Bochum. Der Nordbahnhof in Bochum war während der NS-Diktatur eine „Drehscheibe des Terrors“. Eine neue Ausstellung lässt die Besucher gewaltig frösteln.

An ein ganz finsteres Kapitel der Bochumer Stadtgeschichte erinnert eine neue Ausstellung, die ab jetzt dauerhaft im Historischen Nordbahnhof zu sehen ist: „Drehscheibe des Terrors“, so der Titel, erzählt unter anderem von all jenen Menschen, die während der Schreckensherrschaft der Nationalsozialisten von Bochum aus in die Konzentrationslager in Osteuropa gebracht wurden und dort ums Leben kamen. Damit ihr trauriges Schicksal nicht in Vergessenheit gerät, gibt es innerhalb der Ausstellung eine Lichtinstallation, die frösteln lässt.

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Nordbahnhof befindet sich direkt neben dem neuen Justizzentrum

Am stillgelegten Nordbahnhof kommt jeder vorbei, der über den Ostring am neuen Justizzentrum entlangfährt. Neben dem ehemaligen Hauptbahnhof, der sich in Höhe des heutigen Bermudadreiecks befand, diente der große Ziegelbau als weiterer großer Bahnhof für Personen- und Güterverkehr in der Stadt.

Die Ausstellung „Drehscheibe des Terrors“ ist beeindruckend: Auf dem Boden werden mit einem Beamer die Namen von etwa 3000 Menschen gezeigt, die während der Nazi-Diktatur ums Leben kamen.
Die Ausstellung „Drehscheibe des Terrors“ ist beeindruckend: Auf dem Boden werden mit einem Beamer die Namen von etwa 3000 Menschen gezeigt, die während der Nazi-Diktatur ums Leben kamen. © FUNKE Foto Services | Katleen Diekgraefe

In der Nachkriegszeit herrschte hier Hochbetrieb, Schachtanlagen wie Zeche Präsident, aber auch der Bochumer Verein und die Stahlwerke sorgten für reges Treiben. Erst mit den Zechenschließungen ab Ende der 60er Jahre ging es mit dem Bahnhof bergab, die Frachtmengen gingen zurück, und große Teile des Personenverkehrs wurden in den 1957 eröffneten heutigen Hauptbahnhof verlagert.

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Das Bahnhofsgebäude am Ostring stand danach lange leer und wäre beinahe sogar abgerissen worden. Inzwischen hat in dem denkmalgeschützten Gebäude nach aufwendiger Sanierung ein Schönheitschirurg seine Praxis eröffnet. Der Verein Stiftung Nordbahnhof kümmert sich im Erdgeschoss mit Herzblut darum, an die Geschichte dieses Gebäudes zu erinnern, das eng mit den Verbrechen während der Nazi-Diktatur verbunden ist.

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Denn was vermutlich nicht jeder weiß: Der Nordbahnhof war eine Drehscheibe des NS-Terrors. Von hier sowie vom ehemaligen Hauptbahnhof aus wurden etwa 600 Bochumer Juden sowie Sinti und Roma mit Zügen in die Konzentrationslager in Osteuropa deportiert. Ziele waren etwa Riga, Theresienstadt und Auschwitz.

Der ehemalige Nordbahnhof heute: Im Erdgeschoss erinnert die neue Ausstellung an ein finsteres Kapitel Bochumer Geschichte.
Der ehemalige Nordbahnhof heute: Im Erdgeschoss erinnert die neue Ausstellung an ein finsteres Kapitel Bochumer Geschichte. © FUNKE Foto Services | Katleen Diekgraefe

Gleichzeitig diente der Bahnhof auch als Ankunftsort für Zwangsarbeiter und politische Gefangene, die von der Gestapo festgenommen und nach Bochum gebracht wurden. Etwa 2000 Menschen sollen in der Justizvollzugsanstalt „Krümmede“, die seit 1897 als Gefängnis genutzt wird, auf ihren Prozess gewartet haben. „In der Regel wurden sie dann zum Tode verurteilt“, erzählt Ingrid Wölk, Vorsitzende der Initiative. „Hingerichtet wurden sie danach in der JVA Dortmund, wo dafür extra ein Fallbeil angeschafft worden war.“

Ausstellung macht die Geschichte direkt erfahrbar

So kam der Nordbahnhof einer „Drehscheibe“ gleich, die die NS-Opfer auf ihren Wegen aus Bochum heraus und nach Bochum hinein passieren mussten. „Seit der kriegsbedingten Zerstörung des früheren Hauptbahnhofs ist der Nordbahnhof der einzige authentische Ort in Bochum mit direktem Bezug zu den Deportationen“, sagt Wölk.

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Die Ausstellung im unteren Teil des Gebäudes macht diesen Teil der Geschichte jetzt direkt erfahrbar. Besonders beeindruckend: Mit einem Beamer werden die Namen der Häftlinge in weißer Schrift auf den Boden geworfen, was dann so aussieht, als würden sie auf einem Gleis davonfahren. Insgesamt 3000 Namen sind es: Sie hießen Alexey, Iwan, Dimitri oder Wassily und fanden nach ihrer Reise den sicheren Tod. Beim Betrachten traut man sich kaum, über die weiße Schrift, die im Nirgendwo verschwindet, hinüberzutreten.

Ingrid Wölk, die ehemalige Leiterin des Stadtarchivs, hat die Ausstellung im Historischen Nordbahnhof mit auf den Weg gebracht.
Ingrid Wölk, die ehemalige Leiterin des Stadtarchivs, hat die Ausstellung im Historischen Nordbahnhof mit auf den Weg gebracht. © FUNKE Foto Services | Katleen Diekgraefe

Daneben wird auf einer großen Tafel an Menschen erinnert, deren Schicksal eng mit der Stadt verbunden war: etwa Heinrich König und Appolonia Pfaus. Ein großer Zeitstrahl ordnet das jüdische Leben in Bochum zwischen 1863 und 1939 ein, während die „Orte des Terrors“ (vom Bochumer Verein bis zum Zentralfriedhof) auf einem Monitor angeklickt und genauer untersucht werden können.

Die kleine Ausstellung ist informativ und optisch eindrucksvoll gestaltet. „In ihrem ganzen Erscheinungsbild sieht sie aus wie ein Eisenbahnwaggon“, sagt Wölk, was dann auch bestens zum geschichtsträchtigen Ort passt: dem ehemaligen Nordbahnhof.

Infos und Öffnungszeiten

Die Ausstellung „Drehscheibe des Terrors“ im Historischen Nordbahnhof, Ostring 15, ist ab Sonntag, 26. Januar, öffentlich zugänglich. Geöffnet ist sie sonntags von 14 bis 17 Uhr. Eintritt frei.

Auch für Schulklassen ist die Ausstellung interessant. Für Gruppen sind Führungen nach Vereinbarung möglich. Mail an: info@initiative-nordbahnhof-bochum.de

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