Bottrop. Umjubelte Verleihung des Bottroper Frechdax an drei tolle Kabarettisten. Für die posthume Ehrung von Dr. Ludger Stratmann gab’s Standing Ovations
Schüchterne Frage: Darf man in einer Kirche herzhaft lachen? Klare Antwort: Nein, man muss! Jedenfalls in der ab Reihe 3 mit bequemen Polsterstühlen neu aufmöblierten Kulturkirche Heilig Kreuz, wo nun erstmals die Verleihung des in einschlägigen Kreisen längst begehrten Bottroper Frechdax zum schenkelklopfenden Vergnügen wurde.
Bottroper Frechdax: Gastgeber gönnt sich und dem Publikum erfrischendes Warm-up
Traditionsgemäß gönnte sich und seinem Publikum der spitzzüngige Gastgeber Benjamin Eisenberg zunächst ein erfrischendes Warm-up. Und zog dabei vor allem Politiker fast aller Couleur eben nicht durch den Kakao, weil Braunes bei diesem Abend nichts zu suchen hatte. Dass man die ein oder andere Pointe schon kannte, schmälerte nicht den Unterhaltungswert. Im Gegenteil – als er verkündete, die thailändische Regierung fordere, beim Sex den Körperkontakt auf ein Minimum zu beschränken, und darob trocken befand, bei deutschen Ehepaaren sei das doch schon seit Jahrzehnten üblich, da jaulte ein Herr im Kirchschiff tiefgetroffen: „Das ist immer noch nicht lustig!“ Doch, war es – und Dank seines Kommentars spätestens jetzt.
Erster Bottroper Frechdax geht an Özgür Cebe
Dazu passte bestens, was der erste Frechdax, der türkischstämmige Kabarettist Özgür Cebe, aus Schulzeiten zu berichten wusste: „Mein Musiklehrer sagte: Alle klatschen! – Okay, habe ich halt alle geklatscht.“ Mit wunderbarer Sprachfertigkeit plauderte er locker über Gott und die Welt: „Moses hat das Meer geteilt, Jesus das Brot. Und dann kam Mohammed, hat in das geteilte Brot den Döner getan und sagt: Iss Lamm!“
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Nicht nur da füllte herzhaftes Lachen die Kirche, in der sich Özgür Cebe auch über die Sprache migrantischer Kreise lustig machte. Seine mit feinmodulierter Schauspielerstimme vorgetragenen, inhaltlich komplexen Goethe-Verse klangen auf Kanakisch schlicht so: „Hää?“ Klare Kiste, der darf das als guter Deutscher türkischer Herkunft – halt ein echter Frechdax.
Weitere Auszeichnungen für Anna Piechotta und Kai Magnus Sting
Einen schönen Kontrast setzte dann am Flügel die einzige Preisträgerin des Abends. Kredenzte Anna Piechotta doch mit bis zum Koloratursopran aufschwingender Stimme filigrane, hübsch pointierte Chansons, deren schräger Humor erfrischend subtil für jubelnde Begeisterung sorgte. Zum Grande Finale – nicht ganz – plauderte Kai Magnus Sting, der sprachgewaltige Alt- und Großmeister aus Duisburg, erst über die deftige Kochkunst seiner Oma – „Wie sollen wir Dich nur großkriegen, Junge?“ – „Dick hast Du mich gekriegt, also lass Dir was einfallen!“ –, was ob des Schweineschwänzchens in der Erbsensuppe („Is fürn Geschmack!“) einen Rattenschwanz weiterer unguter Erinnerungen nach sich zog. Sein Publikum stöhnte und ächzte begeistert mit.
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Und dann hob der bessere Sting die Hände zum Himmel – „Diese Geschichte ist für Dich, Ludger!“ – und erzählte saukomisch, wie sich ein Nudelsalat morgens um halb drei zur veritablen Nachbarschaftsorgie auswuchs. Der liebe Dr. Stratmann, dem nach einem famosen Video-Beweis seiner humorigen Extraklasse posthum der Ehren-Frechdax verliehen wurde, wäre von dieser Darbietung seiner Lieblingsnummer begeistert gewesen. Der stehende Applaus, den sich Kai Magnus Sting brüderlich mit dem großen Bottroper Kollegen teilte, kam von schwer angerührten Herzen.
Die Übergabe der von der Kulturinitiative Konjungtur und der Vereinten Volksbank gestifteten Preise an die drei neuen Frechdaxe und Doktor Stratmanns Tochter Anna erfolgte schließlich erfreulich unemotional – Tränen hatte man schließlich schon genug gelacht.