Bochum-Langendreer. Um die Kunstschau „Guernica-Gaza“ im Bahnhof Langendreer gibt es heftigen Streit. Sind die Bilder antisemitisch? Der Bahnhof zieht die Notbremse.
Eine geplante Ausstellung im Bahnhof Langendreer in Bochum schlägt hohe Wellen. Unter dem Titel „Guernica-Gaza“ sollen dort ab Freitag Bilder des palästinensischen Künstlers Mohammed Al Hawajri zu sehen sein. Dagegen formiert sich Widerstand: Der jüdische Studierendenverband Bochum (GESH) unterstellt der Ausstellung, „erwiesen antisemitisch“ zu sein und fordert die Stadtverwaltung auf, die Durchführung zu verhindern.
Bahnhof Langendreer sagt umstrittene Ausstellung ab
In einer Stellungnahme distanziert sich Kulturdezernent Dietmar Dieckmann (SPD) von den Ausstellungsplänen: „Ich halte es für angemessen, diese Ausstellung nicht durchzuführen“, teilt er mit. Nach einer internen Beratung sagt der Bahnhof Langendreer die Werkschau des Künstlers kurz danach schließlich ab. Ein Grund: Sicherheitsbedenken.
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Der Bilderzyklus „Guernica Gaza“ des 48-jährigen Mohammed Al Hawajri, der in einem Flüchtlingslager in Gaza aufwuchs, sorgte bereits bei der Documenta 15 vor zwei Jahren in Kassel für Diskussionen. In mit Photoshop verfremdeten Collagen überarbeitet er darin bekannte Werke der Kunstgeschichte, etwa von Chagall und van Gogh, und verbindet sie mit Momentaufnahmen aus dem Gaza-Streifen.
Überarbeitung von Picassos Ölgemälde sorgt für Kritik
Für besondere Kritik sorgte seine Überarbeitung des weltberühmten Ölgemäldes „Guernica“, das Pablo Picasso 1937 als Reaktion auf der Zerstörung der gleichnamigen baskischen Stadt malte, die im Spanischen Bürgerkrieg von deutschen und italienischen Fliegertruppen bombardiert wurde. Kritiker unterstellen Al Hawajri, er würde in seiner Bearbeitung des Gemäldes israelische Streitkräfte mit Nazi-Truppen gleichsetzen.
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„In diesem Fall kann ‚Guernica-Gaza‘ als antisemitisches Werk gelten“, stellte ein Fachgremium im Abschlussbericht der Documenta 15 klar. Falls es sich herbei aber um eine „verallgemeinerte Stellungnahme gegen den Krieg“ handle, könne das Werk auch als „nicht unbedingt antisemitisch“ wahrgenommen werden.
„Wir erkennen in den Bildern keine explizit antisemitischen Andeutungen, sonst würden wir sie niemals zeigen.“
Ähnlich sieht dies der Bahnhof Langendreer: „Wir erkennen in den Bildern keine explizit antisemitischen Andeutungen, sonst würden wir sie niemals zeigen“, sagt Geschäftsführer Uwe Vorberg. Vielmehr wolle der Kulturbahnhof mit den Arbeiten Diskussionsräume öffnen, um den Menschen die Gelegenheit zu geben, sich mit dieser Thematik auch kontrovers auseinanderzusetzen. „Aber wenn wir damit nur das Gegenteil erreichen, müssen wir die ganze Sache überdenken.“
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Der Jüdische Studierendenverband hingegen hält die Ausstellung für „erwiesen antisemitisch“: „Bereits im Juli konnten wir gemeinsam mit anderen Akteuren das ‚Offene Palästina Treffen‘ verhindern“, heißt es in einer Mail an die Redaktion. „Nun befürchten wir, dass die neue Ausstellung ebenfalls judenfeindliche Elemente enthält und Vergleiche zwischen Gaza und Nazi-Deutschland zieht.“ An die Verantwortlichen in der Stadtverwaltung appellieren sie: „Geben Sie ein klares Signal gegen Antisemitismus in unserer geliebten Stadt Bochum.“
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Deutliche Kritik des Kulturdezernenten
Kulturdezernent Dietmar Dieckmann betont, dass er sich normalerweise nicht in die inhaltliche Gestaltung des Programms im Kulturbahnhof einmische: „Es steht außer Frage, dass der Bahnhof Langendreer gesellschaftspolitisch relevanten Diskursen Raum eröffnet“, sagt er. In diesem Fall sei das anders: „Es müsste Ihnen klar sein, dass diese Ausstellung antisemitischen Ressentiments Vorschub leistet“, so Dieckmann. Vor dem Hintergrund der Brisanz dieses Themas sei „eine solch einseitige Besetzung und Sichtweise auf das Thema Gaza völlig inakzeptabel“.
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Der Bahnhof Langendreer sagt die Ausstellung, die in Kooperation mit dem Arbeitskreis Palästina Bochum stattfinden sollte, am Nachmittag ab. „Die öffentliche Diskussion hat uns zu der Erkenntnis geführt, dass wir, statt Diskussionsräume zu öffnen, nur zu einer Erhärtung der Positionen beitragen würden“, heißt es. „Da dies nicht in unserem Interesse liegt und zudem Sicherheitsbedenken vorgetragen wurden, haben wir entschieden, die Veranstaltung nicht durchzuführen.“
Ausstellung stößt auf viel Kritik
Die mittlerweile abgesagte Ausstellung „Guernica-Gaza“ im Bahnhof Langendreer stößt über Parteigrenzen hinweg auf Kritik: „Diese Ausstellung ist mehr als kritisch zu sehen, und wir müssen in diesem Zusammenhang dringend über die städtische Förderung des Bahnhofes Langendreer sprechen“, erklärt Burkart Jentsch, Vorsitzender der SPD im Rat.
Die Bochumer Grünen missbilligen die Ausstellungspläne ebenfalls: „Der Bahnhof Langendreer hat sich bisher immer für Vielfalt eingesetzt“, sagt die Fraktionsvorsitzende Barbara Jessel. „Eine derartig einseitige Ausstellung passt nicht zu diesem Anspruch.“ Als „unzweifelhaft antisemitisch“ bewertet auch die FDP die Werke, die im Bahnhof gezeigt werden sollten.