Bochum. Firmen in Bochum ächzen unter bürokratischen Anforderungen. Das sei teuer und nicht produktiv. Kritik richtet sich vor allem an einen Adressaten.

„Wer schreibt, der bleibt“, lautet ein alter Sinnspruch, der angeblich schon seit der Zeit der Römer in unseren Breiten gilt. Historisch sind schriftliche Dokumente von unschätzbarem Wert, in der Gegenwart sind sie oft ein teures Missvergnügen.

Umfrage der Arbeitgeberverbände: Bürokratie ist teuer

„Die Bürokratie kommt uns teuer zu stehen“, heißt es bei den Arbeitgeberverbänden (AGV) Ruhr/Westfalen mit Sitz in Bochum. Die 425 AGV-Mitgliedsunternehmen „ächzen immer mehr unter bürokratischen Vorschriften, zusätzlichen Regelungen und verschärften Gesetzen“. Das habe eine aktuelle Umfrage ergeben.

Teilweise entstehen Kosten von mehr als 100.000 Euro pro Jahr – in einem Unternehmen, wohlgemerkt. Ein Drittel der befragten Unternehmen gibt Kosten von mehr als 100.000 Euro pro Jahr an, ein Fünftel spricht von Kosten zwischen 50.000 und 100.000 Euro, ein weiteres Drittel von Kosten von 20.000 bis 50.000 Euro.

Je kleiner eine Firma, desto gravierender ist das Bürokratie-Problem

Und das summiert sich. Durch die „überbordende Bürokratie“ entgehen Deutschland bis zu 146 Milliarden Euro pro Jahr an Wirtschaftsleistung. So lautet das Fazit einer aktuellen Studie des Ifo-Instituts im Auftrag der Industrie- und Handelskammer München/Oberbayern. Allein in Bochum würde damit die entgangene Wirtschaftsleistung viele Millionen Euro jährlich betragen. Die Bürokratie wird seit zwei Jahren in allen IHK-Umfragen als das größte Problem der Wirtschaft genannt. Je kleiner die Unternehmen sind, desto gravierender ist die Belastung. 

+++ Wollen Sie keine Nachrichten mehr aus Bochum verpassen? Dann abonnieren Sie hier unseren kostenlosen Newsletter! +++

Ganz oben auf der Liste der Ressourcen bindenden Regelungen sind die für Unternehmen geltenden Berichtspflichten zu Energieverbrauch, Nachhaltigkeit und finanziellen Kennzahlen. Dahinter folgen Steuererklärungen und Dokumentationspflichten sowie Bau- und Betriebsgenehmigungen.

Mehr Personal und sinkende Produktivität

Auch Pflichten zur Datenschutzgrundverordnung, der Compliance-Regeln und Zollvorschriften erhöhen den betrieblichen Bürokratie-Aufwand. „Dies führt insbesondere zu immer weiter steigendem Personalaufwand bei gleichzeitig sinkender Produktivität, da die Erfüllung bürokratischer Vorschriften keine wertschöpfende Tätigkeit ist“, wie es heißt. Gleichzeitig überfordere die Komplexität einzelner Vorschriften, zuständige Mitarbeiter seien auch aufgrund praxisferner Regelungen überlastet.

„Wenn Unternehmer vor immer weiter steigender Bürokratie warnen und zu langsame Genehmigungsverfahren kritisieren, dann meinen sie genau das, was die Ergebnisse unserer Umfrage im Detail widerspiegeln“, sagt der neue AGV-Hauptgeschäftsführer Lars Bergmann. „EU-Richtlinien und die deutschen, teilweise sogar darüber hinausgehenden Gesetze erschweren es Unternehmen, ihrer eigentlichen Arbeit nachzugehen. Das führt im Zusammenspiel mit vielen weiteren Standortnachteilen letztlich dazu, dass Unternehmer genau überlegen, in welche Standorte sie investieren und ob Betriebs-Verlagerungen nicht möglicherweise sinnvoller sind.“

Neuer AGV-Chef Bergmann: Überforderung stoppen

Die Politik sei gefragt, diese Überforderungen zu stoppen. „Ansonsten regeln wir uns immer weiter ins Abseits“, so Bergmann.

+++ Folgen Sie der WAZ-Lokalredaktion Bochum auf Instagram! +++

Bei der Politik ist diese Kritik schon längst angekommen. So hat Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) bei seinem Besuch im Juli in Bochum eingeräumt: „Bei der Bürokratie haben wir uns verheddert. Das betreffe zum Beispiel das Berichtswesen. Insgesamt wurde „in der Summe für die Unternehmen ein Berg an Verfahren aufgedrückt, der so nicht richtig ist“.

Die größten bürokratischen Lasten kommen aus Brüssel

Die Frage ist: Wie schnell kann der dicke Katalog entschlackt werden? Kanzlerkandidat Friedrich Merz (CDU) hat dazu Anfang vergangene Woche beim Besuch der Betriebsrätekonferenz an der Jahrhunderthalle Bochum gesagt: „Der Rückbau von Bürokratie ist wahrscheinlich einer der ganz großen Herausforderungen, vor denen wir in der nächsten Wahlperiode des deutschen Bundestags stehen.“

Allerdings sei es keine allein nationale Aufgabe, das „Monstrum Bürokratie“ in den Griff zu bekommen. Dazu gehören aus seiner Sicht zum Beispiel „Berichtspflichten, die außer Bürokratie in den Unternehmen überhaupt nichts bewirken“, und das Lieferkettenrecht. Denn: „Der größte Teil der bürokratischen Lasten für unsere Volkswirtschaft kommt nicht vom nationalen Gesetzgeber, sondern kommt aus Brüssel.“

Diese Texte haben viele Menschen interessiert