Bochum. Ein Testamentsvollstrecker soll Erbmassen seiner Mandanten für eigene Zwecke abgezweigt haben. In Millionenhöhe. Das sagte er im Prozess dazu.

Er sollte große Erbschaften treuhänderisch beaufsichtigen, steht nun aber wegen des Vorwurfs der Untreue vor dem Bochumer Landgericht. Ein Bochumer Rechtsanwalt muss sich seit Dienstag (5.11.) vor der 2. Wirtschaftsstrafkammer verantworten.

Angeklagter Anwalt arbeitet als Testamentsvollstrecker

Die Vorwürfe wiegen gerade wegen seines Berufes besonders schwer. Der 57-Jährige arbeitet in einer Bochumer Kanzlei, die auf mehreren Rechtsgebieten unterwegs ist, im Bereich der Testamentsvollstreckung. In 20 einzelnen Fällen soll er zwischen 2017 und 2022 Gelder aus Erbmassen, die auf Treuhandkonten lagen, heimlich für eigene Interessen abgezweigt haben. Laut Anklage seien sie auf seine Privatkonten, auf Konten der Kanzlei sowie auf Konten einer Stiftung und eines Freundeskreises aus dem Bereich der klassischen Musik umgebucht worden.

Insgesamt soll er auf diese Weise über Beträge in Höhe von rund 1,2 Millionen Euro unberechtigt verfügt haben.

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Der Angeklagte erschien vor Gericht tipptopp gekleidet mit Anzug und Krawatte. Die Richterin fragte ihn zunächst nach seinen persönlichen Verhältnissen und auch zu möglichen Erkrankungen. „Bluthochdruck“, sagte der Angeklagte. „Jetzt im Moment besonders.“ – „Weil Sie das Strafverfahren belastet?“, so die Richterin. Der Anwalt nickte.

Angeklagter weist die Vorwürfe zurück

Die Vorwürfe ließ er über einen auswärtigen Berufskollegen, der ihn nun verteidigt, in einer ersten pauschalen Kurzerklärung allerdings zurückweisen. „Die Verteidigung tritt der Anklage entgegen“, hieß es. Alle Mandanten, die Erben, hätten ihr Geld erhalten. Auch über die Anwaltsgebühren sei Einigung erzielt worden. Es habe zwar Verzögerungen gegeben, aber diese seien nicht durch den Angeklagten verschuldet worden.

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Das sieht die Staatsanwaltschaft aber offenbar anders. In der Anklage ist von großen Erbschaften die Rede: zum Beispiel 242.000 Euro, 465.000 Euro oder 1,14 Millionen Euro. Die erbrechtlichen Mandate soll der 57-Jährige dazu benutzt haben, Gelder von den Treuhandkonten, auf denen die Erbmassen lagen, ohne Wissen oder Erlaubnis der Erben umgebucht und damit zweckentfremdet zu haben. Damit habe er zum Beispiel Fehlbestände der Kanzlei ausgeglichen und deren Verbindlichkeiten gegenüber Dritten erfüllt. Laut Anklage soll er auch zweimal je 100.000 Euro auf seine Privatkonten transferiert haben.

Vorwurf: 80 Prozent einer Erbmasse entzogen

Zur Verschleierung in der Buchhaltung soll er in einigen Fällen Rechnungen, denen gar keine Leistung zugrunde lag, an die jeweiligen Mandanten geschrieben haben, ohne diese jedoch abzuschicken.

In einem Fall, so die Staatsanwaltschaft, habe er 80 Prozent der Erbmasse entzogen. Sie spricht nicht nur von Untreue, sondern auch von Vermögensgefährdung, denn im Falle einer Insolvenz der Kanzlei wäre den Erben ihr Geld entzogen gewesen.

Das Gericht hat zwölf weitere Sitzungstage bis 18. Februar angesetzt.

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