Bottrop. Eine kleine Minderheit will den Bottroper Saalbau unbedingt retten. Warum die große Mehrheit im Rat das als allzu unkritische Schwärmerei abtut.
Die Innenstadtstudie der Verwaltung und die neuen Pläne für den Rathauscampus lassen einen alten, unterschwelligen Streit wieder aufleben: Die ewige Debatte um den Saalbau nimmt wieder Fahrt auf. Darf er wirklich abgerissen werden? Wird der Bau mit seinen Sälen nicht auch jetzt noch gebraucht? Wieso bekommen die Bürgerinnen und Bürger dann nicht wenigstens einen Ersatz für Kulturveranstaltungen und andere größere bürgerschaftliche Zusammenkünfte?
Die Kritikerinnen und Kritiker, die solche Fragen aufwerfen, kommen aus dem linken Spektrum des Stadtrates, und ihr Generalvorwurf lautet: Bottrop tut sowieso zu wenig für Kultur und bürgerschaftliches Leben.
Das aber weist der sonst oft so geduldig zuhörende Oberbürgermeister energisch zurück. Er könne sich nicht erinnern, dass die Stadt überhaupt jemals mehr in Kulturstätten investiert habe als zuletzt, sagte Bernd Tischler und führte Beispiele an: wie den Ausbau des Museumszentrums Quadrat oder den erneuerten Kulturhof mit der multifunktionalen Halle B 12, der und die ja auch als Begegnungsorte dienten. Und beginnt im Kulturzentrum nicht gerade auch die Sanierung der Stadtbücherei?
Bottroper Vereine finden sich im Historischen Zentrum wieder
Der Lichthof der Berufsschule, die historische Lohnhalle, noch weiter draußen auch das Prisma fielen ihm ein. Auch überall dort sei Raum für kulturelle Veranstaltungen und Bürgertreffs. In dem neuen Verwaltungszentrum neben dem historischen Rathaus werde es mehrere Säle geben, die nicht nur für politische Sitzungen reserviert seien, sondern auch an Vereine vergeben werden können.
Hatte nicht auch Heimatministerin Ina Scharrenbach vor kurzem im historischen Rathaus ein Historisches Erlebniszentrum eröffnet, in dem sich von der Alten Allgemeinen Bürgerschützengesellschaft über die Knappengarden bis hin zu den „Plattdütschen ut Waold un Hei“ etliche Vereine wiederfinden?
Niels Holger Schmidt und Sven Hermens aber – die beiden Ratsvertreter der Linkspartei – wehren ab, den Saalbau ersatzlos für ein neues Verwaltungszentrum zu opfern. „Der Saalbau hinterlässt eine Leerstelle“, bemängelt Schmidt. Auch DKP-Ikone Irmgard Bobrzik weist darauf hin, dass der Saalbau zwar tot geredet worden sei, aber schließlich bis heute noch immer benötigt werde: zurzeit als wichtige Teststelle in der Corona-Pandemie, zwischenzeitlich als Briefwahlzentrum, davor auch als zentrale Unterkunft in der Flüchtlingskrise.
Das endgültige aus für die alten Bottroper Theater-Träume
Die Ratsfrau mag auch das Aus für die alten Theater-Träume im Stadtkern nicht hinnehmen, auch wenn die Jahrzehnte alten Pläne dafür eher von historischem Wert sind. Gerade erst skizzierte Baudezernent Klaus Müller, wofür aus Sicht der Stadtplaner auf der früher einmal für die Theaterspielstätte vorgesehenen Asphaltfläche zwischen der Hans-Böckler-Straße und Osterfelder Straße Platz wäre: nicht für Einzelhandel, aber für Dienstleister und Wohnungen. Über einen Kulturtreff verlor er kein Wort. „Warum holen wir nicht die alten Pläne aus der Schublade und bauen?“, fragt Irmgard Bobrzik. Im Stadtrat bildet sie mit den anderen Kritikern aber eine kleine Minderheit.
Eigentlich schon immer ein Verwaltungsbau
Der Bottroper Saalbau am Droste-Hülshoff-Platz 1 wurde als Verwaltungsgebäude mit Büros und Sitzungssälen, Tagungsräumen und einem Casino geplant. Der Entwurf für den Bau stammt von dem früheren Hochbauamtsleiter Bernhard Küppers, der auch das Museum Quadrat skizziert hatte. Zum Haupteingang des Saalbaus gelangen Besucherinnen und Besucher über eine Fußgängerbrücke, die einen Parkplatz überspannt.
Eine Bottroper Legende besagt, dass der Saalbau als reiner Verwaltungsbau eigentlich ohne den heutigen großen Saal mit einem Atrium konzipiert worden war und die Fördergeldgeber dabei ausgetrickst wurden. Der zunächst ungeplante Saal entstand demnach nämlich, indem einfach ein Dach über den Innenhof gelegt wurde.
CDU-Fraktionsvorsitzender Hermann Hirschfelder etwa lenkt den Blick auf das so lange leerstehende Hansacenter, das jetzt vor einer Modernisierung steht. Auch in dem früher reinen Einkaufszentrum werde es in Zukunft Platz für Kultur und bürgerschaftliche Begegnungen geben. So sei darin ein multifunktional nutzbarer Saal geplant, der nicht nur für das zukünftige Hotel reserviert bleibe. Außerdem werde im Hansacenter wieder ein in Bottrop lange vermisstes kommerzielles Kino mit acht Sälen eröffnen.
Viele Bottroper gegen lieber in den Lichthof als in den Saalbau
„Der Saalbau soll ja nicht etwa abgerissen werden, weil er so erfolgreich war“, sagt daher auch SPD-Ratsherr Rüdiger Lehr. Es habe darin zuletzt keine 40 Veranstaltungen mehr gegeben. „Wirtschaftlich war er ein Desaster“, betonte der Vorsitzende des Bauausschusses.
Es sei ja eben nicht so gewesen, dass der Saalbau der zentrale bürgerschaftliche Treffpunkt war. „Die Bottroper fanden es immer schon geiler, im Lichthof ein Konzert zu besuchen oder einen Boxkampf zu sehen“, meint auch SPD-Sprecher Frank Beicht. „Es ist einfach nicht wahr, dass wir in Bottrop keine Veranstaltungsräume haben. Niemand sollte den Saalbau mystifizieren“, sagte der Vorsitzende des Ratsausschusses für Stadtplanung.