Bochum. In Bochum soll mehr Platz für Flüchtlinge entstehen. Während in sozialen Medien der Hass tobt, zeigen sich die meisten Anwohner entspannt.
In drei Stadtteilen von Bochum entstehen neue Container-Dörfer für Flüchtlinge – in Altenbochum, Stiepel und Gerthe. Diese Nachricht bewegt viele, gerade in den sozialen Netzwerken gibt es viele Reaktionen, die oftmals negativ sind. Aber was sagen die Menschen vor Ort? Wir haben uns in Gerthe umgehört.
Bettina Meschenmoser (69) und Andreas Eichert (71) sind an diesem Mittag gerade auf dem Rückweg von ihrem Samstagsspaziergang. Auf die aktuellen Pläne der Stadt angesprochen, zeigt sich das Ehepaar gelassen. „Wir kennen das“, sagt Eichert. Seit 1990 würden sie hier leben, in unmittelbarer Nähe zu der Fläche, auf der die Container-Dörfer am Bövinghauser Hellweg entstehen sollen. Schon damals sei man in diesem Bewusstsein dorthin gezogen, seitdem hätten vorübergehend immer wieder Flüchtlinge in ihrer Nachbarschaft gelebt. Wirkliche Probleme habe es dabei nie gegeben.
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Auch ab 2015 lebten Flüchtlinge in der Nachbarschaft in Gerthe: „Mehr Leben auf der Straße“
Eine andere Anwohnerin, die ihren Namen nicht veröffentlicht wissen möchte, kommt dazu. Sie lebt seit zwölf Jahren ebenfalls hier. 2015, als Menschen aus Syrien dort einzogen, habe es beispielsweise gut geklappt, zu Konflikten sei es nicht gekommen, sagt die 53-Jährige. „Es war mehr Leben auf der Straße“, meint die Gertherin. Und das sei schön gewesen.
Einen Wunsch hat sie allerdings: Wichtig sei, dass die Menschen gut begleitet werden, von Sozialarbeitern, Pädagogen und generell Menschen, die helfen. „Hier darf nicht an der falschen Stelle gespart werden.“ Sie wünscht sich, dass alles vernünftig abläuft. Auch Bettina Meschenmoser und Andreas Eichert hoffen, dass die Container-Dörfer so aufgebaut werden, dass sie nicht überfüllt, die Bedingungen menschenwürdig sind. Wenn eine gute Begleitung der Flüchtlinge gelinge, haben alle drei mit Blick auf die kommende Zeit keine Bedenken.
Bochum muss 900 weitere geflüchtete Menschen aufnehmen
Insgesamt muss Bochum etwa 900 geflüchtete Menschen aufnehmen, die derzeit noch in landesweiten Erstaufnahmeeinrichtungen untergebracht sind. Diese sollen in Container-Dörfer ziehen, derzeit laufen laut Stadt die Vorbereitungen auf den Flächen am Bövinghauser Hellweg in Gerthe, an der Kemnader Straße in Stiepel und „Auf der Heide“ in Altenbochum. Anfang des Jahres sollen dann die drei mobilen Anlagen entstehen. Insgesamt kostet der Bau der Container-Dörfer 24,9 Millionen Euro. Es sollen rund 550 Plätze entstehen, die größte Anlage davon in Altenbochum.
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Dort befand sich zuletzt ein mobiler Spielplatz. Für die Geräte sucht die Stadt derzeit nach einem neuen Platz, „möglichst in unmittelbarer Nachbarschaft“. Das sorgt für Kritik.
Altenbochum wünscht sich, dass mobiler Spielplatz bleibt
„Da wird in Altenbochum eine immer sehr gut besuchte Freizeitanlage wieder abgebaut? Wo sollen die Kinder hin? Das verstehe ich nicht. Gibt es da keine anderen Möglichkeiten?“, fragt sich Peter Matuszewski (64) aus Altenbochum. Eine andere Bochumerin findet: „Endlich war mal etwas wirklich Tolles für unsere Kinder und Enkel da. Jetzt wird es wieder abgebaut, obwohl der Platz immer voll war. Sehr, sehr schade und traurig, unsere Kinder haben keine Lobby“, meint sie.
Innerhalb von 24 Stunden haben unter unserem Facebook-Post, in dem es um die drei neuen Container-Dörfer geht, rund 200 Menschen kommentiert. Das Thema beschäftigt die Menschen, oftmals ist der Tonfall kritisch bis hin zu hetzerisch und rassistisch. So heißt es beispielsweise: „Absolut überflüssig“ oder „Haben ja nicht schon genug von hier. Statt aufzunehmen, mal lieber weiter schicken.“ Manche Bochumerinnen und Bochumer sorgen sich in den Kommentaren um ihre Sicherheit.
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Anders sieht das Christian Zupan (61) aus Wattenscheid: „Ich finde es sehr schön, dass wir diesen Menschen die Möglichkeit geben, in Deutschland Fuß zu fassen. (...) Ich freue mich auf unser neues multikulturelles Leben.“ Eine andere, etwas jüngere Bochumerin aus Gerthe kommentiert: „Niemand, der sein Zuhause verloren hat, ist schuld daran, dass die Schere zwischen Arm und Reich hier immer größer wird und ihr mit der Politik unzufrieden seid. Hoffentlich wird gegen euch nie so gehetzt, wenn ihr mal Hilfe benötigt.“