Duisburg-Hochfeld. Corona, Häuserräumungen und Duisburg als Gartenschau-Standort. Die Grundschule Hochfelder Markt ist immer mittendrin. Das sagt die Schulleiterin.
Vor der Grundschule Hochfelder Markt rattern und klopfen die Bagger. Der Marktplatz wird gerade saniert – das macht ordentlich Lärm. In den nächsten Monaten soll auch endlich in den Umbau der Grundschule investiert werden. Zunächst soll es neue Fenster geben und die Fassade saniert werden. Auch ein Anbau steht seit Jahren auf dem Programm, damit es endlich genügend Platz für die 430 Grundschüler gibt. Doch als neulich die Nachricht kam, dass die Schultoiletten im Altbau doch erstmal nicht erneuert werden, war auch Schulleiterin Jennifer Poschen einen Moment fassungslos und „getroffen“. Das passiert ihr eigentlich nur noch selten.
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Seit zwölf Jahren leitet sie die Schule, die von Kindern aus 38 Nationen besucht wird. Sie und ihr Team bekommen immer sofort mit, wenn etwas in der Welt oder Duisburg los ist. Neben zahlreichen Jungen und Mädchen aus Zuwandererfamilien, besuchen auch ein paar Kinder aus der Ukraine die Grundschule. Die Corona-Krise merken sie im Unterricht heute noch. Zwar konnten sich die Familien I-Pads ausleihen, doch viele machten keinen Gebrauch von dem Angebot, weil sie Angst hatten, dass diese vielleicht kaputt gehen. Internet oder Wlan gibt es aber auch nicht in allen Haushalten. Die Lehrer kopierten also die Materialien und richteten einen „Kiosk“ ein, an dem sie die Unterlagen verteilten.
Häuserräumungen in Duisburg-Hochfeld haben auch Auswirkungen auf den Schulalltag der Kinder
Und wenn, wie im Februar an der Gravelottestraße, mal wieder ein Haus von der Taskforce der Stadt geräumt wird, sind neben Erwachsenen in der Regel auch Kinder betroffen, die eine der Grundschulen in Hochfeld besuchen. Meist bekommt die Schule die Einsätze aber auch erst mit, wenn die Schüler am nächsten Tag nicht mehr in ihrer Klasse sitzen. Dann machen sich die Lehrer oft auf die Suche, wo sie untergekommen sind. Wer eine Unterkunft in Walsum angeboten bekommen hat, für den wird der Schulweg zur Weltreise. Für viele Familien ist schließlich schon der Rheinpark, der nur ein paar hundert Meter entfernt liegt, weit weg. Im Gespräch erklärt Jennifer Poschen, wie sie die (künftigen) Veränderungen im Stadtteil einschätzt und warum sie trotz allem an keiner anderen Schule arbeiten wollen würde.
Sie waren als junge Lehrerin hier in Hochfeld an der Schule und haben sich dann bewusst entschieden, die Schulleitung zu übernehmen. Wie oft haben Sie es schon bereut?
Das ist eine Frage, die mir oft gestellt wird. Ich habe mir damals gesagt: Ich bleibe zehn Jahre und überlege mir dann genau, ob ich weiterziehe oder hier bleibe. Wie Sie sehen, habe ich mich entschieden, zu bleiben. Ich möchte nirgendwo anders hin. Das Team ist toll, die Arbeit mit den Eltern macht mir Spaß. Klar, die Rahmenbedingungen könnten manchmal besser sein und hin und wieder frage ich mich: Warum ist die Welt eigentlich so Scheiße? Aber ich weiß immer, warum ich hier bin.
Gerade hat das Kita-Bündnis Hochfeld den zweiten Platz im bundesweiten Wettbewerb „Deutscher Kita-Preis“ gewonnen. Sie haben sich nicht nur darüber gefreut.
Bitte nicht falsch verstehen: Wir arbeiten sehr gut mit dem DRK zusammen, die Kinder aus dem ,begleiteten Schulanfang’ besuchen ja zumeist unsere Schule. Wir sind stolz auf die Arbeitsergebnisse vor Ort und freuen uns riesig über die Anerkennung, denn nur so können wir es schaffen, die Gegebenheiten vor Ort öffentlich zu machen und in echten Dialog treten. Eine solche Auszeichnung nach Hochfeld zu tragen, verschafft einem Stadtteil ohne Lobby die Aufmerksamkeit, die wir benötigen. Allerdings ist es im Sinne einer Bildungsgerechtigkeit frappierend, dass wir auch im Jahr 2022 noch so stark von Lobby-Arbeit und dem Einsatz von Projekten und Ideen unserer Kooperationspartner abhängig sind, um Gehör zu finden. Durch die Beigeordnete Astrid Neese scheint nun auch innerstädtisch Bewegung in die Bildungslandschaft zu kommen. Projekte wir der ,begleitete Schulanfang’ müssen aus meiner Sicht zu Maßnahmen werden, die dauerhaft und verlässlich, ohne Fristen und Gefahr der Beendigung, Teil schulischer Bildung bleiben.
„Schulische Bildung benötigt Verlässlichkeit und Planbarkeit“
Wie läuft es bisher?
Ich nehme an vielen Veranstaltungen in Hochfeld teil. Vor kurzem waren Mitarbeiter des neuen Quartiersmanagements hier und haben sich vorgestellt. Auch der Initiativkreis Ruhr hat unsere Schule besucht. Aber ich nehme mir mittlerweile auch die Freiheit zu sagen: Kommen Sie erst mal im Stadtteil an. In Hochfeld sind schon viele mit Visionen gestartet und hart in der Realität gelandet. Für unsere Schule versuchen wir alles mitzunehmen und zu beantragen, was möglich ist. Aber schulische Bildung benötigt viel mehr Verlässlichkeit und Planbarkeit, um effizient und nachhaltig sein zu können. Dies muss auch für Arbeitsbereiche wie Schulsozialarbeit und viele mehr gelten. Schule jährlich neu zu denken, neu aufzustellen und neu in Schulentwicklungsprozesse einzubinden, erfordert zu viel Energie, wodurch es stetig zu Mehrbelastungen in den Systemen kommt.
