Bottrop. . Während der Betriebsversammlung protestieren sie gegen das geplante Aus für ihr Werk. Betriebsrat will mit Wirtschaftsprüfern Konzept erarbeiten.
- Auf der Betriebsversammlung informiert der Betriebsrat die Mitarbeiter über den aktuellen Stand
- Mitarbeiter kämpfen nun um ihre Existenz
- 2006 retteten sie den Standort über einen Sanierungstarifvertrag und verzichteten auf Geld
„Kerstin, 44 Jahre, seit 21 Jahren bei Nadler“, so steht es auf dem kleinen DIN A4 Zettel, den Kerstin Junghänel in der Hand hält. So wie sie halten alle Kolleginnen und Kollegen ihr Alter und die Jahre ihre Betriebszugehörigkeit vor sich – und demonstrieren damit, wie viele Mitarbeiter schon seit langem für den Feinkosthersteller arbeiten und nun wahrscheinlich ihren Arbeitsplatz verlieren werden.
Denn die Unternehmensgruppe Theo Müller als Mutterkonzern will die Standorte von Homann-Feinkost, zu der auch Nadler gehört, an einem Standort bündeln. 2020 soll das Werk an der Scharnhölzstraße geschlossen werden.
Dienstagmittag war Betriebsversammlung am Standort Bottrop. „Wir haben zunächst einmal die Kolleginnen und Kollegen auf den aktuellen Stand gebracht und berichtet, was der Gesamtbetriebsrat plant“, sagt die Bottroper Betriebsratsvorsitzende Suzann Dräther. Aus Sicht der Gewerkschafterin geht es nun darum, ein neues Konzept für den Standort Bottrop zu entwickeln, um ihn vielleicht doch noch erhalten zu können.
Aus diesem Grund habe der Betriebsrat zunächst einmal einen Wirtschaftsprüfer beauftragt um Einblick in die Zahlen zu erhalten, sagt Yvonne Sachtje, die Geschäftsführerin der Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten (NGG). Schon einmal sei es gelungen, den Nadler-Standort zu retten. „2006 haben wir einen Sanierungstarifvertrag abgeschlossen und innerhalb von drei Jahren hatten wir es geschafft“, erinnert sich Sachtje. Daher glaube sie nicht, dass der von Müller vorgestellte Plan nun tatsächlich „alternativlos“ ist. Über 200 Mitarbeiter arbeiten in Bottrop, darunter sieben Auszubildende. Der Anteil der Frauen unter den Beschäftigten liege bei rund 35 Prozent, sagt Suzann Dräther.
Das hoffen auch die Mitarbeiter, deren Existenz auf dem Spiel steht. „Welche Perspektive haben wir denn mit Mitte 40 noch?“, fragt Kerstin Junghänel. Seit Homann Nadler übernommen habe, bangen sie und ihre Kollegen nun schon. „Es wurde seither immer schlimmer“, so ihr Urteil. Die Mitarbeiter hätten immer gut gearbeitet und die Kapazitätsauslastung sei sehr gut gewesen doch nach und nach sei die Produktion verlagert worden, so ihre Einschätzung. Kollegin Kerstin Poerschke nickt zustimmend. Sie verweist auf den verhältnismäßig hohen Altersschnitt der Belegschaft. Da stelle sich für viele die Frage, wie es weiter geht. Sie selbst ist 49 Jahre alt, arbeitet seit 19 Jahren in dem Werk. Nun hat sie Existenzangst. „Ich bin Alleinverdienerin.“
Einen Umzug nach Sachsen, wo aller Voraussicht nach die Produktion hin verlegt werden soll, zieht zum jetzigen Zeitpunkt niemand ernsthaft in Erwägung: „Zumal wir ja noch nicht einmal wissen, zu welchen Konditionen dann da gearbeitet wir“, so Kerstin Junghänel. Am dortigen Standort zahlt Müller nämlich bisher keinen Tariflohn.