Bottrop. Die Stadt rechnet vor: So produzieren wir Schulden für Aufgaben, die Bund und Land uns zuweisen. Ein Beispiel: der Rechtsanspruch auf Kitaplätze.

Die Kommunen erfüllen im Auftrag des Bundes und der Länder zahlreiche soziale Aufgaben. Die Ausgaben dafür sind im ersten Halbjahr 2024 deutlich gewachsen – so stark, dass die Städte und Gemeinden neue Schulden machen müssen. Und nächstes Jahr werden die Kosten in Bottrop garantiert nicht weniger, sagt Bottrops Sozialverwaltung und nennt Beispiele: Vor allem die Kitaplätze treiben Bottrop weiter in die Schuldenfalle.

Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung gilt seit 2013

Seit 2013 gilt bundesweit der Rechtsanspruch auf Kinderbetreuung. Jedes Kind hat ab dem vollendeten ersten Lebensjahr bis zum vollendeten dritten Lebensjahr einen Rechtsanspruch auf einen Betreuungsplatz in einer Kindertageseinrichtung oder in Kindertagespflege und ab dem vollendeten dritten Lebensjahr einen Anspruch auf einen Betreuungsplatz in einer Kindertageseinrichtung.

Deshalb und wegen der in vielen Stadtteilen sehr hohen Nachfrage hat die Stadt Bottrop seit Jahren die Zahl der Kitaplätze hochgefahren und kommt doch oft nicht hinterher wie in diesem Jahr. Bei der Förderung von Kindern in Tageseinrichtungen (Kita-Plätze) plant die Stadt im kommenden Jahr mit Kosten in Höhe von rund 57,7 Millionen. Nach den Zuweisungen vom Bund (29,8 Millionen) und den eingenommenen Elternbeiträgen (4,7 Millionen) wird ein Defizit von rund 23,2 Mio. Euro bleiben: Bottrop bleibt auf mehr als einem Drittel der Kitakosten sitzen.

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Und die Ausgaben werden weiter steigen, sagt Fachbereichsleiterin Nadine Granow-Keysers: „Im Hinblick auf die Ausgabensteigerungen für den Bereich der Betriebskosten für Kitas sehen die Haushaltsplanungen für das Jahr 2025 eine Steigerung von 3,04 Millionen Euro und für das Jahr 2026 eine Steigerung von 5,794 Millionen Euro im Vergleich zum Haushaltsjahr 2024 vor.“

Weitere Beispiele aus dem Bottroper Sozialetat

Es gibt weitere Beispiele aus dem Sozialetat. So muss die Stadt in ihrer Haushaltsplanung für das kommende Jahr einen Anstieg der Kosten bei der wirtschaftlichen Jugendhilfe von 1,47 Mio. Euro einplanen.

Im Bereich des Bildungs- und Teilhabepakets plant die Stadt 2025 mit Ausgaben von rund 3,3 Millionen Euro. Erstattet vom Bund werden hingegen nur 1,6 Millionen.

Die Umsetzung der Wohngeldreform war mit einer deutlichen Mehrbelastung des Sozialamtes im Bereich Bildung und Teilhabe verbunden. Denn der Kreis der Anspruchsberechtigten wurde signifikant erhöht. Seit 2021 ergab sich eine Steigerung der Fallzahlen um rund 87 Prozent, was nur mit mehr Personalbedarf bewältigt werden kann.

Folge der wachsenden Sozialkosten: Die Kommunen müssen wieder vermehrt Liquiditätskredite aufnehmen, klagt das „Aktionsbündnis für die Würde unserer Städte“, dem Bottrop angehört. Im ersten Halbjahr 2024 waren es rund 2,4 Milliarden Euro. Auf Kommunen aus NRW entfallen davon 1,7 Milliarden Euro. Damit steigt die Summe der Liquiditätskredite in Deutschland auf rund 33 Milliarden Euro.

„Die Kommunen verschulden sich, um Aufgaben zur erfüllen, die Bund und Land ihnen übertragen haben.“

Christoph Gerbersmann und Martin Murrack 
„Aktionsbündnis für die Würde unserer Städte“

„Die Kommunen verschulden sich, um Aufgaben zu erfüllen, die Bund und Land ihnen übertragen haben“, sagen Christoph Gerbersmann und Martin Murrack, Sprecher des Aktionsbündnisses. „Das Geld fehlt dann, um vor Ort in Straßen, in Nahverkehr, Schulen sowie Digitalisierung und Klimaschutz zu investieren.“

Das sind die beiden Forderungen des Aktionsbündnisses:

Altschulden-Lösung: Bund und Länder tragen eine wesentliche Verantwortung für die Schulden und müssen daher auch bei der Lösung des Problems wesentlich Verantwortung übernehmen. NRW hat im Sommer immerhin einen Vorschlag präsentiert. Das Bundesfinanzministerium hat allerdings jüngst erklärt, dass es keine ausreichende Mehrheit für eine Altschuldenregelung im Bundestag sieht und deshalb keinen Gesetzesentwurf dazu einbringen wird.
Auskömmliche Finanzausstattung: Damit die Probleme nicht wieder auftreten, muss es eine faire Finanzverteilung zwischen Bund, Ländern und Kommunen geben. Die Städte und Gemeinden müssen finanziell so ausgestattet werden, dass sie sich nicht für delegierte Aufgaben verschulden.