Bochum. Ein Aktivist aus der rechtsextremen Szene soll an der Ruhr-Universität studieren. Die Antifa wirft der Uni vor, tatenlos zuzuschauen. Die Hintergründe.

Plakate und Aushänge sind auf dem Campus der Ruhr-Universität Bochum (RUB) keine Seltenheit. Diese aber, die Anfang Januar an vielen Stellen aufgeklebt wurden, bekommen durch ihre Brisanz eine besondere Bedeutung: Auf ihnen verbreitet die Antifaschistische Linke Bochum, ein bekannter und in der rechtsextremen Szene aktiver Neonazi studiere an der RUB auf Lehramt. Der Uni wirft die Antifa vor, keine konsequenten Maßnahmen zu ergreifen, die Reaktion auf die Enthüllung sei enttäuschend. Man sehe keine juristische Grundlage, heißt es hingegen von der RUB.

Antifa kritisiert Ruhr-Universität Bochum: Student mit rechtsextremem Hintergrund?

Die Antifaschistische Linke beruft sich bei ihren Vorwürfen auf eine auf dem Antifa-Infoportal im Internet veröffentliche Recherche, wonach ein organisierter Neonazi Geschichte und Germanistik auf Lehramt an der Ruhr-Universität Bochum studieren soll. Der junge Mann sei „kein Mitläufer, sondern eine zentrale Figur in der rechtsextremen Szene Dortmunds“, heißt es in dem Bericht. Darin wird er u.a. mit der Partei „Die Heimat“ (ehemals NPD) in Verbindung gebracht.

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WAZ-Informationen zufolge ist die besagte Person tatsächlich dem rechtsextremen Lager zuzuordnen.

Ruhr-Universität Bochum.
Isolde Karle, Prorektorin der Ruhr-Universität Bochum, äußert sich zu den Vorwürfen der Antifa. © FUNKE Foto Services | Walter Fischer

Die RUB hatte wenige Tage später auf die Aushänge reagiert, auf ihrer Homepage und in den Sozialen Medien ein Interview mit Prorektorin Isolde Karle zu diesem Thema veröffentlicht. Darin heißt es, die Fälle mit rechtsextremistischem Hintergrund hätten sich im letzten Jahr gehäuft – von Schmierereien über Angriffe auf Wissenschaftler (per Mail, Brief, Telefon und Social Media) bis hin zur Sachbeschädigung am Büro eines Professors. All das werde zur Anzeige gebracht.

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Die Meinungsfreiheit, so Karle weiter, erlaube jedoch nicht, „dass Menschen wegen ihrer mutmaßlichen Gesinnung sanktioniert werden“. Das gelte auch für Neonazis. Dennoch würden solche Fälle der Polizei beziehungsweise dem Staatsschutz gemeldet. Das passiere im Hintergrund – aus ermittlungstaktischen, aber auch aus datenschutzrechtlichen Gründen. Letzteres führe dazu, dass man sich nicht konkret zum von der Antifa genannten Fall äußern könne, so RUB-Sprecher Jens Wlykop auf Nachfrage dieser Zeitung.

RUB: Keine juristische Handhabe, das Studieren zu verweigern

Er unterstreicht nochmal, dass Universitäten keinerlei juristische Grundlage hätten, Personen aufgrund einer extremen politischen Gesinnung die Aufnahme eines Studiums zu verweigern. Auch wenn jemand gesichert einer rechtsextremen Gruppe angehöre, sei das kein Grund, ihm das Studieren zu verweigern oder ihn zu exmatrikulieren, erklärt Wylkop.

Die Aushänge habe man allesamt entfernt, sagt Jens Wylkop. Darauf ist die betroffene Person namentlich benannt, ein Foto ist zu sehen und es gibt Informationen zu den Recherchen. „Aus unserer Sicht stellen diese Plakate einen Straftatbestand dar“, so Wylkop.

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Die Antifa bezeichnet die Reaktion der RUB-Leitung als „ausweichend“ und „absolut enttäuschend“, erklärt Sprecherin Clara Fischer. Den Fall dem Staatsschutz zu melden, sei „ein reiner Formalakt, der niemandem hilft“. Auch von der Polizei werde bisher „nichts unternommen, um zu verhindern, dass ein Neonazi Lehrer werden kann“, kritisiert Fischer. Hier werde Verantwortung weitergeschoben, anstatt zu handeln.

Nazi-Student im Hörsaal? Antifa Bochum fordert Konsequenzen

Zum Schutz der Uni-Gemeinschaft fordere man nun „klare Konsequenzen“ und konkrete Maßnahmen, so Fischer: Prüfungen, wie Neonazis von universitären Strukturen ausgeschlossen werden können, „Sanktionen bei rechtsextremen Aktivitäten sowie den Schutz und die Unterstützung für alle Betroffenen.“

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Der Polizei ist der aktuelle Fall ebenfalls bekannt. Auch hier das Problem mit dem Datenschutz: „Wir dürfen dazu nichts sagen“, erklärt Polizeisprecher Marco Bischoff auf Anfrage. Natürlich bekomme man so etwas in den Sozialen Medien mit und mache „regelmäßig eigene Recherchen“. Wenn ein strafrechtliches Verhalten vorliege, würden dann auch entsprechende Maßnahmen eingeleitet werden.

Wie die Ruhr-Universität reagiert

Laut Ruhr-Universität gibt es auf dem Campus einige Anlaufstellen und Informationsangebote, wie Studierende sich gegen diskriminierende Äußerungen und rechtsextreme Tendenzen zur Wehr setzen und sich im konkreten Fall verhalten können. „Darüber hinaus diskutieren wir, welche strukturellen Maßnahmen wir zusätzlich anbieten können, um Lehrende und Studierende im Umgang mit rechtsextremen, verfassungsfeindlichen Äußerungen noch besser zu unterstützen, zum Beispiel durch besondere Schulungen und Seminare mit konkreten Handlungsempfehlungen“, sagt Prorektorin Isolde Karle.

Der Antifa in Bochum geht das nicht weit genug. Die Antidiskriminierungsstelle der RUB sowie Anlaufstellen und Informationsangebote gegen Rechts leisteten zwar wichtige Arbeit, räumt Sprecherin Clara Fischer ein. „Doch diese Angebote reagieren nur auf rechte Angriffe, anstatt präventiv gegen die Ursachen des Problems vorzugehen. Das Diskutieren struktureller Maßnahmen hat noch nie einen Nazi vom Campus vertrieben“, betont Fischer. „Die RUB muss endlich konsequente Schritte einleiten, um Neonazis keinen Raum zu lassen.“