Bottrop. Mitarbeiter eines Sanitär- und Heizungsbetriebs in Bottrop haben nun grundsätzlich ein langes Wochenende. So funktioniert’s, das steckt dahinter.
„Tschüss, schönes Wochenende!“ Dieser klassische Freitagsgruß ist bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern von Markus Lakenbrink nun schon am Donnerstagnachmittag zu hören. Der Geschäftsführer des Sanitär- und Heizungsbetriebs Helmut Lakenbrink und Sohn setzt nämlich seit Anfang Juli auf eine Vier-Tage-Woche. Seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben seither freitags frei und genießen ein langes Wochenende.
Bevor Missverständnisse aufkommen: Niemand arbeitet nun weniger oder verdient möglicherweise weniger. Die Wochenarbeitszeit von 37 Stunden wird in dem Betrieb lediglich neu aufgeteilt. Die fünf Stunden, die bisher freitags auf dem Plan standen, wurden nun auf vier übrigen Tage verteilt. Und weil die tägliche Arbeitszeit jetzt mehr als acht Stunden beträgt, kommt die gesetzlich vorgeschriebene Pause von einer Viertelstunde noch dazu. Damit sind die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter dann immer von 7.30 bis 17.30 Uhr im Einsatz. Drei Monate lang will man das ausprobieren.
Anstoß zur Vier-Tage-Woche kam in Bottrop von den Mitarbeitern
Der Anstoß zur Umstellung sei von den Mitarbeitern ausgegangen, sagt Markus Lakenbrink und verhehlt nicht, dass er anfangs skeptisch war. Man habe auch viele private Kunden, die am Freitag anrufen, da habe er sich schon Sorgen gemacht, wie die reagieren. Doch tatsächlich seien auch in der Vergangenheit die kurzen Freitage häufig genutzt worden, um Überstunden abzubauen. Zudem habe man kleinere abschließende Arbeiten etwa beim Bau neuer Heizungsanlagen durchgeführt.
Alles in allem seien er und sein Geschäftspartner Sebastian Vermöhlen dann nach einer Analyse zu dem Schluss gekommen, dass die Kostenfaktoren, rechne man Stundenlöhne, Fahrzeuge und alles mit hinein, am Ende teils höher waren als das, was in den fünf Stunden verdient wurde. Und wenn freitags was Dringendes ansteht – die Firma hat einen Notdienst.
Rund drei Viertel der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter macht mit
Daher also der Beschluss, es zu versuchen – auf freiwilliger Basis. Rund drei Viertel der Kolleginnen und Kollegen hätten sich darauf eingelassen, sagt Luis Hemmers. Der 27-Jährige arbeitet als Meister in dem Betrieb und hat den Stein mit ins Rollen gebracht. Vor allem die jüngeren Kollegen seien sofort begeistert gewesen, die älteren seien schon auch interessiert gewesen, hätten sich aber auch gefragt, was die Kunden sagen. Und als dann klar gewesen sei, wie die Arbeitszeiten konkret aussehen, sei das Interesse noch einmal gestiegen.
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Einschränkungen für die Kunden sieht Markus Lakenbrink nicht, im Gegenteil, auch die profitierten durch die längeren Arbeitszeiten. So könne ein Kesseltausch etwa, für den früher zweieinhalb Tage angesetzt waren, nun eben an zwei Tagen durchgeführt werden.
Bottroper Unternehmer hofft auf Vorteile im Wettbewerb um Fachkräfte
Auch im Werben um Nachwuchskräfte oder neue Mitarbeiter kann die Vier-Tage-Woche ein Vorteil werden. Tatsächlich sei das Thema auf seiner gerade abgeschlossenen Meisterausbildung auch angesprochen worden – Stichwort „Work-Life-Balance“, sagt Luis Hemmers. Dahinter steht der Wunsch gerade bei jüngeren Arbeitnehmern, das Verhältnis von Arbeit zu Leben bzw. Freizeit ausgewogener zu gestalten. Solar-Bauer Markus Borowski aus Essen-Dellwig setzt schon seit zwei Jahren auf die Vier-Tage-Woche und weiß daher: „Für manche Bewerber ist das echt ein Argument.“
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Einen weiteren Vorteil könnte die längere Regenerationsphase bieten, womöglich wirke sie sich auch förderlich auf die Gesundheit aus, sagt Lakenbrink. Das könne man aber nach drei Monaten sicher noch nicht absehen. Umgekehrt könnte aber wiederum die längere Arbeitszeit unter der Woche negative Auswirkungen haben, vielleicht fällt manch einem das Abschalten nach so einem langen Arbeitstag schwerer. All das müsse man nun beobachten. Und grundsätzlich gilt, so Lakenbrink: „Die Leute können jederzeit wieder auf die fünf Tage zurückgehen.“
Betriebe machen erste vorsichtige Erfahrungen mit dem Thema
Markus Lakenbrink und Sebastian Vermöhlen gehören mit diesem Schritt zu den Vorreitern. Verena von Dietlein, Sprecherin der Handwerkskammer, sagt, dass man von den eigenen Beratern immer mal wieder höre, dass das Thema gerade im Sanitär- und Heizungsbau diskutiert werde. Umgesetzt werde es aber selten. Markus Lakenbrink geht deshalb davon aus, dass andere Betriebe nun genau hinschauen und wissen wollen, was der Testlauf bringe.
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Ein Vorteil in der Sanitärbranche aus Sicht der Kammer: Die Wochenarbeitszeit von 37,5 Stunden, die sich vergleichsweise leicht auf vier Tage aufteilen ließe. In anderen Branchen werde ja durchaus auch länger gearbeitet. Doch auch da gibt es inzwischen Beispiele.
So berichtet das ZDF von einem Schreiner aus Süddeutschland. Der hat ein etwas anderes Modell gewählt. Seine Mitarbeiter arbeiten pro Tag eine halbe Stunde länger und verzichten auf sechs Urlaubstage. Dafür, so seine Rechnung, seien ja automatisch alle Brückenfreitage frei. Gleichzeitig sei man vom Stundenumsatz effektiver, so die Erfahrung im Süden der Republik. Andere Betriebe wiederum sprechen den freien Tag flexibel ab und sind für die Kunden dadurch weiter an fünf Tagen der Woche da.
Doch zurück nach Bottrop: Zwei Freitage waren ja schon frei, was hat man denn da gemacht? Zunächst einmal lange geschlafen, sagt Luis Hemmers. „Und dann vor allem Dinge erledigt, zu denen ich sonst nicht komme.“ Doch in 14 Tagen, da kann er den freien Freitag besonders gut gebrauchen. „Da beginnt das Parookaville-Festival und ich brauche mir diesmal nicht extra Urlaub zu nehmen.“ Na dann: Schönes Wochenende!
In einer ersten Version des Textes hatten wir den Vornamen des Mit-Inhabers verwechselt. Er heißt Sebastian Vermöhlen und nicht wie zuerst geschrieben Sven. Wir haben den Fehler im Text korrigiert.
In zweiter Generation
Markus Lakenbrink führt den Betrieb in zweiter Generation. Gegründet wurde er von seinem Vater Helmut – daher auch der Name. Seit einiger Zeit wird er in der Führung unterstützt von seinem Geschäftspartner Sebastian Vermöhlen. Vor gut einem Jahr folgte die Eröffnung des neuen Standortes an der Gladbecker Straße unweit des Eigener Markts. In dem Betrieb arbeiten derzeit drei Meister, acht Monteure, vier Auszubildende, zwei Helfer sowie zwei Bürokräfte.