Duisburg: Bombenentschärfung mit vielen Hindernissen
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Duisburg. Die Bombe in Meiderich konnte nach 119 Krankentransporten und wegen uneinsichtiger Anwohner erst nachts entschärft werden. Entwarnung um 2 Uhr.
In Duisburg-Meiderich hat der Kampfmittelbeseitigungsdienst in der Nacht auf Freitag eine Weltkriegsbombe entschärft. Die englische Zehn-Zentner-Bombe war am Donnerstag bei Sondierungsbohrungen auf einer Baustelle entdeckt worden. Die Evakuierung hatte sich – für mehrere tausend Anwohner – zunächst infolge von 119 Krankentransporten in die Länge gezogen. Danach verzögerten auch noch Evakuierungsverweigerer den Großeinsatz.
Beginn der Evakuierung: am Donnerstag um 17 Uhr
Beginn der Bombenentschärfung: am Freitag um 1.36 Uhr
Entwarnung durch Sprengmeister Stommel um 2.02 Uhr
Aufwendige Evakuierung mit mehr als 310 Einsatzkräften: Zeitplan (Entschärfung um 21 Uhr) ging wegen 119 Krankentransporten nicht auf
Feuerwehr Krefeld rückte zur Verstärkung mit Fahrzeugen an
Weitere Verzögerungen: Anwohner in Sicherheitszone und später auch in Evakuierungszone missachteten laut Stadt Regeln
A59 war zwischen Kreuz Duisburg (A40/59) und Kreuz Duisburg-Nord (A42/59) von 20 Uhr bis etwa 2.05 Uhr voll gesperrt
Stadtverwaltung: 6132 Anwohner in Evakuierungszone (500-Meter-Radius) und 10.619 in Sicherheitszone (1000-Meter-Radius) betroffen
400 Anwohner im Evakuierungsraum in Gesamtschule Meiderich
Blindgänger in Duisburg-Meiderich: Schnelle Entschärfung nach fast achtstündiger Evakuierung
2.03 Uhr: Die Weltkriegsbombe ist seit 2.02 Uhr entschärft. Frank Stommel und Kollegen haben nur eine knappe halbe Stunde gebraucht, um der englischen Zehn-Zentner-Bombe den Aufschlagzünder zu ziehen. Darauf hatten auch sie stundenlang gewartet.
1.36 Uhr: Die Entschärfung hat begonnen, mehr als viereinhalb Stunden später als zwischenzeitlich geplant. Auch wir wünschen Truppführer Frank Stommel und seinem Team vom Kampfmittelbeseitigungsdienst gutes Gelingen.
Stadtsprecher Hiedels verweist darauf, dass die Feuerwehr nicht nur von Helfern des DRK und der Malteser unterstützt wird, sondern auch von Johannitern und der DLRG. Die DVG habe bei der Evakuierung mit drei Shuttle-Bussen für Anwohner unterstützt.
Evakuierungsverweigerung: In Duisburg seit 2020 eine Ordnungswidrigkeit
1.35 Uhr: Landesweit einheitliche Regeln für den Umgang mit Evakuierungsverweigerern gibt es nicht. Ob und in welcher Höhe Ordnungsgelder verhängt werden, entscheidet jede Kommune für sich.
Anfang 2020 hatte das Ordnungsamt dem Stadtrat eine Änderung der Duisburger Sicherheits- und Ordnungsverordnung vorgeschlagen, um renitente Anwohner zur Kasse bitten zu können, die bei der Entschärfung von Weltkriegsbomben die Gefahrenzone nicht verlassen wollen. Die Änderung sollte einen Passus schaffen, mit dem der Aufenthalt in Evakuierungszonen verboten wird. Die Missachtung dieses Verbots wäre dann eine „ahndungsfähige Ordnungswidrigkeit“, erläuterte Stadtsprecher Sebastian Hiedels damals. Noch 2020 beschloss der Rat die Änderung, so dass das Ordnungsamt Uneinsichtige seither zur Kasse bitten kann.
Das Problem in der Praxis: Verfahren können die Ordnungshüter nur einleiten, wenn sie die Personalien der Evakuierungsverweigerer feststellen konnten. Ob das gestern Abend/heute Nacht gelungen ist, weiß Hiedels noch nicht.
"Wir haben massive Probleme" mit Anwohnern
0.58 Uhr: Seit mehr als einer Stunde hat die Feuerwehr alle Krankentransporte beendet. Trotzdem hat die Einsatzleitung dem Kampfmittelbeseitigungsdienst immer noch kein grünes Licht geben können, berichtet Stadtsprecher Sebastian Hiedels: „Wir haben massive Probleme, weil sich viele Menschen nicht nur im Freien in der Sicherheitszone aufhalten, sondern auch in der Evakuierungszone.“ In der Evakuierungszone (innerer Kreis um Fundort herum) darf sich bis zur Entwarnung niemand aufhalten, auch nicht in Gebäuden.