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Momentan haben Sie zudem noch eine riesige Baustelle vor der Tür. Inwieweit wurden Sie als Schule informiert oder in die Pläne eingebunden?
Besonders morgens ist es schlimm und laut. Wobei meine Kollegen und ich schon regelrecht nostalgisch werden, denn ein ähnliches Geräusch hatten wir hier auch, als vor ein paar Jahren der Bunker auf dem Marktplatz abgerissen wurde. Unser Vorschlag war damals, den Bunker stehen zu lassen und statt Geld in den Abriss zu stecken, lieber aus dem Gebäude was richtig tolles zu machen und als erweiterten Schulraum zu nutzen.
Anbau soll auf dem Schulhof entstehen
Weil der Schulhof schon jetzt relativ klein ist und noch weniger Platz sein wird, wenn erst einmal der Anbau kommt, sollen die Kinder ja teilweise auch den Marktplatz mit benutzen. Was halten Sie davon?
Die Planung kennen wir, die Umsetzung muss sich zeigen. Wenn der Umbau abgeschlossen ist, muss geprüft werden, was gehen könnte und was der Versicherungsschutz sagt. Noch ist das zu abstrakt. Die Kinder des Quartiers sind auch nicht gefragt worden, welche Spielgeräte dort installiert werden sollen. Wenn dort wieder nur ein paar Metallstangen aufgestellt werden, kann damit niemand etwas anfangen. Uns wurde aber auch fest versprochen, dass die Spielgeräte, die jetzt dort auf dem Schulhof stehen, wo der Anbau hin soll, ersetzt und an anderer Stelle wieder aufgebaut werden soll. Dies ist im Bauantrag vorgesehen.
2027 soll die Internationale Gartenausstellung in Hochfeld stattfinden. Der Stadtteil soll sich bis dahin stark verändern. Wie bewerten Sie die Pläne?
Der Stadtteil verändert sich jetzt schon. Es entstehen hier gerade viele Wohngemeinschaften für Studenten. Das ist toll und ich würde mir wünschen, dass es irgendwann hier so werden könnte wie in Kreuzberg – ein gemischter Stadtteil, der offen ist für alle. Viele befürchten aber, dass die neuen Bewohner von Rheinort lieber eine Mauer um Hochfeld ziehen würden. Ähnlich ist es mit der geplanten neuen Schule: Wenn die Kinder aus Familien, die Geld haben und in Rheinort einziehen, nur dort eingeschult werden und niemand unsere Schulen in Hochfeld besucht, kann sich nichts verändern.
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103 Kinder haben sich für das kommende Schuljahr bei Ihnen angemeldet. Wie verlässlich sind diese Zahlen?
Ich kann jetzt schon davon ausgehen, dass die Zahlen nicht mehr stimmen. Wir haben auch während des Schuljahrs eine hohe Fluktuation. Teilweise, weil Familien wieder in ihre Heimatländer zurück kehren. Manchmal gibt es auch Abschiebungen. Wir haben ja die Pflicht, daran zu erinnern, dass es in Deutschland Schulpflicht gibt und müssen herausfinden, wo die Kinder sind. Das führt natürlich zu einer Mehrbelastung im Schulalltag.
Bei allen Problemen, die es gibt. Wie schaffen Sie es, dass Schule hier funktioniert?
Wir haben viele unterschiedliche Konzepte und probieren viel aus. Es gibt zum Beispiel das Programm Kinderlehrer, bei dem inklusive Schüler aus der vierten Klasse die Erstklässler in einzelnen Stunden „beschulen“. Das stärkt das Selbstbewusstsein der Großen ungemein. Wir sind mittlerweile Familienzentrum, es wird demnächst ein Nachbarschaftscafé geben. Neue Feste und Aktivitäten sind in Planung. Einmal im Jahr machen wir normalerweise mit der ganzen Schule, also mit den Kindern, Eltern und Geschwistern einen Ausflug in den Rheinpark und picknicken dort. Die ganzen Klassen machen sich auf den Weg, die Eltern packen ihren Hackenporsche, das ist immer eine große Reise, auch wenn es nur die Wanheimer Straße entlang geht. Für den Zusammenhalt an der Schule ist das wichtig und toll. Wir feiern hier auch Fastenbrechen zusammen. Leider waren viele Veranstaltungen während Corona nicht möglich. Deshalb ist es umso schöner, dass das nun wieder geht.
>> Personell „ganz okay“ ausgestattet
Rund 80 Personen arbeiten an der Grundschule Hochfelder Markt. Dazu gehören die Lehrerinnen und Lehrer ebenso wie die Sozial- und Sonderpädagogen, vier Mitarbeiter für den muttersprachlichen Unterricht, eine Person aus dem Bereich „multiprofessionelle Teams“, hinzu kommen die Mitarbeitenden des Sekretariats, der Hausmeister und alle anderen, die zum Gelingen an der Schule beitragen.
„Personell sind wir momentan, mit allen Teilzeit- und Zeitverträgen ganz okay ausgestattet“, erklärt Schulleiterin Jennifer Poschen. Ansonsten habe die Schule wie alle anderen in Duisburg Schwierigkeiten, genügend Personal zu finden, „wer aber einmal da ist, möchte auch bleiben.“