Bottrop. Anwohner im Bottroper Süden entdecken rot-braune Flecken an ihren Autos. Sie sorgen sich nicht nur um den Lack, sondern auch um ihre Gesundheit.
Das Auto kommt frisch aus der Waschanlage, da stellt Vanessa fest, dass der Lack über und über mit Flecken übersät ist. Sie ruft ihren Vater Frank Charles an. Gemeinsam stellen sie fest, dass jedes Auto in der Straße kleine Verfärbungen hat. Die einzelnen Flecken sind wenige Millimeter groß und braun-orange. Je horizontaler die Oberfläche, desto mehr Punkte finden sich dort, was die Anwohner vermuten lässt: Die Ursache kommt von oben.
Tatsächlich haben Autos in der Nachbarschaft des Welheimers ähnliche Verfärbungen. Je heller der Lack, desto leichter sind die Flecken erkennbar. Frank Charles versucht, die Flecken am Auto seiner Tochter abzuwaschen, doch es funktioniert nicht. Erst mit einer Autopolitur gebe die Verschmutzung ein wenig nach: Doch nur mit minutenlangem, händischen Putzen an einem Abschnitt der C-Säule, wie er sagt. Für das ganze Auto geht das nicht. „Danach bräuchtest du einen Arzt für die Hand“, fasst seine Tochter zusammen.
Sorge um Luftverschmutzung: Welheimer verdächtigen Kokerei
Die Anwohner sind sich sicher, dass es einen Zusammenhang zwischen der Kokerei von ArcelorMittal und der Verunreinigung gibt. Circa 750 Meter entfernt von den Häusern der Betroffenen läuft dort der Betrieb. „Es gibt hier sonst nichts, was das verursachen könnte“, sagt Charles dazu. Seine Nachbarin grenzt die Ursache der Verfärbungen auf die vergangenen zwei Wochen ein.
Seine Tochter Vanessa beschreibt die Luftverschmutzung als „extrem schlimm“, es rieche oft nach Plastik, faulen Eiern und Verbrennung. Ihr Vater ergänzt: „Das atmen wir auch alle ein.“ Der 65-Jährige sorgt sich besonders um die Gesundheit von Älteren, Kleinkindern und Babys. Der Rentner fragt: „Warum darf ich meine eigene Gurke nicht essen, wenn alles in Ordnung ist?“ und spielt damit auf die Verzehrwarnung der Stadt in Welheim und einen Teil Batenbrocks an.
Das sagt die Kokerei zu den Vorwürfen der Welheimer
Die Kokerei von ArcelorMittal Bremen am Standort Bottrop arbeite kontinuierlich daran, Umweltauswirkungen so gering wie möglich zu halten, teilt ein Sprecher des Konzerns mit. Weiter heißt es: „Produktionsrückstände, die zu braunen Flecken auf Autos führen können, sind bisher nicht bekannt. In den vergangenen Tagen gab unseres Wissens nach keine Auffälligkeiten in der Produktion.“
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Könnte es vielleicht mit Saharastaub zusammenhängen? Ein Rückblick auf die Daten der Copernicus Services bis zum 15. September zeigt, dass in Zentraleuropa keine gehäuften Vorkommen von Aerosolen kam. Weder von Afrika kommend noch generell zeigt das Radar der Europäischen Kommission Auffälligkeiten.
Trotz Verfärbung an den Welheimer Autos: Wieso die Polizei nicht weiterhilft
Nach der Entdeckung an den Autos rief die Nachbarschaft die Polizei: „Die haben nur mit dem Kopf geschüttelt und an die Stadt verwiesen.“ Die Polizisten seien zwar freundlich gewesen, aber der Welheimer fühlt sich im Stich gelassen: „Ich habe von klein auf gelernt, die Polizei ist dein Freund und Helfer. Jetzt habe ich einen Schaden und sie helfen mir nicht.“
Auf Nachfrage erklärt die Polizei, dass ihre Beamten nicht für zivilrechtliche Angelegenheiten zuständig sind. Da die Autos höchstwahrscheinlich nicht vorsätzlich, sondern fahrlässig beschädigt worden wären, handle es sich nicht um Sachbeschädigung im strafrechtlichen Sinne. Dass das für die Anwohner frustrierend sei, dafür habe man Verständnis. Dem Protokoll zufolge hätten die Beamten fast eine halbe Stunde am Einsatzort verbracht.