Hiedels kann nicht beziffern, wie viele Anwohner die Einsatzkräfte nun aus der Gefahrenzone bekommen müssen: „Es sind aber mehr als einige wenige.“ Vermutlich hätten sich die Personen, die den Einsatzkräften nun aufgefallen sind, zuvor stundenlang in Gebäuden versteckt, einige seien wohl auch im Laufe des langen Abends in ihre Viertel zurückgekehrt.
Polizisten und Bedienstete der Stadt seien nun wieder in der Evakuierungs- und der Sicherheitszone unterwegs, um die Evakuierung zu beenden. Tausende warten darauf, dass die Entschärfung endlich beginnen kann. Vor mehr als acht Stunden hatten Mitarbeiter des Ordnungs- und Bürgeramtes begonnen, Anwohner vor Ort zu informieren.
400 Menschen warten im Evakuierungsraum
0.23 Uhr: In der Gesamtschule Meiderich warten inzwischen 400 Personen darauf, wieder nach Hause zu gebracht zu werden beziehungsweise nach Hause gehen zu können, berichtet Sebastian Hiedels.
Im Großeinsatz sind „insgesamt 75 Einsatzkräfte des Bürger- und Ordnungsamtes, 56 Polizeibeamte, 180 Kräfte der Feuerwehr Duisburg, des Deutschen Roten Kreuz und der Malteser.“ Nicht zu vergessen sind: Truppführer Frank Stommel und sein kleines Team vom Kampfmittelbeseitigungsdienst der Bezirksregierung Düsseldorf.
23.59 Uhr: Die Krankentransporte sind allesamt erledigt, berichtet Stadtsprecher Hiedels: „Insgesamt wurden 119 Krankentransporte durch die Feuerwehr durchgeführt.“ Grünes Licht können Ordnungsamt und Polizei den Männern vom Kampfmittelbeseitigungsdienst aber immer noch nicht geben – da sich im Sicherheitsbereich „noch unerlaubt Personen aufhalten“, so Hiedels. „Ein Aufenthalt im Freien ist nicht mehr erlaubt. Erst wenn sich keine Personen mehr in der Evakuierungs- und Sicherheitszone befinden, kann mit der Entschärfung begonnen werden.“
Entschärfung von Bomben mit Aufschlagzünder – „unverzüglich“ erst seit 2014
23.45 Uhr: Der stundenlange Großeinsatz am späten Donnerstagabend und das Warten auf die Entschärfung sind eine gute Gelegenheit, einige Jahre zurückzublicken: Denn vor dem 15. Januar 2014 wäre die heute entdeckte Fliegerbombe von Meiderich wohl erst am Tag nach dem Fund oder gar noch später entschärft worden, am Freitagvormittag etwa oder am Samstagabend.
Erst seit der Verfügung von 2014 müssen alle Weltkriegsbomben im Regierungsbezirk Düsseldorf immer „unverzüglich“ unschädlich gemacht werde – was, wie heute Abend, Einsatzkräfte und Anwohner häufig vor Probleme stellt.
Vor diesem Erlass hatten Kampfmittelbeseitigungsdienst und Behörden Zeit, die Blindgänger zu sichern, die Großeinsätze in Ruhe zu planen und dafür (in Abstimmung auch mit betroffenen Seniorenheimen) einen günstigen Zeitpunkt zu wählen – zumindest im Falle von Blindgängern mit den berechenbaren Aufschlagzündern. Bis zum Bindgänger-Erlass 2014 galt die Eile bei der Entschärfung ausschließlich für Bomben mit den tückischen Säurezündern.
23.15 Uhr: Stadtsprecher Sebastian Hiedels berichtet den Zwischenstand: Die Feuerwehren müssen „nur noch“ sieben Krankentransporte übernehmen.
In der Zwischenzeit seien aber wieder zahlreiche Menschen an mehreren Stellen in der Sicherheitszone hinaus ins Freie gegangen, so Hiedels: „Bevor die Straßen in der Sicherheitszone nicht menschenleer und die Leute in den Wohnungen sind, können wir mit der Entschärfung nicht beginnen.“ Es seien nun erneut Kontrollgänge geplant.
Im äußeren Ring der Gefahrenzone (500- bis 1000-Meter-Radius um die Fundstelle herum) dürfen sich die Anwohner nicht im Freien aufhalten. Sie sollen in ihren Wohnungen bleiben und die Fenster geschlossen halten.
