Bochum. Bislang hat der städtische Versorger Strom auch aus fossilen Brennstoffen geliefert. Damit ist Schluss. Wie das funktioniert und was das kostet.

Etwa 2,1 Millionen Megawattstunden (MWh) Strom haben die Stadtwerke Bochum 2023 an ihre Kunden in und außerhalb Bochums geliefert. Eine Menge, mit der 600.000 Vier-Personen-Haushalte und einem durchschnittlichen Jahresverbrauch versorgt werden könnten. Fast 37 Prozent davon wurden mit fossilen, also umweltbelastenden Energieträgern erzeugt. Damit soll nun Schluss sein.

Stadtwerke Bochum liefern seit Jahresanfang nur noch Ökostrom

„Die Stadtwerke Bochum liefern ihren Kunden ab 1. Januar 2025 ausschließlich Ökostrom“, heißt es bei dem städtischen Energieunternehmen. Sie wollen so die „Energiewende weiter vorantreiben und Bochum der Klimaneutralität näherbringen“. Schon seit März 2022 würden Neukunden ausschließlich Ökostrom beziehen. „Nun gehen wir den nächsten Schritt und beliefern ab Januar 2025 auch all unsere Bestandskunden ausschließlich mit Strom aus erneuerbaren Energien“, sagt Stadtwerke-Geschäftsführer Frank Thiel.

Bestandskunden müssten nichts unternehmen. Der Strompreis ändere sich nicht. Stadtwerke-Kunden, die bisher schon grünen Strom bezogen und freiwillig einen Ökostrom-Beitrag von ein oder zwei Euro monatlich geleistet haben, „erhalten ab Januar 2025 Ökostrom ganz ohne zusätzliche Kosten“, heißt es. Ihr Beitrag werde künftig in Klima-Projekte in Bochum fließen. „Nahezu alle Kunden sind ihrem Engagement für das Klima treu geblieben“, so Unternehmenssprecher Jascha Dröge.

Anteil des grünen Strom lag bislang bei 60,9 Prozent

Allein 770.000 MWh haben die Stadtwerke 2023 ihren Kunden in Bochum geliefert, weitere 1,36 Millionen MWh außerhalb des Konzessionsgebiets verkauft. Ähnliche Mengen seien im Vorjahr abgesetzt worden und werden voraussichtlich auch in diesem Jahr verkauft. Der Anteil des grünen Stroms lag in beiden vergangenen Jahren bei etwa 60,9 Prozent. Der Rest wurde vor allem aus Kohle (26,6 Prozent) und Erdgas (9,9 Prozent) produziert. Weitere 0,9 Prozent stammen aus „sonstigen fossilen Energieträgern“ und 1,7 Prozent aus Kernkraft.

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Nun will der Energieversorger nur noch grünen Strom liefern, d.h. solchen, der aus erneuerbaren Energiequellen gespeist wird. „Einen Teil unseres Stroms beziehen wir aus dem Offshore-Windpark der Trianel vor Borkum, an dem wir als Stadtwerke Bochum beteiligt sind, sowie aus Windenergieanlagen der Stadtwerke Bochum in Bremerhaven“, sagt Stadtwerke-Sprecher Dröge. In diesem Jahr werden mit eigenen Anlagen und mit solchen, an denen das Unternehmen beteiligt ist, voraussichtlich etwa 330.000 MWh grüner Strom erzeugt. Dröge: „Grob überschlägig könnte man also sagen, dass etwas weniger als die Hälfte des Stromabsatzes im Konzessionsgebiet rein rechnerisch mit erneuerbaren Erzeugungsanlagen der Stadtwerke Bochum gedeckt werden kann.“

Herkunftsnachweise sollen belegen, dass nur grüner Strom eingespeist wird

Allein etwa 45.000 MWh auf Bochumer Stadtgebiet erzeugter Strom wurden 2024 in das Stromnetz eingespeist. „Die tatsächlich in Bochum erzeugte Menge erneuerbaren Stroms dürfte allerdings deutlich höher sein“, so der Sprecher. Denn: Der mit Photovoltaik-Anlagen erzeugte Strom decke in aller Regel zunächst den Eigenenergiebedarf des Anlagenbetreibers, ehe überschüssige Menge in das Stromnetz der Stadtwerke eingespeist werden.

