Bottrop. Asaad Osso kam 2012 mit der ersten Flüchtlingswelle aus Syrien. Er wünscht seiner „geliebten Heimat“ Heilung. Aber sein Platz ist hier, sagt er.
Asaad Osso (35) verfolgte den Sturz des Assad-Regimes in seiner Heimat Syrien mit einer „Mischung aus Hoffnung, Trauer und tiefer Besorgnis“. Er kam 2012 mit der ersten Flüchtlingswelle nach dem Ausbruch des syrischen Bürgerkrieges. Während viele seiner Landsleute in Deutschland über eine Rückkehr in die Heimat nachdenken, hat sich Osso für seine zweite Heimat Deutschland entschieden: „Dieses Land hat mir Chancen eröffnet, die ich in meiner Heimat niemals gehabt hätte. Dafür bin ich unendlich dankbar. Deutschland hat mir nicht nur eine berufliche Perspektive gegeben - es hat mir eine Zukunft geschenkt.“ Ossos Biografie ist aber auch ein Beleg für die Binsenweisheit: Chancen muss man nutzen.
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Osso ist Jeside. Diese Glaubensgemeinschaft war im Osmanischen Reich und später in dessen Nachfolgestaaten im Nahen Osten über Jahrhunderte Verfolgungen ausgesetzt. Über seine Flucht sagt er wenig mehr als: „Für viele von uns war es die einzige Möglichkeit, in einer Welt zu überleben, die uns jegliche Hoffnung nahm.“
Sein Fluchtweg führte im Dezember 2012 über Nordsyrien in die Türkei und von dort per Schiff nach Italien: „Damals war das noch möglich. Unter 14 jungen Männern war ich der Einzige, der nach Deutschland wollte.“ Die Schleuser setzten ihn nach einer langen Reise durch Mitteleuropa schließlich am Hamburger Hauptbahnhof ab.
„Jeder Flüchtling sollte zwei Uwes haben“
Das „Grenzdurchgangslager Friedland“ wurde für ihn ebenso zum „Tor zur Freiheit“ wie vorher für Kriegsgefangene, Aussiedler und DDR-Flüchtlinge. 2013 kam Osso aus der Erstaufnahmeeinrichtung in Niedersachsen nach Gladbeck und begann dort eine eindrucksvolle Integrationskarriere. Er selbst sagt über den Start in Deutschland: „Ohne die unschätzbare Unterstützung von Menschen, die an mich geglaubt haben, wäre ich heute nicht hier. Jeder Flüchtling sollte zwei Uwes haben.“
Der erste war Uwe Karrenbauer, Deutschlehrer für Flüchtlinge in Gladbeck. Er hatte es nicht leicht mit dem jungen Syrer, sagt Osso: „Ich habe die Sprache auf der Straße gelernt. Darunter leide ich bis heute.“ Irgendwann hat Karrenbauer ihm dann geholfen bei der Bewerbung für den zweiten Uwe Rettkowski, damals Geschäftsführer des Bottroper DRK und heute SPD-Ratsherr. Osso: „Der hat in mir irgendwas gesehen, was ich selbst nicht gesehen habe.“
Der Weg zur Sozialpädagogik begann mit einem Minijob beim DRK Bottrop
Rettkowski wies dem Flüchtling einen Weg, der ihn über Ausbildung und Studium bis zum Leiter einer Jugendhilfeeinrichtung geführt hat. Der begann mit einem Minijob in der DRK-Flüchtlingsunterkunft Braker Straße und führte weiter über den Job als Integrationsberater im Quartierszentrum „Startklar“ an der Horster Straße.
Asaad Osso bekam sein in Syrien abgelegtes Abitur anerkannt und entschloss sich für ein Studium der Sozialpädagogik; allerdings kein normales, etwa an der Uni Duisburg/Essen, weil er damals schon auf eine Stelle im Bottroper Sozialamt gewechselt war. Deshalb schrieb er sich ein bei der Essener Privatuni FOM. Die hat sich spezialisiert auf berufsbegleitende Studiengänge. Nach dreieinhalb Jahren hatte Osso seinen Bachelor in der Tasche.
Mit diesem Abschluss wechselte er zur gemeinnützigen Gesellschaft „Vielfalt im Ruhrgebiet“, ein interkultureller Träger der Kinder- und Jugendhilfe im Bereich der stationären Erziehungshilfe. Als Leiter einer stationären Jugendhilfeeinrichtung in Essen-Frohnhausen betreut sein Team 14 Jugendliche auf dem Weg aus einer problematischen Kindheit und Jugend in die Selbstständigkeit. Bei seinem Wohnort ist er Bottrop treu geblieben und wohnt am Eigener Markt.
„Viele Syrer in Deutschland haben nach dem Umsturz sofort die Koffer gepackt“
„Mein Herz ist geteilt“, sagt Osso über seinen Bick auf Syrien. „Jeder syrische Flüchtling hat sich gefreut über den Sturz des Assad-Regimes, viele haben sofort die Koffer gepackt.“ Das wird Asaad Osso nicht tun. Sein Entschluss steht fest: „Ich werde mit ganzem Herzen und voller Hingabe am Wiederaufbau mitwirken, um Teil des tiefgreifenden Heilungsprozesses zu sein, den mein geliebtes Syrien dringend braucht. Doch ich habe mich entschieden, mein Leben weiterhin in Deutschland zu leben, hier, wo ich in Sicherheit bin und wo ich die Möglichkeit habe, einen echten Unterschied zu machen. Ich habe hier tiefe Freundschaften gefunden, einen sicheren Raum, in dem ich mich entfalten und meinen Beitrag zur Gesellschaft leisten kann.“
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Einen Beitrag leisten will der 35-Jähriger aber auf jeden Fall zum Wiederaufbau in Syrien. „Mein Wunsch ist es, eine Brücke zwischen meinen beiden Heimaten zu bauen. Eine Brücke, die auf Dialog und Verständnis beruht und die Menschen dazu ermutigt, sich für den Wandel einzusetzen, den wir so dringend brauchen.“