Dortmund. Seit 25 Jahren zählt Fünffachmörder Norman Franz zu den meistgesuchten Verbrechern. Aufgewachsen ist er in der Nordstadt. Eine Spurensuche.

Seine Geschichte ist so grausam wie spektakulär. Es ist die Geschichte von Norman Volker Franz. Die Geschichte von einem der meistgesuchten Verbrecher Deutschlands. Es ist auch die Geschichte eines Mannes, der skrupellos fünf Morde begangen haben soll. Und dem gleich zweimal die Flucht aus einem Gefängnis gelang - unter anderem sägte er sich mit Engelshaar den Weg in die Freiheit aus seiner Zelle in der Justizvollzugsanstalt in Hagen. Geboren wurde Norman Franz am 30. Januar 1970 in Neheim-Hüsten. Es scheint fast, als wäre er seitdem ein Geist. Seit mehr als 25 Jahren fehlt von ihm nun schon jede Spur.

Wobei das nicht ganz richtig ist: „Es sind immer wieder Hinweise bei uns eingegangen. Auch aktuell gehen wir Hinweisen zu einem möglichen Aufenthaltsort im nicht europäischen Ausland nach“, sagt Daniela Dässel mit Blick auf den aktuellen Ermittlungsstand. Sie ist Sprecherin des Landeskriminalamtes, das hauptverantwortlich die Fahndung nach Franz leitet. Seit Jahren beschäftigen sich die Zielfahnder aus Düsseldorf mit seinem Fall.

Der zeitliche Ablauf: Der Fall Norman Franz
Der zeitliche Ablauf: Der Fall Norman Franz

Geboren wurde Norman Franz in Neheim-Hüsten und somit in der heutigen Stadt Arnsberg. Über die Kindheit ist öffentlich wenig bekannt. Später groß geworden ist Norman Franz aber in der Dortmunder Nordstadt. Dort besuchte er die Realschule und machte eine Ausbildung als Elektriker.

Ex-Frau und Sohn in Dokumentation zu sehen

Der Fall ist jetzt in einer Dokumentation aufgearbeitet worden: „Das Phantom – Auf der Jagd nach Norman Franz“. Die True-Crime-Doku lässt neben beteiligten Ermittlern und Anwälten erstmals Sohn Mike F., ehemalige Komplizen sowie seine Ex-Frau Sandra C. zu Wort kommen, die ihm zur Flucht verholfen und das Engelshaar in die Hagener Anstalt geschmuggelt hat, bevor sie gemeinsam nach Portugal flüchteten.

Sandra C. wurde später zu sechs Jahren und drei Monaten Haft verurteilt, ließ sich scheiden. Ihren Mann habe sie seitdem nie wieder gesehen, sagt in der Dokumentation laut BILD aber: „Ich würde trotzdem alles genau wieder so machen, wie ich es früher gemacht habe. Das war ja aus Liebe, das kann man nicht ändern.“

Familie Norman Franz
Sandra C., Ex-Frau von Fünffachmörder Norman Franz, und der gemeinsame Sohn Mike F. leben immer noch in der Dortmunder Nordstadt. © Sky | Mateusz Smolka argon film

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Auch der Hagener Gerichtsreporter Helmut Ullrich, der den Fall damals begleitet hat, sowie Westfalenpost-Redakteur Jens Stubbe, der kurz nach dem Ausbruch als Reporter vor Ort war, kommen zu Wort. Zudem liefert der portugiesische Journalist João Nuno Assunção neue Hinweise, die gemeinsam mit den Recherchen des Filmteams zu Erkenntnissen für die Ermittler führen. Die Dokumentation ist ab dem 19. Dezember auf Sky und dem Streamingdienst WOW zu sehen.

Reporter Jens Stubbe (hinten Mitte) bei einer Pressekonferenz mit dem damaligen Anstaltsleiter nach der Flucht von Norman Volker Franz aus der JVA in Hagen.
Reporter Jens Stubbe (hinten Mitte) bei einer Pressekonferenz mit dem damaligen Anstaltsleiter nach der Flucht von Norman Volker Franz aus der JVA in Hagen. © WP Michael Kleinrensing | Michael Kleinrensing

Auch Zielfahnder des LKA sind für die Dokumentation befragt worden, bestätigt Sprecherin Daniela Dässel. „Es gibt durchaus auch nach so vielen Jahren noch eine realistische Chance - sofern er noch lebt -, Norman Franz zu fassen. Wir würden den Ermittlungsaufwand nicht betreiben, wenn wir sicher wären, dass er tot ist“, erklärt die LKA-Sprecherin gegenüber der Redaktion. Dabei sind sich auch die Ermittler darüber im Klaren, dass Norman Franz mittlerweile ganz anders aussehen dürfte. „Natürlich gibt es mittlerweile Software-Programme, die die altersbedingten Veränderungen einer Person fingieren können. Aber das ist nie deckungsgleich oder eindeutig“, so Dässel. Zumal Franz sein Gesicht auch verändert haben könnte.