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Sorge um Gesundheit: „Die Bürger werden im Regen stehen gelassen“
Seine Nachbarin habe bereits alle möglichen Anlaufstellen vergeblich kontaktiert: die Stadt, das Ordnungsamt, das Umweltamt und die Bezirksregierung. Letztere könne ein Gutachten nur erstellen, wenn es von einem Amt dazu angehalten werde. Der Rentner kommentiert: „Man findet keinen Ansprechpartner. Die Bürger werden im Regen stehen gelassen.“
Die Stadt Bottrop erklärt, sie habe sich unmittelbar nach der Beschwerde Anfang der Woche darum gekümmert und offiziell bei der Bezirksregierung Münster eine Anfrage dazu gestellt. Wäre die Ursache die Industrie in Bottrop, wäre die Bezirksregierung die zuständige Aufsichtsbehörde.
Der 65-Jährige gesteht zu: „Da sind Arbeitsplätze hinter, dafür habe ich Verständnis.“ Er habe selbst jahrelang in einer Kokerei gearbeitet. „Aber bei der Gesundheit hört der Spaß auf.“
„Wenn die Autos so reagieren, was ist dann mit meiner Lunge los? Wenn mir im Krankenhaus ein Lungenflügel abgenommen wird, bringt mir Geld auch nichts.“
Es geht nicht um die Autos oder finanzielle Entschädigung: „Es muss einfach aufhören“
Die Reinigung der Autos koste mindestens 300 Euro pro Fahrzeug, schätzen die Welheimer. Aber die Aufbereitung sei sinnlos, wenn man am nächsten Tag wieder die gleichen Flecken habe, sagen sie. Weil die Reinigung so schwer sei, geht Frank Charles davon aus, dass nach zwei bis drei Malen der schützende Klarlack weg sei, in den sich die Flecken seines Erachtens eingebrannt haben. Er beschreibt den mit Flecken übersäten Lack als „spiegelglatt“ und schlussfolgert, dass sich etwas chemisch in die Karosserie gefressen habe.
Es gehe aber nicht um die Autos, sondern darum, was sie zeigen würden. „Wenn die Autos so reagieren, was ist dann mit meiner Lunge los? Wenn mir im Krankenhaus ein Lungenflügel abgenommen wird, bringt mir das Geld auch nichts.“ Er fährt fort: „Es ist egal, ob ich 10.000 oder 100.000 Euro bekomme, das Geld interessiert mich nicht.“
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„Damit spielt mein Enkelkind“, klagt Charles über die Ablagerungen auf dem Spielzeug des fast drei Jahre alten Kleinkinds. Er wischt mit einem Lappen über die Plastikoberfläche und zeigt den braun-rötlichen Schmutz auf dem Stoff. „Das haben wir jeden Tag.“ In einer kleinen Vogeltränke im Garten habe ein paar Mal „kupferrotes Wasser“ vorgefunden. Fährt man mit dem Finger über eine Edelstahlvorrichtung am Pool, sieht man winzig kleine, schwarze Krümelchen. Die Familie empfindet das als beunruhigend.
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Braune Flecken an Welheimer Autos: Wie geht es weiter?
Erst am Freitag hat sich der 65-Jährige einen „nigelnagelneuen“ Audi geholt. Was er jetzt damit macht? Er lacht. „Das ist eine sehr gute Frage.“
Frank Charles hofft darauf, sich mit anderen zusammenschließen zu können, um sich zu wehren und etwas zu ändern. „Als Einzelkämpfer klappt das nicht“, sagt er.