Bottrop. Hermann Trox ist einer von rund 800.000 Stotterern in Deutschland. Mit welchen Strategien er es geschafft hat, gelassener damit umzugehen.

Stottern betrifft rund 800.000 Menschen in Deutschland und ist die häufigste Sprachstörung bei Kindern. Meist tritt das Stottern nur vorübergehend auf, vor allem im Alter von drei bis fünf Jahren. Tatsächlich sprechen fast 80 Prozent der Kinder in dieser Phase unflüssig. Bei etwa zwei Prozent entwickelt sich daraus aber eine dauerhafte Störung. So wie bei Hermann Trox (79), der schildert, wie er trotz Stotterns im Alter zu Gelassenheit gefunden hat.

Um das Phänomen Stottern rankten sich jahrzehntelang Vorurteile und Irrtümer, die den Betroffenen das Leben zusätzlich schwer machten. Von psychischen Erkrankungen war die Rede und Eltern wurden Erziehungsfehler unterstellt. Diese Theorien gelten heute als überholt und es besteht weitgehend Einigkeit darüber, dass Stottern ein neurologisches Phänomen ist, das mit Probleme bei der Koordination von Muskeln, die beim Sprechen beteiligt sind, einhergeht.

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Auch genetische Faktoren spielen eine Rolle. Die typischen Symptome des Stotterns, wie Wiederholungen, Dehnungen und Blockierungen, werden daher auch oft begleitet von körperlichen Reaktionen wie Muskelanspannungen.

Stress und negative Reaktionen bei Stottern:

Fakt ist aber auch, dass Stress und negative Reaktionen des Umfeldes das Stottern verstärken können. Betroffene entwickeln daher oft soziale Ängste und ziehen sich stark zurück. Das schildert auch Herman Trox, der selbst seit früher Kindheit an der Redeflussstörung leidet. „Vor allem meine Schulzeit hat das Stottern stark beeinflusst“, berichtet der heute 79-jährige, „egal wie gut ich im Schriftlichen war und was ich an theoretischen Kenntnissen hatte, am mündlichen Unterricht konnte ich mich einfach nicht beteiligen.“

Welttag des Stotterns

Am 22. Oktober, dem Welttag des Stotterns, wird seit 1998 jährlich über diese sogenannte Redeflussstörung aufgeklärt. Ziel ist es, die gesellschaftliche Akzeptanz der Betroffenen zu steigern. Im Fokus stand dabei in diesem Jahr die Bedeutung des geduldigen Zuhörens als Chance für eine gelingende Kommunikation. 

Dies habe ihn nicht nur bei der beruflichen Laufbahn stark beeinträchtigt, auch seine Möglichkeit, Freundschaften zu pflegen und unbefangen Freizeitaktivitäten mit anderen zu teilen war stark eingeschränkt. „Am Ende bin ich kaum noch rausgegangen, habe viel gelesen, und wenn Kontakt zum Beispiel mit größeren Gruppen nicht zu vermeiden war, habe ich einfach geschwiegen.“

Im Laufe der Jahre entwickelte er – wie die meisten Betroffenen – Strategien, um die Symptome abzumildern. Dazu gehört das Verwenden von Füllwörtern oder das Vermeiden bestimmter Buchstabenkombinationen.

Anlaufstellen für Stotterer: Logopädische und sprachtherapeutische Ansätze

Allen Hemmnissen zum Trotz war Hermann Trox jahrelang Redaktionsmitglied, Gedichte- und Geschichtenschreiber der Bottroper Zwar-Zeitung und Mitglied der Autorengruppe Arial-10. Mit dem Verein Arial-10 hat er über mehrere Jahre auch aktiv an Lesungen teilgenommen. Wie hat er das geschafft? „Je älter ich wurde, desto mehr Gelassenheit habe ich entwickelt“, beschreibt er seine Entwicklung. „Ich stellte fest, dass ich der Situation gewachsen war, und bei meinen eigenen Texten bestimme ich ja auch die Wahl der Worte. Diese Kontrolle hilft.“

In seiner Kindheit und Jugend gab es keine Therapien für Betroffene. Heute ist das anders. Obwohl Stottern nicht heilbar ist, ist das Ziel, frei und ohne Angst sprechen zu können, für viele erreichbar. Vor allem in frühen Lebensjahren werden mit logopädische und sprachtherapeutische Ansätze wie dem sogenannte Fluency Shaping oder der Stottermodifikation, gute Erfolge erzielt.

In Deutschland gibt es ca. 100 Selbsthilfegruppen. Zentrale Anlaufstelle für Betroffene ist die Bundesvereinigung Stottern & Selbsthilfe e.V. (BVSS). Weiterführende Infos unter: www.bvss.de