Bottrop/Essen. Jetzt geht es um Geld im Megaprojekt Freiheit Emscher: Fünf große Flächen wollen Bottrop, Essen und die RAG gemeinsam vermarkten.
2023 könnte im Rückblick künftiger Historiker das Jahr werden, in dem alles begann beim Megaprojekt „Freiheit Emscher“ im Bottroper Süden und im Essener Norden: Zwar haben die ersten Planungen schon vor zehn Jahren begonnen. Doch jetzt gründen die Städte Bottrop und Essen sowie die Ruhrkohle AG (RAG) eine gemeinsame Gesellschaft für die Erschließung und Vermarktung von fünf großen Gebieten in beiden Städten: Die Freiheit Emscher Entwicklungsgesellschaft. Und: Für die ersten Flächen soll Ende des Jahres die Bergaufsicht auslaufen, so dass sie wieder genutzt werden könnten.
Die Grundidee bei der neuen Gesellschaft geht so: Die RAG Immobilien verkauft der Vermarktungs-gesellschaft fünf große Zechenbrachen. Das sind in Essen die ehemaligen Zechengelände „Emil Emscher“ (31 Hektar) und „Coeln-Neuessen“ (33 Hektar), das ehemalige Kohlenlager Sturmshof an der Stadtgrenze zwischen Karnap und Welheimer Mark (20 Hektar), das ehemalige Gebiet von „Prosper 2“ (15 Hektar) sowie Flächen in der Welheimer Mark (27 Hektar).
Kurz nachdem das letzte Gelände vermarktet ist, darf die RAG aus der Partnerschaft aussteigen. Essen dagegen verpflichtet sich weiterzumachen, auch wenn die Vermarktung sehr wahrscheinlich von Süden nach Norden voranschreiten wird und die Bottroper Flächen deshalb die letzten sein könnten, die marktreif werden.
Freiheit Emscher in Bottrop und Essen: Verkaufspreise sind ermittelt
Die Verkaufspreise, zu denen die Grundstücke an die Vermarktungsgesellschaft gehen könnten, sind auch schon ermittelt. Die RAG und die Städte haben jeweils einen eigenen Gutachter die Werte schätzen lassen. „Am Ende lagen die beiden Gutachten erstaunlich nah beieinander, so dass wir uns problemlos darauf einigen konnten, die Zahlen des städtischen Gutachters zur Grundlage zu nehmen“, berichtet Bottrops Planungsamtsleiterin Christina Kleinheins.
Trotz der riesigen Flächen sind die ermittelten Kaufpreise überschaubar. Würden die Grundstücke diese Woche den Besitzer wechseln, müsste die Vermarktungsgesellschaft insgesamt rund 22 Millionen Euro in die Hand nehmen. „Die Werte sind nicht in Stein gemeißelt“, unterstrich der Bottroper Beigeordnete Klaus Müller allerdings. Die Flächen am Sturmshof würden dabei nur einen symbolischen Euro kosten wegen der vielen Nutzungseinschränkungen.
Warum 20 Hektar Fläche nur den symbolischen Euro kosten
Mehrere Fernleitungen für Gas, Strom und Wasser verlaufen über die Fläche. Entlang dieser Leitungen stehen Bauverbote im Grundbuch. Eine weitere Leitung wird womöglich hinzukommen, und zwar eine Grubenwasserleitung von Zeche Zollverein in Essen zum ehemaligen Förderberg auf Prosper II.
Plan A des Grubenwasserkonzeptes der RAG sieht vor, dass das Grubenwasser in den nächsten Jahren ansteigt auf 630 Meter Tiefe und dann selbstständig seinen Weg findet durch die stillgelegten Grubengewölbe von Dorsten, Essen und Gelsenkirchen über Bottrop und Lohberg bis zum Rhein, wo es gefördert, gereinigt und eingeleitet wird.
Sollte das nicht funktionieren, müsste das Grubenwasser von den gigantischen Tauchpumpen auf Zollverein zutage gefördert und in Bottrop durch bereits verlegte Rohre im verfüllten Schrägschacht wieder in die Tiefe geleitet werden. Dann müsste die RAG auf Prosper 2 auch noch eine Grubenwasserbehandlung aufbauen. Wegen dieser und anderer Altlasten-Unsicherheiten bleibt die Fläche Prosper 2 derzeit bei den Wertermittlungen außen vor. 2026 müsste dann neu gerechnet werden, wenn die RAG wahrscheinlich weiß, wie das läuft mit dem Grubenwasser.
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Der Wert der Flächen am Sturmshof wird weiter gemindert durch Blindgängerverdachtspunkte sowie Altlasten und Schlämme, die den Boden an vielen Stellen zu einem unsicheren Baugrund machen. Dazu müssen die neuen Besitzer auch noch Rücksicht nehmen auf die benachbarte Kokerei. Einen Teil der Altlasten und Schlämme könnte die RAG während des Abschlussbetriebsplanes beseitigen. Dann wäre mehr drin für die RAG als der symbolische Euro. Nach Einschätzung der Gutachter könnte der Wert der Fläche so steigen bis auf 4,5 Millionen Euro.
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Eine für Bottrop wichtige Vereinbarung im Vertragswerk: Die Vermarktungsgesellschaft verfolgt zwar den Zweck, die Flächen zu erwerben, zu entwickeln und zu vermarkten, aber:. „Es gibt keine Kaufverpflichtung“, unterstrich Beigeordneter Klaus Müller jetzt ausdrücklich im Bottroper Ratsausschuss für Stadtentwicklung und Umweltschutz. Prinzipiell sollen ohnehin nur solche Flächen in Frage kommen, die frei von Schadstoffen und Altlasten seien. „Es wird nicht so sein, dass die RAG uns womöglich Flächen unterschieben könnte, von denen Gefahren ausgehen“, stellte Müller auf kritische Fragen der Bottroper Grünen klar.
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Für Erwerb, Entwicklung und Vermarktung sollen die Gesellschafter der neuen Gesellschaft in den ersten drei Jahren 7,165 Millionen Euro Kapital zur Verfügung stellen. Gesellschafter sind die Städte Bottrop und Essen sowie die RAG Montan Immobiliengesellschaft zu je einem Drittel. Gleichzeitig soll das Unternehmen aber damit beginnen, Fördermittel bei Land, Bund und EU einzuwerben.
Die Ratsparteien in Bottrop sehen allerdings noch Beratungsbedarf: Ihre Sprecher stört, dass die Geschäftsführung direkt von der Gesellschaftersammlung kontrolliert werden soll und nicht von einem Aufsichtsrat. „Es spricht nichts dagegen, einen Aufsichtsrat einzurichten“, sagte Beigeordneter Müller, mit Blick auf Einflussnahmen dämpfte er jedoch Erwartungen der Ratsparteien. Die fraglichen Flächen gehörten ja überwiegend der RAG und werden von ihr an die Freiheit-Emscher-Gesellschaft verkauft. Diese seien daher nicht Gegenstand der Beratung städtischer Gremien.
Kuriosum am Rande: Um an Fördergelder des bis 2027 laufenden „Just Transition Funds“ der EU-Kommission zu kommen, muss der Firmensitz der neuen Gesellschaft in Bottrop liegen, weil Bottrop schon seit Jahren im Auftrag der Partner die Fördermittel für „Freiheit Emscher“ einwirbt. Tatsächlich werden die Büros aber in Essen bezogen werden.