Bottrop. Als erster minderjähriger Flüchtling überhaupt zog Eliyas Husseini 2014 ins Caritas-Kinderdorf Bottrop ein. Heute arbeitet er selbst dort.
Eliyas Husseini ist jemand, der Ruhe und Zugewandtheit ausstrahlt. Seine Haltung und sein leichtes Lächeln zeigen, dass er seinen Platz im Leben gefunden hat. Selbstverständlich ist das nicht. Der heute 25-Jährige und sein Bruder waren vor zehn Jahren die ersten unbegleiteten jugendlichen Flüchtlinge überhaupt, die das Kinderdorf der Caritas im Fuhlenbrock aufgenommen hat. Heute arbeitet Eliyas Husseini selbst als studierte Pädagogische Fachkraft in dem Kinderdorf.
„Ich bin zu Hause, wenn ich hier bin“, sagt Eliyas Husseini über die Caritas-Einrichtung „Am Köllnischen Wald“. Und dabei wird sein Lächeln ein bisschen breiter.
Eliyas Husseini lebt mit den Geschwistern zunächst in einer Bottroper Notunterkunft
Geboren ist er im Iran, erzählt der junge Mann, seine Eltern hätten als Flüchtlinge aus Afghanistan dort gelebt. Eine Bevölkerungsgruppe, die im Iran schwierigste Bedingungen erlebt. 2014 kommt Eliyas Husseini, damals 15 Jahre alt, mit seinem Bruder (17) und seiner Schwester (gerade 18 Jahre alt geworden) nach Deutschland. Sie landen nach ihrer Flucht zunächst in Passau, dann in München und Bielefeld. Es gelingt ihnen, dass die ältere Schwester als Vormund für die jüngeren Brüder agieren darf, erzählt Eliyas Husseini.
Im Dezember 2014 werden sie von der zentralen Erstaufnahmeeinrichtung Bielefeld aus der Stadt Bottrop zugeteilt, ziehen zu dritt in die Unterkunft an der Stenkhoffstraße. Die Fluchterfahrung immer im Gepäck.
„Nach kurzer Zeit hat meine Schwester gemerkt, dass sie es nicht schafft“, so der junge Mann weiter. Die Verantwortung für die Brüder in einem Land, dessen Sprache sie (noch) nicht spricht; Briefe und Dokumente, die sie nicht versteht, überfordern die gerade mal 18-Jährige. Das Jugendamt hilft, findet für den minderjährigen Eliyas und seinen Bruder den Platz im Caritas-Kinderdorf. Dort bleiben sie, bis 2015 auch die Eltern nachkommen.
Im Caritas-Kinderdorf in Bottrop stellt sich ein elementares Gefühl ein: Sicherheit
Eliyas Husseini weiß noch gut, wie er die erste Zeit in dem Kinderdorf erlebt hat. „Alles war fremd. Aber zum Glück gab es hier einen Mitbewohner der Türkisch sprach. Ich kann auch ein bisschen Türkisch, so konnten wir uns verständigen.“ Durch die Basis der Sprache habe sich das Vertrauen zu den Erziehern aufbauen können. „Sie haben dafür gesorgt, dass wir zur Schule gehen. Haben zugesehen, dass wir unsere Hausaufgaben machen.“ Und dabei geholfen. „Wir haben viel gesprochen und diskutiert.“ Manchmal nur über Quatsch – doch jeder Satz trug zum Erlernen der deutschen Sprache bei.
Schnell stellt sich damals für den Teenager ein ganz elementares Gefühl im Kinderdorf ein: das der Sicherheit.
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Nach zwei Jahren in Deutschland macht er an der Janusz-Korczak-Gesamtschule seinen Realschulabschluss mit Qualifikation, schließt sein Fachabitur an.
