Bottrop. Die Tafel braucht Helfer und Menschen, die Verantwortung übernehmen, sonst droht das Aus. Verein, Stadt und Politik stehen vor einem Dilemma.

Es ist DKP-Ratsfrau Irmgard Bobrzik, die das Dilemma der Mitglieder des Sozialausschuss gut zusammenfasst. „Die Diskussion zeigt mir, wie wichtig die Tafel ist und wie hilflos ich mich gleichzeitig fühle. Denn Ehrenamt kann man nicht erzwingen.“ In seiner Sitzung befasste sich der Ausschuss mit der Bottroper Tafel und der Frage, wie man diese Institution zukunftssicher aufstellen kann. Denn schon lange plagt die Tafel ein Nachwuchsproblem.

Die Arbeit der Tafel ist vielfältig, benötigt aber entsprechend viele Helfer. Einen Teil der Arbeit übernehmen
Die Arbeit der Tafel ist vielfältig, benötigt aber entsprechend viele Helfer. Einen Teil der Arbeit übernehmen © FUNKE Foto Services | Oliver Mengedoht

Mit Geld sei das nicht zu lösen, das machte zuvor schon Sozialdezernent Jochen Brunnhofer deutlich und das machte auch der Tafelvorsitzende Dieter Kruse gegenüber dem Ausschuss klar. Die Tafel brauche kein Geld, sie brauche Helfer. Das sagte er so auch noch einmal den Grünen. Die hatten das Thema nämlich schon in der Haushaltsberatung aufgebracht, wollten der Tafel eine große Summe für hauptamtliche Kräfte zur Verfügung stellen. Doch damit eben wären die Probleme nicht gelöst.

Bottroper Tafel sieht sich finanziell gut aufgestellt

Finanziell sei man gut aufgestellt. „Alle Aufgaben, die wie leisten können und wollen, schaffen wir“, sagt Kruse. Pro Woche versorgt die Tafel rund 500 Bottroper mit Lebensmitteln. Das ist sicher das, wofür die Tafel vor allem bekannt sei. Doch der Verein übernimmt noch andere Sachen. So beliefert er beispielsweise zehn Schulen in Bottrop mit einem Frühstück für die Kinder, die zu Hause nichts erhalten. Die Kosten dafür übernimmt die Stadt. Auch eine Kleiderkammer gehört zum Angebot der Tafel. Dazu kommt die Logistik im Hintergrund, das tägliche Einsammeln der Lebensmittelspenden.

Unterstützung erhält die Tafel vom Jobcenter. Das stellt 17 Arbeitskräfte aus den unterschiedlichen Förderprogramm zur Verfügung. Zwei weitere Stellen sagt die neue Jobcenter-Geschäftsführerin Tanja Jesenek-Förster der Tafel in der Sitzung zu. Doch es brauche auch verlässliche ehrenamtliche Helfer, so Kruses dringender Appell an die Ausschussmitglieder und die Stadtgesellschaft. Helfer, die stundenweise oder gern auch länger anpacken. Der letzte Aufruf habe einige Interessenten zur Tafel gebracht, doch seien die nicht lange geblieben.

Tafel-Vorsitzender fürchtet, dass die Institution ein Image-Problem hat

Kruses Befürchtung: Es könnte ein Image-Problem sein. Möglicherweise sei die Arbeit der Tafel nicht bekannt genug oder werde nicht genug wertgeschätzt. „Vielleicht gibt es auch Vorbehalte gegenüber den Kunden, die wir hier haben“, so Kruses Frage. Er wünscht sich daher eine breite gesellschaftliche Wertschätzung der Arbeit der Tafel in der Hoffnung, sie werde dadurch für Helfer attraktiv, die auch Verantwortung übernehmen wollen.

Auch ein Kleiderlädchen gehört zum Angebot der Bottroper Tafel.
Auch ein Kleiderlädchen gehört zum Angebot der Bottroper Tafel. © FUNKE Foto Services | Oliver Mengedoht

Denn hinter all dem gibt es ein tieferliegendes Problem – womöglich in der Struktur. Die wird getragen von einem Verein. Der habe derzeit noch 25 Mitglieder, so Kruse. In dem fünfköpfigen Vorstand seien drei Leute älter als 80 Jahre. „Wir sind überaltert“, stellte der Vorsitzende,der selbst schon die 80 überschritten hat, schonungslos fest. Was passieren kann, wenn dem Vorstand etwas zustößt, zeigt das Beispiel Gladbeck. Dort waren kurz hintereinander zwei Vorsitzende verstorben. Der Verein war nicht mehr geschäftsfähig, noch heute kommen Tafelkunden aus Gladbeck nach Bottrop, weil die Gladbecker Tafel nach wie vor nicht existiert. Auch als Arbeitgeber für hauptamtliche Kräfte fällt er dann aus.

Frage nach dem Anschluss an einen großen Träger

Ein solches Szenario in Bottrop – das möchten alle Parteien im Ausschuss, die Stadtverwaltung und selbstverständlich auch der Trägerverein verhindern. Doch eine Lösung hat in der Sitzung noch niemand. Inwieweit es sinnvoll sein könnte sich einem größeren Träger wie Caritas, Awo, Diakonie oder DRK anzuschließen? Ist das überhaupt so einfach möglich? Fragen wie diese kommen auf, müssen noch geprüft werden. Dabei sagt Kruse: „Wir wollen eigenständig bleiben.“ Eine Festlegung, die Niels-Holger Schmidt (Linke) so pauschal nicht nachvollziehen kann. Manchmal seien damit stabile Rahmenbedingungen auf der Organisationsebene verbunden.

Übereinstimmend versichern die Anwesenden, dass es nicht an Wertschätzung für die Tafel mangele, es auch keine solchen Rückmeldungen in anderen Gesprächen gebe. Aber es sei nun eben grundsätzlich ein Problem, das viele Vereine treffe.

Verantwortliche in Bottrop sehen sich mit komplexem Thema konfrontiert

Einig waren sich alle, dass es nun darum gehe, „eine Konstellation zu finden, welche die Leistungsfähigkeit der Tafel erhält“, so der Sozialdezernent. Ein Patentrezept dafür konnte niemand bieten. Aber: „Wir sind uns der Brisanz mit Blick auf den Vorstand bewusst“, so Sozialamtsleiterin Karen Alexius-Eifert. Es hätten schon Gespräche stattgefunden, weitere stünden nun an und man werde auch den Ausschuss weiter einbinden. Nur: „Es ist ein sehr komplexes Thema, weil wir hier über einen Verein reden.“

Ein Euro pro Einkauf für Erwachsene

Derzeit versorgt die Bottroper Tafel in der Woche rund 500 Menschen. Die dürfen sich zweimal pro Woche mit Lebensmitteln eindecken. Das heißt nicht, dass pro Woche 500 Menschen bei den Ausgabestellen auf der Matte stehen. In den 500 sind auch Kinder oder Partner mit eingerechnet. Ein Einkauf bei der Tafel kostet für Erwachsenen einen Euro, für Kinder werden 50 Cent fällig. Die Tafel hat bei sich gespeichert, wie viele Menschen der Kunde versorgt und er enthält dann entsprechende Lebensmittel. Berechtigt zum Einkauf bei der Tafel sind unter anderem Hartz-IV-Empfänger, Empfänger von Grundrente und auch Empfänger andere staatlicher Hilfsleistungen wie etwa Wohngeld.