Bochum. Riesige Summen Fremdgeld steckte ein Rechtsanwalt in die Börse: „Ein großer Fehler“, räumt er ein. Vor Gericht hatte er Tränen in der Stimme.
Mit Tränen in der Stimme hat ein Bochumer Rechtsanwalt (57) am Dienstag vor dem Landgericht um Vergebung für die Veruntreuung von fremden Erbschaften gebeten. Kurz darauf wurde er von der 2. Wirtschaftsstrafkammer zu zwei Jahren Haft auf Bewährung verurteilt. Das ist die höchste Strafe, die noch zur Bewährung ausgesetzt werden kann. Als Auflage muss er 5000 Euro ans Kinderhilfswerk Unicef überweisen.
Mit 533.000 Euro Fremdgeld an der Börse gezockt
Der erfahrene Volljurist war in den Jahren 2020 und 2021 mit der Testamentsvollstreckung für eine Erbengemeinschaft betraut. Es ging um mehr als eine Million Euro. Er ist Fachmann auf diesem Gebiet und war bis dahin in dieser Arbeit sehr erfolgreich, wie der Staatsanwalt betonte. Doch dann kamen, wie es im Prozess hieß, private Schicksalsschläge und Umsatzeinbußen in der Kanzlei. Er buchte vom Treuhandkonto mit den Erbmassen in sieben einzelnen Fällen insgesamt 644.000 Euro auf eigene Konten ab und verwendete das Geld für private Zwecke und Verpflichtungen von ganz anderen Mandaten.
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„Er hat sich Geld von Erben geliehen, um arbeiten zu können, obwohl er wusste, dass er das nicht durfte“, sagte Richterin Anneke Wulf. Er habe „das Vertrauen von Mandanten missbraucht“. Durch die Taten sei „seine Reputation in Mitleidenschaft geraten“.
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Allein rund 533.000 Euro zweigte er für sich ganz privat ab, indem er in spekulative Optionsscheine an der Börse investierte. Er habe, so der Staatsanwalt, „gezockt und sich verzockt“.
Erbin wurde von Bochumer Kanzlei „immer wieder abgewimmelt“
Gleichzeitig war der Anwalt damals aber nicht liquide genug, um das heimlich geliehene Geld jederzeit zurückzahlen zu können. Deshalb bestand eine strafbare Vermögensgefährdung.
Die Richterin erinnerte im Urteil daran, wie sehr die Veruntreuungen eine der Erbinnen belastet hätten. In der Kanzlei des Angeklagten sei die Frau bei ihren Nachfragen zum Erbe „immer wieder abgewimmelt“ worden. Der Ärger habe ihr „schlaflose Nächte bereitetet“, berichtete die Zeugin im Prozess. „Das war ätzend.“
Angeklagter aus Bochum: „Ich muss mich entschuldigen bei meiner Familie...“
„Hohes Gericht“ – so begann der Angeklagte sein „letztes Wort“ vor dem Urteil. „Ich muss mich entschuldigen bei meiner Familie …“ Dann stockte ihm die Stimme, bevor er auch andere von den Straftaten Betroffene um Verzeihung bat, darunter auch seine Kollegen in der Kanzlei. Die Überweisungen von den Treuhandkonten seien „ein großer Fehler“ gewesen.
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Erst im Laufe des Prozesses war der 57-Jährige geständig. Das veruntreute Geld hat er längst wieder an die rechtmäßigen Erben zurückgezahlt. In der Anklageschrift, in der von Veruntreuungen von insgesamt rund 1,2 Millionen Euro die Rede ist, stehen noch zwei weitere Erbschaften von anderen Mandanten. Diese Fälle sollen aber eingestellt werden, sobald das Urteil von Dienstag rechtskräftig wird.
Damit wäre der ganze Fall aber noch nicht erledigt. Die Rechtsanwaltskammer hat ebenfalls noch ein Wort mitzureden. Möglich sei zum Beispiel ein vorübergehender Entzug der Zulassung als Anwalt, hieß es.