Duisburg. Braucht Duisburg wie die Nachbarstädte ein Haus des Jugendrechts für jugendliche Straftäter? Das sagen Polizei und Staatsanwaltschaft.
Köln hat eins, Essen und Dortmund auch, vor wenigen Wochen wurde in Oberhausen ein Haus des Jugendrechts eröffnet. Häuser des Jugendrechts in NRW sind darauf ausgerichtet, sich um jugendliche Straftäter zu kümmern. Deren kriminelle Karrieren sollen möglichst beendet, die Rückfallquoten verringert und so insgesamt die Jugendkriminalität reduziert werden. Ist so eine Institution auch für Duisburg sinnvoll?
Häuser des Jugendrechts für Täter aus „Multiproblemmilieu“
Ausgerichtet sind die Häuser vor allem auf jene Jugendlichen, die ein „Multiproblemmilieu“ mit sich bringen, erklärt die Polizei NRW. Kriminalität wird als ein „Symptom hochdifferenter Ursachen“ betrachtet, das die Polizei allein nicht lösen kann – also etwa Probleme in Elternhaus und Schule, Drogenproblematik oder Gewalterfahrung. In den Häusern des Jugendrechts arbeiten deshalb Polizei, Staatsanwaltschaft und Jugendgerichtshilfe zusammen. „Gerade bei Jugendlichen ist die schnelle Sanktion nach einer Straftat wichtig, um eine nachhaltige Verhaltensänderung zu erreichen“, sagt Stefan Hausch, Sprecher der Polizei in Duisburg, dabei helfe das Prinzip der kurzen Wege, der „zusammengeschobenen Schreibtische“.
Da Oberhausen zum Gerichtsbezirk Duisburg gehört, macht die Staatsanwaltschaft Duisburg jetzt erste Erfahrungen mit einem Haus des Jugendrechts. „Aus unserer Sicht ist die Vernetzung und der Austausch durch den räumlichen und organisatorischen Zusammenschluss von Vorteil“, sagt Staatsanwältin und Pressesprecherin Jennifer König. Um jugendlichen Straftätern die Konsequenzen ihres Handelns vor Augen führen zu können, sei Schnelligkeit gefragt. „Die Verfahren dürfen nicht lange dauern“, sagt sie. Zudem stehe im Jugendstrafrecht nicht die Bestrafung, sondern der Erziehungsgedanke im Vordergrund. Außerdem gebe es Fallkonferenzen mit allen Fachleuten zu einzelnen Jugendlichen. Hausch ergänzt, dass durch die Kooperation der Behörden den Erziehungsberechtigten schon vor Ende der polizeilichen Ermittlungsarbeit Erziehungshilfen angeboten werden könnten.
Kosten für die Einrichtung werden anteilig getragen
Um das Haus des Jugendrechts in Oberhausen möglich zu machen, hat die Staatsanwaltschaft in Personal investiert: Zwei Kolleginnen teilen sich dort eine Planstelle. Die Miet-Kosten teilen sich die beteiligten Parteien anteilig, Personalkosten werden jeweils von der Behörde bzw. dem Land NRW getragen.
Für Duisburg gebe es aber weder Konzept noch Zeitrahmen, sagt König. Ob so ein Haus verwirklicht wird und ob der Schwerpunkt dann etwa auf Intensivtätern liege, werde jetzt gemeinsam erarbeitet. Auch die Polizei Duisburg verweist darauf, dass das Projekt „noch in den Kinderschuhen“ stecke. Es habe erste fachliche Sondierungsgespräche zwischen Beigeordneten der Stadt Duisburg und der Polizeipräsidentin gegeben.
Das Thema steht in Duisburg allerdings schon länger auf der Tagesordnung. Bereits 2016 hatten SPD und Grüne in der Bezirksvertretung Homberg/Ruhrort/Baerl die Errichtung eines Hauses des Jugendrechts in Homberg im Gebäude der Marktschule beantragt. Wenige Monate später beschloss die Bezirksvertretung allerdings auf Antrag von CDU und FDP den Abriss der Schule, um Platz für ein Ärztehaus zu machen.
Während des Wahlkampfs im August 2020 kam die CDU-Fraktion wiederum mit einer Pressemitteilung heraus, dass sie sich ein Haus des Jugendrechts in Duisburg „wünscht“. Im Jugendhilfeausschuss wurde dann auf die sondierenden Gespräche verwiesen, die im Juli aufgenommen wurden.
Staatsanwaltschaft Duisburg hat 2019 genau 12.682 Jugendstrafsachen behandelt
LKA- Deutlich weniger Tatverdächtige unter 21 Jahren in NRWIn Duisburg hat die Staatsanwaltschaft im vergangenen Jahr 12.682 Jugendstrafsachen in der Jugendabteilung bearbeitet. 2018 waren es 14.343 und 2017 sogar 14.960 Verfahren. Auch die Polizei Duisburg meldet in ihrem Kriminalitätsbericht rückläufige Zahlen: 2019 waren 3577 Tatverdächtige unter 21 Jahre alt, drei Prozent weniger als 2018 (3691). Die Zahl der Straftaten dieser Altersgruppe sank um 36 Prozent - von 7237 auf 4603 Delikte.
Auch wenn die Zahlen zurückgehen, sind sie immer noch viel zu hoch, als das sie alle in einem Haus des Jugendrechts bearbeitet werden könnten, betont König. Je nach Konzept gehe es um eine maximal vierstellige Zahl von Fällen und Klienten.
Klau-Kids- Wie die Polizei kriminelle Karrieren stoppen willFälle wie jener vom Wochenende, bei dem ein 14-jähriger seine gleichaltrige Freundin offenbar umgebracht hat, fließen in diese Statistik nicht ein. Kapitaldelikte sowie politische Straftaten werden zwar nach Jugendstrafrecht behandelt, aber in den entsprechenden Fachabteilungen und nicht in der Jugendabteilung, sagt Jennifer König.
Um kriminelle Karrieren früh auszubremsen, gibt es bereits Projekte wie „Kurve kriegen“, bei denen Polizisten und Sozialarbeiter mit den Tatverdächtigen und ihren Familien arbeiten. Nach Angaben der Polizei würden so jedes Jahr rund 30 straffällige Kinder und Jugendliche betreut.