Grünen Strom erzeugen die Stadtwerke Bochum u.a. durch ihre Beteiligung am Trianel-Windpark vor Borkum.
Grünen Strom erzeugen die Stadtwerke Bochum u.a. durch ihre Beteiligung am Trianel-Windpark vor Borkum. © Stadtwerke Bochum | Matthias_Ibeler

Aber wie stellen die Stadtwerke sicher, dass sie ausschließlich grünen Strom an ihre Kunden liefern? „Dies belegen die sogenannten Herkunftsnachweise, die eingekauft werden“, erklärt Dröge. „Für jede Kilowattstunde Strom, die durch einen Kunden der Stadtwerke Bochum verbraucht wird, wird eine Kilowattstunde erneuerbar erzeugter Strom in das europäische Stromnetz eingespeist.“

Kritiker bemängeln immer wieder sogenanntes Greenwashing

Nach Auskunft des Umweltbundesamts bescheinigen Herkunftsnachweise, „wie und wo Strom aus erneuerbaren Energien produziert wurde. Der Herkunftsnachweis ist ein elektronisches Dokument, vergleichbar mit einer Geburtsurkunde. Er garantiert, dass Strom aus erneuerbaren Energien in Europa produziert und ins europäische Stromnetz eingespeist wurde.“

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Allerdings: Kritiker haben immer wieder sogenanntes „Greenwashing“ von Energieanbietern bemängelt. Demnach werde aus grauem, d.h. aus fossiler Energie gewonnenem Strom, grüner Strom gemacht. Nicht physisch, sondern rein rechnerisch. Dabei werde die auf vorhandenen Graustrom bezahlte EEG-Umlage der Verbraucher in dem städtischen Versorgungsgebiet automatisch angerechnet und so die entsprechende Menge in EEG-Ökostrom umgewandelt.

Kosten der Herkunftsnachweise sind vergleichsweise gering

Aus Sicht der Stadtwerke Bochum war diese Kritik unberechtigt. Heute sei sie nicht mehr haltbar. Denn: Nach der aktuell gültigen Fassung des Energiewirtschaftsgesetzes dürfe der Strom für den Strommix-Gesamt, der aus nach dem EEG geförderten Anlagen bezogen wird, nicht mehr mit „grüner Eigenschaft“ ausgewiesen werden“, sagt der Stadtwerke-Sprecher.

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Derweil wundert es, dass die Umstellung auf 100 Prozent Ökostrom keine Auswirkungen auf den Strompreis hat. Schließlich haben Ökostrom-Bezieher in der Vergangenheit einen zusätzlichen Beitrag geleistet. Die Erklärung des Energieversorgers: „Der Strompreis ergibt sich – neben den staatlich bestimmten Umlagen und Steuern – in aller erster Linie aus den Beschaffungskosten. Um wettbewerbsfähige Preise aufrufen zu können, ist der Zeitpunkt der Strombeschaffung maßgeblich. Die zusätzlichen Kosten, die durch den Kauf von Herkunftsnachweisen für erneuerbaren Strom entstehen, sind im Vergleich hierzu absolut nachrangig und haben aktuell keinen signifikanten Einfluss auf den Strompreis der Stadtwerke Bochum.“

Stadtwerke bauen Kapazitäten aus

Die Stadtwerke Bochum beteiligen sich am Windpark Sundern der Trianel Wind und Solar GmbH. Zwölf Windenergieanlagen sollen dort gebaut werden.

Im Rahmen der Trianel Wind und Solar investiert das städtische Tochterunternehmen gemeinsam mit Trianel und 19 weiteren Stadtwerken eine halbe Milliarde Euro in den Ausbau von Windkraftanlagen und Photovoltaik-Freiflächenanlagen. Bochum ist mit 19,6 Prozent an der Trianel Wind und Solar beteiligt.

Auf Bochumer Stadtgebiet betreibt das städtische Tochterunternehmen u.a. neun große Photovoltaik-Anlagen und gewinnt an der Ruhr in Stiepel Ökostrom aus Wasserkraft.

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