Bottrop. 78 Millionen Euro investiert die Emschergenossenschaft in Bottrop in die weltgrößte solarthermische Klärschlammtrocknung. Das steckt dahinter.
Sie sehen aus wie gigantische Gewächshäuser. Doch in den gläsernen Hallen auf dem Gelände der Bottroper Kläranlage in der Welheimer Mark wächst nichts. Vielmehr sind die Glasbauten Teil eines Kraftwerks – wenn man so will. Die Emschergenossenschaft baut hier in Bottrop die weltweit größte solarthermische Klärschlammtrocknung (STT). Mithilfe von Sonnenkraft und Abwärme aus dem Klärwerk wird hier der anfallende Schlamm getrocknet und anschließend verbrannt. Dabei wird wiederum Energie gewonnen.
Rund 61.000 Quadratmeter ist die neue Anlage groß, noch in diesem Jahr soll der Probebetrieb anlaufen, Mitte 2021 soll sie dann voll ausgelastet sein. Die Technik, die hier zum Einsatz komme, die sei weitestgehend erprobt, sagt der Technische Vorstand der Emschergenossenschaft, Emanuel Grün. Neu sei allerdings die Dimension der Bottroper Anlage. In insgesamt 32 Trocknungshallen können künftig rund 220.000 Tonen Klärschlamm pro Jahr getrocknet werden.
Zur Klärschlammverbrennung wurde bisher in Bottrop Kohle zugesetzt
Doch warum ist das sinnvoll? Auch bisher schon wurde in den Faultürmen aus dem Schlamm Energie gewonnen. Danach wurde er verbrannt. Doch weil der Wassergehalt dann immer noch bei rund 70 Prozent lag, ging das nur, wenn bei der Verbrennung Kohle zugefügt wurde. Rund 20.000 Tonnen Kohle musste die Emschergenossenschaft dafür pro Jahr einsetzen.
Das fällt künftig weg, spart also Geld und CO2 ein. Denn nach einer Woche in der STT liegt die Restfeuchte des Klärschlamms nur noch bei rund 30 Prozent und er brennt dann auch ohne zusätzliche Kohle. Selbstverständlich entsteht auch bei diesem Verbrennungsvorgang CO2, doch das gilt als neutral, da eben keine fossilen Brennstoffe eingesetzt werden.
Auch Schlamm aus Dortmund oder Dinslaken wird in Bottrop getrocknet
In Bottrop wird nicht nur der Schlamm des hiesigen Klärwerks verwertet. Auch aus den Anlagen der Emschergenossenschaft in Dortmund und Dinslaken wird der Schlamm über Rohrleitungen in die Welheimer Mark befördert. Die letzten Meter in die gläsernen Trocknungshallen wird er per Radlader transportiert. Später kommen hier die so genannten Klärschweine zum Einsatz. Diese Geräte durchpflügen den Schlamm und sorgen so für regelmäßige Trocknung von allen Seiten. Die Abluft wird über einen Biofilter nach außen abgegeben, so soll gewährleistet sein, dass es nicht zu Geruchsbelästigungen kommt.
Längst erzeugt die Kläranlage Welheimer Mark den Strom, den sie benötigt, selbst – aus Wind- und Sonnenkraft, durch Blockheizkraft-Module und durch eine Turbine – angetrieben durch den Dampf aus der Klärschlammverbrennung. Am Ende sei es das Ziel, den Strom, der in der Kläranlage nicht benötigt wird, anderen Einrichtungen der Emschergenossenschaft zur Verfügung zu stellen, etwa den Pumpwerken, so Torsten Frehmann, Leiter der Kläranlage. Der Strombedarf der Anlage entspricht in etwa dem einer 30.000-Einwohner-Stadt. „Im Moment speisen wir den Überschuss ins Stromnetz ein.“
Emschergenossenschaft hat bisher rund eine Viertelmilliarde in Bottrop investiert
78 Millionen Euro investiert die Emschergenossenschaft in die STT – ein weiterer Baustein zum so genannten „Hybridkraftwerk Emscher“ – also dem Umbau zur Kläranlage mit angeschlossenem Kraftwerk. Insgesamt, so Frehmann, habe die Emschergenossenschaft in den vergangenen Jahren rund eine Viertelmilliarde an dem Standort investiert. Und es gibt weitere Überlegungen. Ein Bestandteil des Klärschlamms sei ja auch Phosphor. Auch diesen Stoff wolle man künftig gewinnen und wieder nutzen, so der Leiter der Anlage.
Das aktuelle Vorhaben der Emschergenossenschaft wird von der gesamten Wasserwirtschaft beobachtet. Das Interesse ist groß, immer wieder sind Gäste vor Ort, um sich über die Kläranlage und die Energieerzeugung hier zu informieren. Damit wird die Kläranlage Bottrop, die ja auch im Innovation-City-Projektgebiet liegt, selbst zu einer Art Labor. Denn: „Die neue Anlage wird erheblich zur Steigerung der Energieeffizienz beitragen und den Stand der Klärschlammentsorgung in Deutschland maßgeblich weiterentwickeln“, so die Überzeugung von Emanuel Grün.
„Wasserwirtschaft kann entscheidende Rolle beim Gelingen der Energiewende spielen“
„Für uns ist es wichtig, auf diese Weise eine ökologische und nachhaltige Abwassergesamtreinigung leisten zu können“, sagt der Vorstandsvorsitzende der Emschergenossenschaft, Uli Paetzel. Denn dass vorher zur Verbrennung zusätzlich Kohle eingesetzt werden musste, sei ökologisch gesehen weder sinnvoll noch nachhaltig. Stattdessen könne die Emschergenossenschaft zeigen, dass Wasserwirtschaft mehr sei als nur Abwasserreinigung. „Sie kann eine entscheidende Rolle beim Gelingen der Energiewende spielen.“