Bottrop. Nach dem E-Rezept kommt die E-Akte. Ein Bottroper Hausarzt sieht sie „mit der Brechstange eingeführt“, beschreibt aber auch ihren Nutzen.

Die Idee klingt gut: In der elektronischen Patientenakte (ePa) werden alle wichtigen Informationen rund um die eigene Gesundheit digital verfügbar gemacht. Hausärzte, Fachärzte, Therapeuten und Kliniken können, so der Patient dem nicht widerspricht, quasi auf Knopfdruck darauf zugreifen. Doch wenige Tage vor dem Start der ePa für alle ist Dr. Christoph Giepen, Allgemeinmediziner und Sprecher des Bottroper Ärztevereins skeptisch, was die technische Umsetzung angeht.

Elektronische Patientenakte: Vierwöchige Pilotphase beginnt am 15. Januar

Zunächst einmal: Am 15. Januar startet eine vierwöchige Pilotphase unter anderem in rund 100 Praxen in NRW, bevor die ePa dann flächendeckend für alle gesetzlich Versicherten in Deutschland an den Start geht. „Es ist eine Weiterentwicklung der bisher verfügbaren elektronischen Patientenakte“, sagt Dr. Christoph Giepen. Denn schon seit 2021 können Versicherte die Digitalakte auf freiwilliger Basis über Angebote ihrer Krankenkassen nutzen. Gemacht haben das nach Giepens eigener Erfahrung bisher aber nur „einzelne Patienten – im Versorgungsalltag war das praktisch nicht existent“.

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Jetzt, so ist der Eindruck des Bottroper Hausarztes, solle die ePa flächendeckend „mit der Brechstange eingeführt werden“. Die technischen Kinderkrankheiten, die auch schon beim E-Rezept und dem E-Krankenschein monatelang vorgeherrscht hätten, befürchtet er nun auch zum Start der digitalen Patientenakte. Ein Knackpunkt aus der Ärzte-Sicht: die Kompatibilität mit den jeweiligen Softwaresystemen, die in den Praxen sowieso schon etwa für Dokumentationen und Abrechnungsdaten genutzt werden. Da solle die ePa als Modul angeflanscht werden, so Giepen.

Praktisch solle das so aussehen: „Der Patient kommt mit seiner Versichertenkarte in unsere Praxis. In dem Moment kriegen wir automatisch bis zu 90 Tage lang Zugriff auf die ePa. Wenn der Patient das nicht möchte, kann er das sperren“, erklärt der Allgemeinmediziner. Denn: „Es ist eine patientengeführte Akte. Der Patient darf entscheiden, was damit passiert, darf Informationen löschen, selbst etwas einstellen und Zugriffsrechte vergeben.“ Letztere sollen sich seiner Kenntnis nach zum Start aber auf ein grundsätzliches Ja oder Nein beschränken. „In einer weitergehenden Version sollen später auch einzelne Dokumente gesperrt werden können.“

Zur Nutzung der ePa benötigen die Patientinnen und Patienten eine App, zur Verfügung gestellt von der jeweiligen Krankenkasse. Diese sei, betont Giepen, auch dafür zuständig, ihren Versicherten bei der Nutzung und technischen Fragen zu helfen. „Das können wir in den Praxen nicht leisten.“

Arztpraxen stellen digitale Befunde in die elektronische Akte ein

Als Arztpraxis sei man verpflichtet, selbst erstellte, digitale Patientendaten in die Akte einzustellen, führt Dr. Chirstoph Giepen weiter aus.. Wie etwa digitale Röntgenbilder aus der Radiologie. Möchte der Patient, dass auch alte Papierbefunde in den digitalen Ordner aufgenommen werden, müsse er sich mit diesem Wunsch an die Krankenkasse wenden.

Was gleich zu Beginn an zur Verfügung stehen soll, ist laut Giepen die Funktion, dass die Daten aus den E-Rezepten automatisiert in die Patientenakten eingelesen werden. „Aus den Daten soll man wohl auch ersehen können, ob der Patient das Medikament auch in der Apotheke abgeholt hat. Das kann Vorteile in der medikamentösen Therapie haben. Man kann sehen, was der Patient von anderen Ärzten verschrieben bekommt“, erläutert der Mediziner. Das trage definitiv zur Therapiesicherheit bei.

Noch abzuwarten bleibe, ob später tatsächlich alle (Fach-)Ärzte ihre Befunde in die E-Akten einstellen – was ohne Frage einen guten Überblick über die Krankheits- und Therapiegeschichte des einzelnen ermöglichen würde. „Wenn die elektronische Patientenakte gut umgesetzt wird, wird sie Riesenvorteile haben“, meint Giepen. Eine Volltext-Durchsuchbarkeit der Akte zum Beispiel wäre aus seiner Sicht „Gold wert – „aber die gibt es zum Start nicht“. Er frage sich zudem, welche Dokumente überhaupt alle eingestellt werden können. Der Bottroper Hausarzt rechnet in jedem Fall mit technischen Kinderkrankheiten, „die wahrscheinlich ein, zwei Jahre brauchen, bis es rund läuft“.

Sorgen machen sich einige zudem um die Sicherheit der Daten. Erst kürzlich forderte NRW-Gesundheitsminister Karl-Josef Laumann (CDU): „Bezüglich der Datensicherheit muss sichergestellt werden, dass das System immer auf dem neuesten und sichersten Stand der Sicherheitstechnik ist, sodass sensible Patientendaten ohne Wenn und Aber so gut wie möglich gegen Hackerangriffe aller Art geschützt sind.“