22.40 Uhr: In der Sicherheitszone, wo die Anwohner bis zur Entwarnung ihre Wohnungen nicht verlassen sollen, halten sich nach Angaben der Stadt einige Personen nicht an die Sicherheitsregeln. Ordnungshüter hätten demnach Personen im Freien gesichtet, berichtet Stadtsprecher Sebastian Hiedels.
Er appelliert: „Das Bürger- und Ordnungsamt ist weiterhin auf die Mithilfe aller betroffenen Einwohner angewiesen und weist nochmals ausdrücklich darauf hin, dass im Sicherheitsbereich kein Aufenthalt im Freien gestattet ist. Die Personen in der Sicherheitszone sind aufgefordert, sich in Räumen aufzuhalten, die der Fundstelle abgewandt sind. Die Fenster der Wohnung sollten in jedem Fall geschlossen sein.“
Währenddessen aber muss die Feuerwehr weiterhin noch zahlreiche Kranke, Ältere und Menschen mit Behinderungen aus der Evakuierungszone bringen. Stadtsprecher Hiedels sagt, die Feuerwehr müsse immer noch 24 Krankentransporte übernehmen. Verstärkung aus Krefeld sei zugesagt: „Wir bekommen mehr Fahrzeuge.“
Autobahn 59 ist seit 20 Uhr gesperrt
21.45 Uhr: Stadtsprecher Sebastian Hiedels kann keine Hoffnung auf ein schnelles Ende des Großeinsatzes machen: Die Feuerwehr ist demnach weiterhin damit beschäftigt, Kranke und Senioren aus der Evakuierungszone zu transportieren. Feuerwerker Frank Stommel und sein Team können mit der Entschärfung der Fliegerbombe also weiterhin nicht loslegen.
20.37 Uhr: Die ursprünglich für 21 Uhr geplante Entschärfung verzögert sich nach Angaben der Einsatzleitung wohl: Die Feuerwehr müsse „aktuell noch rund 65 Krankentransporte durchführen“, erklärt Stadtsprecher Hiedels. Am Dienstag hatten die Duisburger Feuerwehrleute bei einer Bombenentschärfung in Essen bei der Evakuierung von Seniorenheimen geholfen.
20.07 Uhr: „Die Vollsperrung der A59 wurde um 20 Uhr pünktlich aktiviert“, bestätigt Stadtsprecher Sebastian Hiedels. Zwischen den Autobahnkreuzen Duisburg (A40/A59) und Duisburg-Nord (A42/A59) sollte also inzwischen kein Fahrzeug mehr unterwegs sein.
Im eingerichteten Aufenthaltsraum in der Gesamtschule Meiderich werden nach Angaben der Stadt aktuell 132 betroffene Personen betreut.
19.58 Uhr: Der Zeitplan sei weiterhin aktuell, sagt Stadtsprecher Sebastian Hiedels: A59-Absperrung ab etwa 20 Uhr, Entschärfung um 21 Uhr.
Briten warfen 1944 in zwei Tagen 9000 Tonnen Bomben auf Duisburg ab
19.47 Uhr: Noch nichts Neues zur Evakuierung und Autobahnsperrung. Zur Überbrücke einige Lesetipps zum Thema, im weiteren Sinn:
Und solch eine Bombenentschärfung ist immer auch ein Anlass für einen Blick zurück in die Zeit, als die britische Fliegerbombe abgeworfen wurde: Am 14. und 15. Oktober 1944 warf die Royal Air Force bei drei Angriffen auf Duisburg 9000 Tonnen Bomben ab. 3500 Menschen wurden getötet. Bilder von Duisburg in Trümmern:
18.37 Uhr: Jetzt soll’s noch schneller gehen, wie Stadtsprecher Sebastian Hiedels meldet: Die Vollsperrung der Autobahn A59 zwischen den Autobahnkreuzen Duisburg und Duisburg-Nord durch die Autobahnpolizei soll bereits um 20 Uhr erfolgen.
17.30 Uhr: Stab, Polizei und Autobahnpolizei planen aktuell, die Autobahn zwischen den Kreuzen Duisburg (A40/A59) und Duisburg-Nord ab etwa 20.30 Uhr zu sperren, berichtet Stadtsprecher Hiedels.
Baustelle: Wohnviertel mit 100 Einfamilienhäusern geplant
17.30 Uhr: Die englische Zehn-Zentner-Bombe war bei planmäßigen Sondierungsarbeiten im Auftrag des Kampfmittelbeseitigungsdienstes entdeckt worden. Das 32.000 Quadratmeter große Gelände an Steinstraße und Hoher Weg hat die Dornieden-Gruppe gekauft: Geplant ist ein großes Wohnviertel mit rund 100 Einfamilienhäusern.
