Bochum. Opel geht und lässt eine geschockte Stadt zurück? Von wegen. Bochum hat eine Krise genutzt, um durchzustarten. Andreas Rorowski kommentiert.

Im Dezember 2014 ist der letzte Opel in Bochum vom Band gelaufen. Zehn Jahre danach lautet die Gretchenfrage: Ist die Situation heute besser als damals?

Bochum steht ohne Opel heute besser da

Auf jeden Fall. Bochum steht ohne Opel heute besser da. Statt einer in die Jahre gekommenen Autofabrik stehen auf dem 70 Hektar großen Areal moderne Gebäude, die mit wegweisender Geothermie energetisch versorgt werden, sind Tausende neue Jobs und sogar grüne Inseln entstanden. Kein Vergleich zu früher.

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Ja, das Aus für Opel war schmerzhaft. Vor allem für die Beschäftigten und ihre Angehörigen, für Zulieferer wie Johnson Controls und für alle, die sich mit Opel identifiziert haben. Dennoch ist aus der Krise Gutes erwachsen. Das zählt am Ende.

VW-Autowerke in Dresden, Emden und Osnabrück stehen auf der Kippe

Nicht nur in Bochum. Heute stehen wieder Autofabriken auf der Kippe. Volkswagen erwägt, drei Werke zu schließen; dem Vernehmen nach in Dresden, Emden und Osnabrück. Auch ein Komponentenwerk soll dicht gemacht werden, angeblich in Kassel oder in Braunschweig. Bei Ford in Köln soll jede vierte Stelle gestrichen werden.

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So wie vor zehn Jahren in Bochum wäre das für viele Beschäftigte ein herber Schlag. Für Städte und Kreise wäre es ein Einbruch der Gewerbesteuern, die Arbeitslosenzahlen würden deutlich steigen, die Perspektiven sinken.

Entwicklung auf Mark 51/7 ist noch nicht zu Ende

Was tun? Nach Bochum schauen. Hier haben sie nach dem schleichenden Verlust Tausender Jobs in der Automobilindustrie einen Gegenentwurf gezeichnet: Noch ist die Entwicklung auf Mark 51/7, dem ehemaligen Opel-Werk, nicht abgeschlossen. Und noch muss sich zeigen, ob am Ende dort wirklich bis zu 10.000 neue Arbeitsplätze über alle Ausbildungsstufen und Gehaltsgruppen geschaffen werden.

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Das Zwischenergebnis aber kann sich mehr als sehen lassen. Investitionen von mehreren Hundert Millionen Euro durch Bund, Land, Kommune und Investoren haben Bochum im Stadtteil Laer ein ganz neues Gesicht und der gesamten Stadt eine neue Perspektive gegeben – mit Ansiedlungen von Weltkonzernen wie Volkswagen, Bosch und DHL, mit wissenschaftlichen Einrichtungen von Ruhr-Uni und Max-Planck-Institut, mit herausragenden IT-Unternehmen wie Physec, Keysight Technologies und CGI, mit Wärmepumpenhersteller Waterkotte und jeder Menge Bürojobs bei Viactiv, Babymarkt und anderen. Ein vielversprechender neuer Ökonomie-Kosmos, der noch dazu den Charme hat, ins städtische Leben integriert zu sein.

Bochum ist für Entscheider heute eine echte Option

Seien wir ehrlich: Noch vor einem Jahrzehnt war die Stadt alles andere als eine Magnet für Ansiedlungen, für Hightech und moderne Jobs. Heute ist sie zwar nicht der Nabel der Welt, aber ein echte Option für viele Entscheidungsträger.

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Viele reden daher von einer Blaupause, die Bochum mit seiner fulminanten Entwicklung in der Zeit nach Opel für andere Städte in NRW sein kann. Hier lasse sich abgucken, so der frühere Wirtschaftsminister Garrelt Duin, wie mit Mut, Kreativität, öffentlichen Mitteln und Engagement über Parteigrenzen und Interessengruppen hinweg eine echte Perspektive entstehen kann. Zu dieser Perspektive gehören nicht nur viele neue Jobs und ein wachsender Stadtteil, sondern auch Gewerbesteuereinnahmen in nie dagewesener Höhe und ein Imagewandel – von der grauen Maus zum leuchtenden Vorbild.

Glatt gegangen ist dabei nicht alles: Gleich zu Beginn gab es eine mehrmonatige Verzögerung, weil sich ein Bewerber bei der Vergabe von Abbrucharbeiten falsch behandelt wähnte. Beim Abriss der größten Opel-Halle kam es zu einem tragischen Unglücksfall, bei dem zwei Arbeiter ums Leben kamen. Und aktuell stockt die Umsetzung geplanter Bauprojekte – offenbar wegen der schlechter werdenden wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Bei der Zwischenbilanz steht unterm Strich trotzdem ein dickes Pluszeichen.

Politikern, Wirtschaftsförderern und Unternehmern aus Dresden, Emden und Osnabrück kann ich nur raten, mal vorbeizukommen an die Ruhr und einen Blick auf die scheinbar wundersame Wandlung vom Absteiger zum Aufsteiger zu werfen. Es lohnt sich.

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