Bochum-Weitmar. Das Prinz-Regent-Theater gräbt ein Stück Bochumer Theatergeschichte aus: Die lustigen Mini-Dramen um Claus Peymann sind eine Entdeckung wert.
Was muss das für eine Szene gewesen sein! Vermutlich irgendwann im Sommer des Jahres 1986 stand Claus Peymann zum letzten Mal im Direktionszimmer des Schauspielhauses und schaute aus dem Fenster. Nach sieben ungeheuer erfolgreichen Jahren, die ihm einen Platz in der Bochumer Theatergeschichte sicherten, zog es den damals 49-jährigen Intendanten weiter: als Burgtheater-Direktor nach Wien. Und was dachte er an seinem letzten Arbeitstag an der Königsallee? „Egal ob Ruhr oder Donau: Da tauschen wir eine Kloake gegen die nächste.“
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Kleine Stücke genießen legendären Ruf
Zum Abschied aus Bochum hat der österreichische Dramatiker Thomas Bernhard (1931-1989) seinem langjährigen Weggefährten eine Trilogie geschenkt, die unter älteren Theaterfreunden längst einen legendären Ruf genießt: „Claus Peymann kauft sich eine Hose und geht mit mir essen“ besteht aus drei Einaktern, die in Bochum selbst witzigerweise nur ganz selten zur Aufführung kamen. Bis heute!
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Zum Auftakt in die neue Spielzeit werden Bernhards Mini-Dramen nicht im Schauspielhaus gespielt, wie man es vielleicht vermuten könnte, sondern im Prinz-Regent-Theater in Weitmar. Dort zeigt der scheidende Theaterleiter Hans Dreher in einer kurzweiligen, bestens gearbeiteten Aufführung, um was für ein fast schon vergessenes Kleinod es sich bei diesen Stücken doch handelt. Das Premierenpublikum ist hingerissen, es wird gelacht, gejubelt und kräftiger Szenenapplaus gespendet.
Dabei blitzt immer wieder durch, um welch einen herausragenden Autor es sich bei Thomas Bernhard gehandelt hat. Die Texte sind superlustig, messerscharf formuliert – und sie besitzen einen solchen Wohlklang, dass man beim Zusehen gelegentlich die Augen schließen möchte, um sie einfach nur zu hören. Und nebenbei besitzen sie haufenweise Lokalkolorit: Es geht um Bochum, ums Schauspielhaus, um die Menschen hier – und natürlich vor allem um Claus Peymann. Den so verehrten wie gefürchteten Theaterchef lässt Dreher zu Beginn sogar kurz als Dino über die Bühne toben.
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Goldener Bilderrahmen zeigt die Schauplätze
Dem Schauspieler Helge Salnikau fällt die gewiss nicht leichte Aufgabe zu, dem „blonden Claus“ ein Gesicht zu geben. Im wandelbaren Bühnenbild von Clara Eigeldinger sitzt er zu Beginn auf einer Empore, beim Zuschauen blickt man also automatisch zu ihm auf. In einem goldenen Bilderrahmen im Hintergrund werden die wechselnden Schauplätze gezeigt: das Schauspielhaus, das Burgtheater und der Wiener Prater.
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Schön zu sehen: Salnikau beißt sich in der Rolle richtig fest. Steht zu Beginn noch zu befürchten, der Schauspieler könne heillos überdrehen, gelingt ihm im Laufe des Abends eine gewitzte, pointiert gespielte Darstellung dieses streitbaren und streitlustigen Theatermachers. Salnikau trampelt, zetert, brüllt und fuchtelt wild mit den Armen, dass es eine Freude ist.
Im Schatten der Naturgewalt
Stefanie Linnenberg gibt die übrigen Figuren im Schatten dieser Naturgewalt zwar etwas leiser, aber dafür nicht weniger kraftvoll. Zunächst ist sie Peymanns leidgeprüfte Sekretärin Christiane Schneider, später der Dramaturg Hermann Beil und Bernhard selber. Linnenberg spielt nicht halb so hochtourig, hinterlässt aber dennoch Eindruck.
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Und so echauffiert sich der Wiener Burgtheaterdirektor in dieser fröhlichen Beschimpfung nach allen Regeln der Kunst: Die Schauspieler, die vor seinem Büro warten, werden zu blökenden Schafen erklärt oder direkt auf einen „Einspänner“ (österreichisch für Kaffee) ins Café Landtmann neben dem Theater geschickt. „Mein Gott, war es doch schön in Bochum“, seufzt Peymann.
Infos und Spieltermine
„Claus Peymann kauft sich eine Hose und geht mit mir essen“ im Prinz-Regent-Theater, Prinz-Regent-Straße 50-60, dauert etwa eine Stunde und 40 Minuten (ohne Pause). Die nächsten Termine: 2. und 19. Oktober jeweils um 19.30 Uhr sowie am 10. November um 18 Uhr. Karten: 0234 77 11 17.
Die drei Mini-Dramen von Thomas Bernhard waren bislang nur ganz selten in Bochum zu sehen: Den ersten Teil inszenierte Hermann Beil im Jahr 1986 zum Abschiedsfest von Peymann aus dem Schauspielhaus.