Bochum. Wachablösung beim Arbeitgeberverband: Dirk W. Erlhöfer war 25 Jahre Hauptgeschäftsführer. Tarifverhandlungen gehören zu seiner Kernkompetenz.
Nokia, Siemens, Blaupunkt, Opel und etliche andere. Viele Tausend Arbeitsplätze und viele große, namhafte Industrieunternehmen hat die Region in den vergangenen Jahren verloren. Auch für die Arbeitgeberverbände (AGV) Ruhr/Westfalen ist jedes Aus eines Mitgliedsunternehmens ein herber Verlust. „Wir haben es aber geschafft, uns ein bisschen gegen diesen Trend zu stemmen“, sagt Dirk W. Erlhöfer. Nach 25 Jahren hat er als AGV-Hauptgeschäftsführer aufgehört.
Arbeitgeberverbände vertreten 425 Firmen mit 102.000 Beschäftigten
Nach „nackten Zahlen“, wie er sagt, klingt seine Bilanz erst einmal gut. Als er 1999 anfing, bestand die AGV aus drei Verbänden, jetzt sind es vier (Metall, Chemie, Papier/Kunststoff, Ruhr/Lippe). Statt 320 Mitgliedsunternehmen sind es heute 425. Und zu denen gehören nicht mehr knapp 60.000 Beschäftigte, sondern mittlerweile 102.000 Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer.
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Mehr Mitglieder, mehr Stärke, mehr Lobbykraft? So einfach ist die Rechnung nicht. Tatsächlich sind die Aufgaben komplizierter geworden. Allein schon im Tarifgeschäft, das neben Bildung, Beratung und Lobbyarbeit einen großen Teil der Verbandsaufgaben ausmacht. Denn längst gilt nicht in jeder Branche, jedem Betrieb und jeder Region ein Flächentarifvertrag.
Große Tarifkonflikte hat es seit vielen Jahren nicht mehr gegeben
„Der Flächentarif hat seine nahezu flächendeckende Bindekraft schleichend verloren. Wenn ein Flächentarifvertrag abgeschlossen ist, dann können wir hier nicht den Dienst einstellen“, so Erlhöfer. Nach Einführung der Öffnungsklauseln vor etwa 20 Jahren können Arbeitgeber in Übereinkunft mit Betriebsräten vom Tarif abweichen und Sonderkonditionen für schwächere und kriselnde Betriebe aushandeln. Durchschnittlich 15 weitere Tarifverträge werden daher jedes Jahr in der AGV-Geschäftsstelle an der Königsallee unterzeichnet – nach zuvor mehr oder weniger langwierigen Gesprächen.
Nicht wenige davon hat Dirk W. Erlhöfer geführt. Der studierte Jurist hat sich aufs Arbeitsrecht spezialisiert und so manchen Gesprächsmarathon mit Betriebsräten und Gewerkschaftlern geführt. „Große Konflikte hat es in den letzten 25 Jahren ja nicht gegeben“, sagt er. Warnstreiks aber natürlich schon. Und jede Seite habe versucht, seine Interessen zu vertreten. „Aber am Ende müssen wir alle durch die gleiche Tür gehen.“
Ehemaliger Verbands-Chef vermisst „ruppige Typen“ in Tarifrunden
Dass es in der Region schon lange keinen großen dauerhaften Streik mehr gegeben hat, ist zu einem Teil auch das Verdienst des ehemaligen Hauptgeschäftsführers; eines Mannes, der um markige und provokante Sprüche nicht verlegen ist (Wer braucht ein Lieferkettensorgfaltspflichtengesetz?) und der manchmal bedauert, dass auf der anderen Seite des Verhandlungstischs nicht mehr die „ruppigen Typen“ von früher sitzen. Denn ist er eher um Ausgleich bemüht („Einigung ist immer der bessere Weg“), als Konflikte austragen zu müssen.
Wobei die Arbeitgeberseite aus seiner Sicht „über die Jahrzehnte erpressbarer geworden ist, weil es internationale Kundenstrukturen gibt und niemand Verständnis dafür hat, wenn hier zwei Wochen gestreikt wird und Ware nicht geliefert werden kann.“
Viele Unternehmen sind aus der Tarifbindung ausgestiegen
Auch ändert sich die Struktur der eigenen Reihen. Etliche Firmen sind aus der Tarifbindung (T) ausgestiegen. „Wir haben für unseren Metallarbeitgeberverband mittlerweile mehr OT-Mitglieder als T-Mitglieder.“ Als der Hauptgeschäftsführer einst vorschlug, auch „Tarifaussteiger“ sollten im Verband bleiben, habe das „keine vergnügungssteuerpflichtigen Gespräche“ im Vorstand ausgelöst. Erlhöfer: „Das können wir nicht machen, hieß es, wir verlieren unsere Identität. Aber es war zur Daseinsberechtigung nicht falsch. Wir sind eine Mitgliederorganisation.“
Die nun einen neuen Hauptgeschäftsführer hat: Lars Bergmann. Sein Vorgänger wird noch bis Ende Juni als Stellvertreter mit Sonderaufgaben fungieren und dabei u.a. noch einmal eine Tarifrunde leiten.
Pläne für den „Unruhestand“: Reisen, Studieren und die Modelleisenbahn
Und dann? Dem 65-Jährigen, der exakt mit Beginn seines gesetzlichen Renteneintrittsalters aus dem Berufsleben aussteigen wird, dürfte bestimmt nicht langweilig werden. Er wird vier Ehrenämter behalten, u.a. den im Vorstand der Gesellschaft der Ruhr-Universität. Er will sich als ehrenamtlicher Arbeitsrichter engagieren, Sport treiben, Spanisch lernen, gerne ein Studium der Architekturgeschichte beginnen, Reisen (Neuseeland, Japan, Vilnius und Helsinki stehen ganz oben auf der Wunschliste) und ein wenig mehr einer „ganz uncoolen“, wie er sagt, Leidenschaft frönen: der Modelleisenbahn. „Ich habe eine im Keller“, sagt er.
Und natürlich war er schon mehr als einmal im Miniatur-Wunderland in der Hamburger Speicherstadt, der spektakulärsten Modelleisenbahnlandschaft der Welt. „Ich wollte mich da einschließen lassen, aber die haben mich nicht gelassen“, sagt Erlhöfer und grinst. Vielleicht wäre das ein Geschenk zur Ausstandfeier im Juni. Wo die stattfindet? Ist doch klar: im Eisenbahnmuseum in Dahlhausen.