Was so reibungslos klingt, hat Eliyas Husseini tatsächlich viel abverlangt, viel Kraft erfordert. Vor dem Fachabitur hat er ein Jahr ausgesetzt, erzählt er, denn er habe „viel Ausgrenzung erfahren“. „Nach der elften Klasse wurde ich stark diskriminiert und gemobbt.“ Hielt er eine Präsentation, mokierten sich andere über sein Deutsch. Statt ihn mit seinem Namen anzusprechen, blieb er immer nur der Flüchtling. Eliyas Husseini hat sich schließlich an seinen Abteilungsleiter am Berufskolleg gewendet, ihm geschildert, nicht mehr zu können. „Er hat zu mir gesagt: Wenn du ein Jahr Pause brauchst, dann geh. Aber danach kommst du wieder.“ Und genauso ist es passiert.
Ans Fachabi schließt der junge Mann, inzwischen mit festem Aufenhaltsstatus, den Bundesfreiwilligendienst an der „Schule am Tetraeder“ an, studiert anschließend Soziale Arbeit. Der Berufswunsch Erzieher habe sich während seiner Zeit im Kinderdorf entwickelt. „Ich habe durch die Erzieher hier gesehen, wie produktiv der Beruf ist.“ Wie wertvoll es sei, junge Menschen auf ihrem Weg zu begleiten.
Für sein Studium braucht Eliyas Husseini ein Pflichtpraktikum, das er folgerichtig im Caritas-Kinderdorf absolviert. „Die Rückmeldungen aus der Gruppe waren so gut, sie wollten ihn gleich behalten“, schildert Einrichtungsleiter Thomas Evers Eliyas‘ Einsatz. Dieser wurde prompt als studentische Hilfskraft verpflichtet. „Viele machen ein Praktikum bei uns, aber längst nicht alle bekommen danach einen Job“, betont Evers.
Eliyas Husseini habe ohne Zweifel schwierige Zeiten erlebt, „trotzdem gelingt es ihm, zugewandt zu sein und offen in der Arbeit mit Menschen“, lobt Thomas Evers. Dazu komme Beharrlichkeit. „Seine Persönlichkeit hat uns überzeugt.“
Eliyas Husseini kann eigene Erfahrungen in seine Arbeit einbringen
Seit April ist Eliyas Husseini nun Pädagogische Fachkraft im Kinderdorf, mit frischer Qualifikation als Kinderschutzfachkraft. Halb arbeitet er in einer Regelwohngruppe, und halb in einer Gruppe für junge Flüchtlinge, wie er einst einer war. Zwei von ihnen kommen aus Afghanistan, drei aus Syrien.
Dass er seine eigenen Erfahrungen hier einbringen kann, ist besonders wertvoll. Ein Beispiel: „Ein Jugendlicher ist zu mir gekommen. Weil seine Familie in der Heimat Schulden hat, wollte er arbeiten gehen. Ich habe ihm geraten, sich auf die Schule zu fokussieren und nebenbei einen Minijob zu machen. Schule ist so wichtig, um später einen guten Beruf zu bekommen mit guter Bezahlung.“ Der Jugendliche habe seinen Rat beherzigt.
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Trotz seiner Erfolgsgeschichte und Eliyas‘ auch ehrenamtlichen Engagements – der 25-Jährige ist Vorsitzender der Flüchtlingshilfe Bottrop – erlebt er im Alltag durchaus Vorurteile und Rassismus. „Zum Beispiel, wenn ich auf der Straße an einer Frau vorbei laufe und sie automatisch ihre Handtasche fester hält“, erzählt er. „Aber ich versuche, aus allen Perspektiven auf so eine Situation zu schauen. Das ist ein unbewusster Prozess. Die Menschen hören viele schlechte Nachrichten.“
Nachrichten wie die des Messer-Attentats in Solingen, verübt offenbar von einem ausreisepflichtigen Syrer. „Im Freundeskreis machen wir uns Sorgen.“ Schnell werde man mit den Extremisten in einen Topf geworfen, „unser Ruf wird durch solche Taten kaputt gemacht“, so Eliyas Husseini. „Wir sind traurig darüber, aber können nichts dagegen machen.“
Was er ganz persönlich jungen Flüchtlingen in Deutschland mit auf den Weg geben möchte, ist dies: „Wir haben hier Schutz bekommen. Wir sollten dankbar dafür sein und das durch unsere Integration zeigen.“