17 Uhr: Stadtsprecher Sebastian Hiedels berichtet, die Autobahn solle zwischen den Kreuzen Duisburg (A 40/59) und Duisburg-Nord (A 42/59) „so spät wie möglich“ nach der Evakuierung der Gefahrenzone gesperrt werden: „Unser Plan ist es aktuell, um 21 Uhr zu entschärfen.“ Gleichwohl gebe es wegen der vielen Menschen in den Gefahrenzone viele Fragezeichen hinter dem Zeitplan. Zumindest muss kein Seniorenheim und kein Krankenhaus geräumt werden.
16.25 Uhr: Vorgestern waren Duisburger Feuerwehrleute noch bei einer Bombenentschärfung in Essen-Huttrop im Einsatz, weil auch mehrere Seniorenheime geräumt werden mussten (zur Meldung). Das war das Liveblog zum Großeinsatz in Essen. Die letzten großen Entschärfungen in Duisburg:
16.25 Uhr: Was die brenzlige Sache für den Kampfmittelbeseitigungsdienst ebenfalls etwas erleichtert: Die englische Zehn-Zentner-Bombe ist mit einem Aufschlagzünder ausgestattet, nicht mit einem der tückischen Säurezünder.
16.20 Uhr: Die Evakuierung der Gefahrenzone wird wegen der vielen Anwohner aufwendig. Immerhin: Das Herzzentrum liegt weder in Evakuierungs- noch in der Sicherheitszone.
Evakuierung ab 17 Uhr
15.50 Uhr: Das ist der Evakuierungsplan der Stadt:
15.45 Uhr: Die Stadt meldet den Fund einer Weltkriegsbombe in Meiderich und die kurzfristige Evakuierung. Die erste Pressemitteilung im Wortlaut:
„Bei Sondierungsarbeiten wurde heute Mittag an der Steinstraße/Hoher Weg in Duisburg-Meiderich eine englische Zehn-Zentner-Bombe mit einem Aufschlagzünder gefunden. Der Kampfmittelbeseitigungsdienst wird die Bombe im Laufe des Abends unmittelbar nach der vollständigen Evakuierung entschärfen.
Ein Aufenthalt in der Evakuierungszone ist ab 17 Uhr nicht mehr gestattet. Die genaue Uhrzeit für die Entschärfung wird noch bekannt gegeben.
Aufgrund der Größe der Bombe ist eine Evakuierungszone von 500 Metern um die Fundstelle erforderlich. Die Sicherheitszone wurde mit 1000 Metern um die Fundstelle festgelegt.
In der Evakuierungszone leben 6132 Menschen, in der Sicherheitszone sind 10.619 Einwohnerinnen und Einwohner betroffen.
In dem Bereich von 500 bis 1000 Metern um den Fundort ist aus Sicherheitsgründen ein zivilschutzmäßiges Verhalten notwendig. Die Menschen sind aufgefordert, sich in Räumen aufzuhalten, die der Fundstelle abgewandt sind. Die Fenster der Wohnung sollten in jedem Fall geschlossen sein. Ein Aufenthalt im Freien ist nicht gestattet.
Rund um den Fundort und den Sperren wird es zu starken Verkehrsbeeinträchtigungen kommen. Ortskundige Autofahrer werden gebeten, den Bereich großräumig zu umfahren.
Die A59 und eine Bahnstrecke muss voll gesperrt werden.
Das Bürger- und Ordnungsamt informiert in Kürze die Anwohner in der Evakuierungs- und Sicherheitszone.
Ebenfalls werden ansässige Gewerbebetriebe vor Ort informiert.
Evakuierungsraum in der Gesamtschule Meiderich
Die Stadt Duisburg richtet ab circa 17.30 Uhr in der Gesamtschule Meiderich, Westender Straße 30, 47138 Duisburg einen Aufenthaltsraum für Personen ein, die keine Möglichkeit haben sich bei Verwandten und Freunden aufzuhalten.
Gefahrentelefon und Warnapp NINA informieren
Informationen gibt es auch über Call Duisburg unter 0203 283-2000 und das Gefahrentelefon der Feuerwehr unter 0800 112 13 13.
Auch die Warnapp NINA informiert über Gefahrenlagen. Die städtische Sirene wird zur Entwarnung nicht zu hören sein.
Infos zu Beeinträchtigungen beim ÖPNV gibt es unter www.dvg-duisburg.de. Weitere Updates folgen.“
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