Bochum-Kornharpen. Der einzige Lebensmittelmarkt in einem Bochumer Stadtteil macht dicht. Er war 60 Jahre in Familienhand. Kunden sind ratlos. Was folgt nun nach?

Erst schließt die Apotheke, nun folgt der Supermarkt: Kornharpen wird immer weiter ausgedünnt. Der 27. Februar 2025 ist der letzte Verkaufstag im Rewe Hornberg am Grünen Weg, der einzige Nahversorger im Stadtteil. Das Geschäft sei zuletzt wirtschaftlich nicht mehr tragbar gewesen, so Andrea Voll, Schwester des Inhabers.

Familienbetrieb in Bochum-Kornharpen besteht seit 60 Jahren

Begonnen hat alles im Februar 1965. 60 Jahre war der Laden in Familienhand, „von unserer Oma gegründet“, sagt Voll voller Wehmut. „Wir haben uns die Entscheidung nicht leicht gemacht, doch nach Corona mussten wir nur noch reinbuttern“. Nur 140 Quadratmeter groß ist der Supermarkt, und doch stets gut gefüllt.

Der Rewe-Markt in Kornharpen
Der Rewe-Markt in Kornharpen schließt in einem Monat. © WAZ Bochum | Sabine Vogt

Mir dem Poster „Tschüs und danke“ im Schaufenster informiert Rewe seine Kunden. Martin und Sonja Niediek finden: „Die Schließung ist ein Drama. Kornharpen wird zu einer Servicewüste.“ Das Persönliche bleibe auf der Strecker. „Hier wird man noch mit Namen angesprochen.“ Das Paar versteht aber auch die Beweggründe: „Es muss sich für den Inhaber rechnen. Dennoch sind die Kunden ab März aufgeschmissen.“

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Edeltraud Krolczyk ist untröstlich. „Ich bin 69, kann nicht mehr schwer tragen. Wir haben hier zwei neue Buslinien, aber die fahren nur einmal pro Stunde. Und im Ruhrpark gibt es keinen Supermarkt.“ Sie bedauert, dass die kleinen Mittelständler kaputt gemacht würden. Was ihr auch fehlen wird, ist das Zwischenmenschliche. Hier am Grünen Weg kennt man sich, man plaudert, „es ist wie ein Tante-Emma-Laden“. Ihr tun die älteren Kornharpener leid. „Wo sollen wir hin, ohne Auto?“

Edeltraud Krolczyk
Edeltraud Krolczyk findet die Schließung ganz schlimm. © WAZ Bochum | Sabine Vogt

Ohne Auto sei man hier aufgeschmissen, sagt ein Kunde. „Ich komme jeden Tag zum Einkaufen her. Was ich künftig machen soll, weiß noch nicht. Für ältere Leute ist die Schließung echt blöd.“ Eine Passantin bleibt stehen und gibt ihm recht: „Für uns ist das unheimlich schlimm.“ Auch sie möchte ihren Namen nicht nennen. Eine weitere Kundin sieht sich in einer besseren Lage. „Wir haben ein Auto, fahren dann zum Edeka an der Castroper Straße oder zum Rewe am Castroper Hellweg. Zu Fuß kommt man ja nirgends hin. Wir hier in Kornharpen sind regelrecht eingekesselt.“

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Die Gründe dafür, dass der Supermarkt nun schließen wird, seien vielfältig, erklärt Andrea Voll. Es sei in den letzten Jahren immer schwieriger geworden, sich wirtschaftlich noch über Wasser zu halten. „Wir füllen inzwischen nur noch eine Lücke. Die Leute kommen, wenn sie ihre Marmelade vergessen haben. Es kaum noch Großeinkäufe. Und die Lieferdienste laufen uns den Rang ab.“

Andrea Voll, Schwester des Inhabers, vor dem Rewe-Markt
Andrea Voll, Schwester des Inhabers, vor dem Rewe-Markt. © WAZ Bochum | Sabine Vogt

Aber auch die Auflagen des Ordnungsamtes machten der Familie das Leben schwer. „Über Jahrzehnte erfüllst du alle Forderungen, dann kommt eine neue To-do-Liste. Mal sind es Erneuerungen, die verlangt werden, dann ist plötzlich der Bodenbelag nicht mehr ausreichend. Es macht keinen Spaß mehr.“

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Besitzerin des Ladenlokals am Grünen Weg ist die Mutter von Andrea Voll und Markt-Inhaber Kai Hornberg. „Natürlich wollen wir die Immobilie rasch wieder vermieten. Aber wer tut sich heute noch eine Selbstständigkeit an?“ Die Familie sei bemüht, im Interesse ihrer Kunden möglichst wieder einen Supermarktbetreiber zu finden. Doch sie räumt ein: „Einen Vollsortimenter hier reinzukriegen, das wird schwer.“