Das LKA in Düsseldorf: Die Zielfahnder der Behörde beschäftigen sich seit Jahren mit dem Fall von Norman Volker Franz.
Das LKA in Düsseldorf: Die Zielfahnder der Behörde beschäftigen sich seit Jahren mit dem Fall von Norman Volker Franz. © WP Michael Kleinrensing | Michael Kleinrensing

„Es gibt durchaus auch nach so vielen Jahren noch eine realistische Chance, Norman Franz zu fassen. Wir würden den Ermittlungsaufwand nicht betreiben, wenn wir sicher wären, dass er tot ist.“

Daniela Dässel
Sprecherin Landeskriminalamt

Ein Rückblick: Die Geschichte von Franz

Noch einmal ein Rückblick auf die Chronologie des Falls: Norman Franz gehörte damals einer Bande an, die für Zigarettenschmuggel, Waffenhandel und Raubüberfälle bekannt war. Im Mai 1995 kam es zum Streit mit einer rivalisierenden, polnischen Gang.

Es folgten die ersten Morde: Auf einem Parkplatz in Syburg, nur kurz hinter der Hagener Stadtgrenze, warf der damals 25-Jährige eine Handgranate ins Auto der rivalisierenden Polen. Ein Insasse starb sofort. Einem zweiten schossen die Männer in den Kopf. Der dritte Mann konnte schwer verletzt fliehen.

Franz setzte sich ins Ausland ab, wurde jedoch geschnappt und zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt. Anfang 1997 wurde er aus Wuppertal in die JVA Hagen verlegt. Nur einen Monat später gelang ihm die in Gefängniskreisen bis heute legendäre Flucht. Mit Engelshaar gelang es ihm, einen Gitterstab seiner Zelle zu durchtrennen. Über eine selbstgebastelte Strickleiter kletterte er hoch und hangelte sich später an einem Regenwasserrohr hinunter. In der Heinitzstraße wartete bereits seine Ehefrau im Auto, mit gefälschten Papieren.

Norman Franz und sein Ausbruchsweg über das Dach der Hagener JVA.
Norman Franz und sein Ausbruchsweg über das Dach der Hagener JVA. © Unbekannt | Sascha Kertzscher
Aus dieser Zelle in Hagen floh der gesuchte Mörder am 11. März 1997.
Aus dieser Zelle in Hagen floh der gesuchte Mörder am 11. März 1997. © WP Michael Kleinrensing | Michael Kleinrensing

Nur zwei Wochen später folgte ein Raubüberfall in Weimar, Franz erschoss dort einen Menschen. Im Juli 1997 erschoss Franz, so der Stand der Ermittlungen, erneut zwei Menschen bei einem Raubüberfall. Bis zu seiner Festnahme am 24. Oktober 1998 im potugiesischen Albufeira hatte er laut Ermittlungsbehörden dort mit seiner Frau und dem gemeinsamen Kind gelebt und war in der Immobilienbranche tätig, er nutzte die Decknamen „Carsten Müller“ und „Michael Stuever“. „Seit seiner erneuten Flucht am 28. Juli 1999 aus dem Zentralgefängnis von Lissabon wird nach ihm ‚weltweit wegen fünffachen Mordes gefahndet‘“, so das Landeskriminalamt. Die Behörden hatten zuletzt bis zu 25.000 Euro Belohnung für Hinweise, die zu seiner Festnahme führen, ausgesetzt. „Norman Volker Franz hat sein Aussehen (wie auf den Fotos) mehrfach verändert“, heißt es dazu in der Fahndung.

Bilder von Norman Volker Franz
Bilder von Norman Volker Franz © LKA | LKA
Bilder von Norman Volker Franz
Bilder von Norman Volker Franz © LKA | LKA
Bilder von Norman Volker Franz
Bilder von Norman Volker Franz © LKA | LKA

Ausstrahlung der Crime-Doku im Dezember

In der neuen True-Crime-Dokumentation, wird auch die Frage beleuchtet, welche Rolle sein Umfeld in Portugal spielte. Produzentin Johanna Behre (argon Film) betont: „Im Film nähern wir uns Norman Franz über seine Taten – ohne dabei seine biographischen Umstände und persönlichen Entscheidungen auszuklammern. Und wir haben uns dazu entschieden, Sandra C.’s Perspektive auf ihre Jugendliebe und die begangenen Verbrechen ins Zentrum zu rücken – und sie als das zu zeigen, was sie waren: kaltblütig.“ Regisseurin Annika Blendl ergänzt: „Ich habe den Film als True Crime Fall angenommen, dessen Verbrechen sehr weit zurückliegen, um mit jeder neuen Erkenntnis und Recherche zu realisieren, an was für einem Fall wir hier tatsächlich dran sind und dass nichts davon vorbei ist.“

„Das Phantom – Auf der Jagd nach Norman Franz“ ist ab 19. Dezember auf Sky und dem Streaming-Dienst WOW abrufbar und startet am selben Tag um 20.15 Uhr auf Sky Crime.

(Dieser Artikel erschien zuerst bei unseren Kollegen von der Westfalenpost)

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