Dortmund. Hasan Şahin war immer da – und wird es immer bleiben: Der Gründer des linken Dortmunder Literaturzentrums „Taranta Babu“ ist gestorben.
Hasan Şahin wird der Humboldtstraße fehlen – aber bleibt im Herzen vieler Dortmunderinnen und Dortmunder: Der Gründer des „Taranta Babu“ ist am Wochenende im Alter von 78 Jahren gestorben. Oft saß er an einem der kleinen Tische vor dem Literatur-Café. Redend, lesend, rauchend, Tee trinkend – und immer kritisch und wach. Feierabend? Kannte Şahin nicht. Er war immer da. Und sein Geist wird es bleiben.
Erst im September hatte Hasan Şahin den „Literatur-Taler“ des Literaturrats NRW bekommen – für seine Verdienste auf dem Gebiet der Literaturförderung. „Damit habe ich nicht gerechnet“, wunderte er sich kurz nach der Verkündung. Natürlich wusste Hasan Şahin, wie viel er geleistet und was er aufgebaut hat. Sein Einsatz für kritische Literatur, Verständigung und Miteinander war unermüdlich. Aber der ruhige Mann mit Vollbart und Brille blieb immer bescheiden.
+++ Folgen Sie der WAZ Dortmund auf Facebook und Instagram +++
Kritischer Denker, starke Meinung: Hasan Şahin verließ die Türkei
Hasan Şahin wurde 1946 in Istanbul geboren. Gern erinnerte er sich an seinen Literaturlehrer: Er habe den Grundstein für seine Liebe zu Büchern gelegt, erzählte er. Prosa lag ihm am Herzen, aber mehr noch die Poesie. Gern zitierte er Gedichte, die ihn besonders prägten: „Leben wie ein Baum, einzeln und frei, und brüderlich wie ein Wald, das ist unsere Sehnsucht.“ Für ihn seien diese Zeilen zum Credo geworden, sagte er: „Im Grunde bin ich immer noch auf der Suche nach diesem Wald.“
Während des Fotografie-Studiums in Istanbul schloss sich Hasan Şahin den Kommunisten an. Aber der kritische Denker hatte eine starke Meinung – zu stark für den Staat: Es kam zum Konflikt mit der Regierung und Şahin verließ sein Heimatland. In Marseilles alternativer Szene lernte er eine Dortmunderin kennen und folgte ihr 1974 ins Ruhrgebiet. Neben seinem Job als Fotolaborant blieb er seinem gesellschaftlichen Engagement treu: Mit Freunden aus Italien, Griechenland und Chile gründete er den ersten deutschen „Ausländerverein“.
„Taranta Babu“ – Linker Buchladen, Literatur-Café, Kulturhaus
Dann ging es Schlag auf Schlag: 1979 stampfte Hasan Şahin das „Taranta Babu“ aus dem Boden, anfangs nur ein Buchladen mit linken und alternativen Titeln. Aber schon 1983 kam das Café dazu. 1985 entstand der „Verein zur interkulturellen Medienkompetenz“. Seit 2008 gibt es auch einen Veranstaltungssaal in einer alten Kneipe im Nachbarhaus. Hier finden Lesungen, Buchvorstellungen und Diskussionen statt.
Nicht allen gefiel Hasan Şahins starke linke Haltung: Mehrfach wurde das Taranta Babu Ziel mutmaßlich rechter Attacken, etwa 2009 bei einem Anschlag mit übelstinkender Buttersäure. Aber einschüchtern ließ er sich nie. Und das wird im Kulturzentrum an der Humboldtstraße auch so bleiben: Der Verein führt Şahins Werk in seinem Sinne fort. Kritisch und wach.
Mehr aus Dortmund
- „Das habe ich unterschätzt“: Veranstalter reagiert auf Weihnachtsbaum-Kritik
- Corndogs und Milchreis: Das ist neu auf dem Weihnachtsmarkt
- Volles Pfandhaus: „Vor Weihnachten kommen besonders viele“
- Weiterfahren möglich: Ungewöhnliches Pfandleih-Modell mit Autos
- Abschied von Hasan Şahin: „Taranta Babu“-Gründer ist tot