Bottrop. Eine ZDF-Dokumentation zeichnet den Skandal um die gepanschten Krebs-Medikamente nach. Das erwartet die Zuschauer am Dienstagabend.

Potenziell 3700 Geschädigte, die Dunkelziffer ist womöglich noch größer, ein Millionenschaden für die Krankenkassen. Dazu kommt die Frage, ob Menschen womöglich früher gestorben sind, weil sie falsch dosierte Krebsmedikamente erhielten – der Bottroper Apothekerskandal gilt als einer der größten Medizinskandale der letzten Jahre. Jetzt, drei Jahre nach der Verurteilung von Peter Stadtmann, hat sich das ZDF des Themas angenommen. Die Dokumentation „Abgezockt! – Der Krebsmittel-Skandal“ läuft am Dienstag, 24. August, um 20.15 Uhr auf dem Spartenkanal ZDF Info. Schon jetzt ist sie in der Mediathek abrufbar.

Whistleblower Martin Porwoll hat die Ermittlungen im Bottroper Apotheker-Skandal ins Rollen gebracht.
Whistleblower Martin Porwoll hat die Ermittlungen im Bottroper Apotheker-Skandal ins Rollen gebracht. © FUNKE Foto Services | Thomas Gödde

In 45 Minuten erzählen die Autoren Sophie Hafner und der Bottroper Journalist David Schraven die Geschichte des Skandals nach. Dabei lassen sie Protagonisten zu Wort kommen wie Martin Porwoll, der den Fall als Whistleblower ins Rollen gebracht hat oder auch Heike Benedetti, die als Betroffene um Anerkennung, Entschädigung und bessere Kontrollen kämpft. Dazu kommt die Kriminalpsychologin Lydia Benecke – übrigens auch aufgewachsen in Bottrop –, die versucht, Denkweisen des Täters aber auch der Mitarbeiter in der Apotheke zu erklären.

Film zeichnet chronologisch die Ereignisse im Bottroper Apotheker-Skandal nach

Chronologisch nähert sich der Film den Ereignissen, zeigt auch auf, wie die Apotheke 2001 die ersten Krebsmittel zubereitet und das Geschäft immer größer wird. Gleichzeitig wächst das Ansehen Stadtmanns in der Stadt. Er tritt als Wohltäter auf, setzt sich für den Bau des Hospiz ein, sammelt Spenden. Gleich mehrmals zeigen die Filmemacher Szenen von den Spendenläufen. Stadtmann sitzt auf dem erhöhten Stuhl, überblickt das Szenario und lässt Münzen in die Spendenbox rollen.

Heike Benedetti hat lange für die Anerkennung der Opfer gekämpft und sich für schärfere Kontrollen in Apotheken stark gemacht – auch die Bottroperin kommt zu Wort.
Heike Benedetti hat lange für die Anerkennung der Opfer gekämpft und sich für schärfere Kontrollen in Apotheken stark gemacht – auch die Bottroperin kommt zu Wort. © FUNKE Foto Services | Frank Oppitz

David Schraven, der später ausführlich zu dem Fall recherchiert hat, räumt ein, dass er zunächst Hochachtung vor Stadtmann und dessen Einsatz hatte. „Ich fand gut, dass der Peter eine Idee hat für die Stadt und das er anfängt diese Idee umzusetzen.“ Das zeige aber auch wieder diese Ambivalenz, die sich immer wieder finde in dem Fall: „Der, der es dir ermöglicht, würdevoll im Hospiz zu sterben, ist derjenige, der dich da hinbringt.“

Whistleblower schildert, wie ihm die Situation körperlich zusetzt

Gleichzeitig berichtet Porwoll von der Atmosphäre in der Apotheke, den Gerüchten, die kursieren. Irgendwann entscheidet er sich, den Vorgängen nachzugehen, prüft wie viel eines Wirkstoffs verschrieben wurde und ob auch tatsächlich so viel bestellt wurde. Er entdeckt die Diskrepanz, erstattet Anzeige.

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Nur: Es tut sich zunächst einmal nichts weiter. Eindringlich schildert Martin Porwoll, wie ihm dieses Warten körperlich zusetzte. Er kann nicht mehr Auto fahren, mindestens zweimal muss der Notarzt ihn behandeln. Gleichzeitig habe er aber nicht darüber reden können, was ihn so belastet. Später dann, die Ermittlungen laufen, Stadtmann sitzt in U-Haft, Porwoll wird gekündigt. Es gibt zwar Lob und Anerkennung für den Whistleblower, doch eine Stelle findet er über Jahre nicht.

Die Dokumentation lebt vielfach von den Schilderungen der Protagonisten

An vielen Stellen lebt die Dokumentation vom gesprochenen Wort. Es fehlen dei für einen Film so dringend benötigten Bilder dazu. Stattdessen setzen die Macher auf nachgestellte oder animierte Szenen, dazu kommen lange Schwenks über die Häuser der Innenstadt, garniert mit Drohnenaufnahmen.

Heike Benedetti berichtet von der Ungewissheit der Krebspatienten, niemand kann sagen, wer überhaupt betroffen ist, welche Auswirkungen die Unterdosierungen haben. Tatsächlich wird Stadtmann ja dann auch nur wegen Betrugs verurteilt, nicht wegen Körperverletzung oder gar Mord, wie es dich die Opfer als Nebenkläger gewünscht hätten.

Die Frage nach dem „Warum“ beantwortet auch dieser Film nicht

Wer den Fall und die Berichterstattung rundherum in den Medien verfolgt hat, für den bietet die Dokumentation wahrscheinlich nicht mehr viel Neues. Sehenswert ist sie trotzdem, bündelt sie doch den gesamten Fall und das Geschehen, dass sich über Jahre hingezogen hat noch einmal und zeigt auf, wie viel Leid der Apotheker-Skandal in Bottrop und darüber hinaus verursacht hat. Gleichzeitig verschweigt er auch nicht die Erfolge, die Heike Benedetti und ihre Mitstreiterinnen hatten, etwa beim Kampf um schärfere Kontrollen der Apotheken. Auch wenn die Krankenkassen sich noch striktere wünschen.

Nur eine Frage, die über allem steht und die sich auch die Betroffenen immer wieder stellen, kann auch dieser Film nicht beantworten. Die nach dem „Warum“. Peter Stadtmann hat vor Gericht die Taten bestritten, hat eine Verfassungsbeschwerde gegen das Urteil und das Berufsverbot eingelegt und sich nie nie zu möglichen Motiven geäußert. Interviewanfragen für den Film habe er nicht beantwortet, heißt es in dem Beitrag.