisburg e.V. zeigt die Schifferbörse im Jahr 1915. © Zeitzeugenbörse Duisburg | Stephan Eickershoff


Der Gustav Sander Platz ist eine Adresse, die zur IG BCE passt, sagt Gewerkschaftssekretär Guido Freisewinkel. Denn Sander war ein Hafenarbeiter, der mehrfach wegen seiner Teilnahme an Streiks und wegen seines politischen Engagements ins Gefängnis kam. Nach dem Zweiten Weltkrieg war er Vorsitzender des DGB. Die Adresse teilen sich die Gewerkschafter mit der Thyssen-Stiftung, die im Obergeschoss ein paar Büros hat.

Auch dem Vorplatz will die Industriegewerkschaft ihren Stempel aufdrücken und eine Fahne hissen. Außerdem wird eine Kohlenlore, die gerade im Lehrstollen in Kamp-Lintfort restauriert wird, ihren Platz vor der Schifferbörse finden.

>>>DIE GESCHICHTE DER SCHIFFERBÖRSE

Die Schifferbörse am Hafenmund von Ruhrort, bevor sie im Zweiten Weltkrieg zerstört und später abgebrannt ist.
Die Schifferbörse am Hafenmund von Ruhrort, bevor sie im Zweiten Weltkrieg zerstört und später abgebrannt ist. © FUNKE Foto Services | Repro: Heinrich Jung


Binnenschiffer haben früher ihre Geschäfte auf der Straße abgewickelt. Die Schifferbörse wurde 1901 eröffnet, um Betrug zu verhindern und das Chaos auf den Ruhrorter Straßen zu minimieren. „Hier haben sich Schiffer gegen die Kohlebarone zusammengetan, wenn das kein guter Ort für Gewerkschafter ist“, sagt Freisewinkel.

In verschiedenen Kojen konnte verhandelt werden. Kohle war das häufigste Handelsgut, nach ihr wurden Standardfrachten berechnet.

Kinder spielten nach dem Krieg in der Schifferbörse – da brannte sie ab


Im Zweiten Weltkrieg wurde die Schifferbörse stark beschädigt, kurz nach Kriegsende gaben ihr spielende Kinder den Rest: Das Gebäude brannte ab. Ein Neubau der Duisburg Hafen AG wurde 1952 eingeweiht. Der verspielten Fachwerk-Fassade folgte eine nüchternere Backstein-Variante mit weißen Sprossenfenstern.

Seither beherbergte das markante Gebäude die Musikschule, Speditionen, Schifffahrtsfirmen sowie Restaurants unterschiedlicher Inhaber, etwa Seven Gastro und Frank Schwarz. Zuletzt hatten sich 2018 Betreiber aus Oberhausen die Räume für Veranstaltungen gesichert – allerdings erfolglos.

Seit 2013 steht das Gebäude im Stil der Fachwerk-Renaissance unter Denkmalschutz. Der aktuelle Besitzer, die Köhler Immobilien Stiftung, hatte gegen den Bau einer Halle auf der Mercatorinsel geklagt, weil der Denkmalwert der Schifferbörse gefährdet sein könne. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf urteilte allerdings, dass sich Denkmalwerte nicht auf Sichtachsen beziehen können.