Bochum-Wattenscheid. Viele Wattenscheider sind nicht fit genug. Die Stadt Bochum hat deshalb ein erfolgreiches Sportprogramm ins Leben gerufen. Doch das endet jetzt.

Jakob und die anderen Kinder sind voll fokussiert, hören gebannt den Anweisungen ihrer Trainer Marvin, Nico und Leon zu. Die erklären gerade, wie sich die Kids nach einem Sprung richtig abrollen. Parkour, der Trendsport, bei dem man ohne Hilfsmittel über Bänke, Geländer und Mauern springt, ist ja nicht ganz ungefährlich. Doch das schreckt die jungen Schüler nicht. Sie sind Feuer und Flamme und wollen das lernen, was sie bei den Parkour-Profis auf Youtube gesehen haben. Was sich hier jede Woche in einer Turnhalle in Bochum-Wattenscheid abspielt, ist ein schönes Beispiel für den Erfolg eines Fitnessprogramms, durch das ein ganzer Stadtteil flott gemacht werden soll.

„Schnell und cool“: Trendsport macht Bochumer Kids flott

Der Titel „Gesund durch Bewegung in Wattenscheid“ ist ein bisschen sperrig und klingt so gar nicht cool. Drum haben es die Wattenscheider einfach umbenannt in „Fit in WAT“. Das sei viel knackiger und werde dem Projekt auch gerechter, findet Britta Kuprat vom TV Kronenburg Wattenscheid, der ein Nutznießer der Sportoffensive in Wattenscheid ist. Speziell für den Bereich Mitte sollte etwas getan werden, als man 2019 an den Start ging. Denn hier waren die Sozialdaten besonders schlecht.

„Rund 30 Teilnehmer konnten wir mit dem Parkour-Angebot im Friedenspark am Ehrenmal anlocken. Etwa ein Drittel ist dabei geblieben.“

Hendrik Straub, Stadtsportbund

Seitdem arbeiten Stadt, Stadtsportbund, Hochschule für Gesundheit gemeinsam mit Schulen, Kitas und Vereinen daran, die Menschen in diesem Stadtbezirk zu mehr Bewegung zu animieren. Die Bilanz fällt positiv aus: „Es gibt 85 neue Kurse in Sportvereinen“, berichtet Hendrik Straub vom Stadtsportbund, „es gab 1200 Sportangebote mit 4700 Teilnehmern und 2100 Stunden Sport zusätzlich in Wattenscheid“.

Sportprogramm „Fit in WAT“ läuft nach fünf Jahren aus. Und nun?

„Fit in WAT“ gilt bei den Organisatoren daher als Erfolgsgeschichte. Allerdings eine, die jetzt bald zu Ende erzählt sein könnte. Denn das mit Fördermitteln bezuschusste Programm läuft im Oktober nach fünf Jahren aus. Ob und wie es weitergehen könnte, steht noch nicht fest. Von der Wattenscheider Politik ist es jedenfalls ausdrücklich gewünscht. Sonja Lohf von den Grünen bezeichnet das Projekt als „sinnvoll“ und hofft auch auf die Kämmerin, dass diese womöglich noch Geld im Haushalt locker machen kann. Der städtische Haushalt ist ja jetzt Thema in der nächsten Sitzung der Bezirksvertretung am Dienstag, 10, September, um 15 Uhr im Wattenscheider Rathaus.

„Der Bedarf ist da. Und es ist zwingend notwendig, etwas zu tun.“

Britta Kuprat, TV Kronenberg Wattenscheid

Hendrik Straub hält es ebenfalls für erstrebenswert, „Fit in WAT“ fortzuführen. Sonst werde es mit der Nachhaltigkeit vor Ort schwierig. „ Alle Sportvereine werden von Ehrenamtlern getragen und haben nicht die Möglichkeiten, allen gerecht zu werden. Oft fehlen die Übungsleiter.“ Diese habe man in den vergangenen fünf Jahren finanziert, um möglichst viele Ideen, die durch Aktionen angestoßen wurden, in die Vereine zu tragen.

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Im Idealfall bilden sich daraus neue Gruppen und Kurse. Wie zum Beispiel ein neues Mädchenfußball-Team. Oder eben die Parkour-Truppe beim TV Kronenburg. Rund 30 Teilnehmer habe man mit dem Parkour-Angebot im Friedenspark am Ehrenmal angelockt. „Etwa ein Drittel ist dabei geblieben“, freut sich Straub über dieses positive Beispiel.

Hendrik Straub (Stadtsportbund Bochum) und Britta Kuprat vom TV Kronenberg Wattenscheid freuen sich über den Erfolg des Projektes „Fit in WAT“.
Hendrik Straub (Stadtsportbund Bochum) und Britta Kuprat vom TV Kronenberg Wattenscheid freuen sich über den Erfolg des Projektes „Fit in WAT“. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Inzwischen gibt es im TVK sogar zwei Kurse, in der dieser Trendsport erlernt werden kann, berichtet Oberturnwartin Britta Kuprat, die auch für die Jugend verantwortlich ist. Sie bedaure sehr, dass das Programm „Fit in WAT“ auslaufe. Zusätzliche Angebote seien so wichtig. „Der Bedarf ist ja da. Und es ist zwingend notwendig, etwas zu tun.“ Gerade in Wattenscheid-Mitte gebe es „viele nicht so aktive Eltern, die auf die Vereine zugehen“.

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Ihr gehe das Herz auf, wenn sie Kinder beim Parkour-Training beobachte. „Wenn ich sehe, wie viel Spaß die an Bewegung haben.“ Sport sei so wichtig. Aber mindestens ebenso, Vereinsleben und Gemeinschaft kennenzulernen. Das sieht auch Desirée Abeler so, die sich das Training mit ihrem Sohn Jakob (9) ansieht. „Wir haben eine Sportart für ihn gesucht und an Parkour scheint er Spaß zu haben.“ Sie hoffe, dass er hier seinen Bewegungsdrang ausleben könne und dann auch „zu Hause über Tische und Bänke springt“.

Jakob (9) und Trainer Niko über in der Turnhalle der Grundschule Westenfeld in Bochum-Wattenscheid eine Parkour-Rolle.
Jakob (9) und Trainer Niko über in der Turnhalle der Grundschule Westenfeld in Bochum-Wattenscheid eine Parkour-Rolle. © FUNKE Foto Services | Socrates Tassos

Ob die Parkour-Kinder wissen, wie ihr Kurs zustande kam? Wohl kaum. Sie finden es „cool, Sprünge zu lernen“, sagt Antony (9). Max (10) freut sich, so demnächst „schneller und cooler vorwärtszukommen“. Und Amrei (10) möchte einen Salto lernen, „so wie ich sie auf Youtube gesehen habe“. Dass das Ganze aus dem Projekt „Gesund durch Bewegung in Wattenscheid“ entstanden ist, ist ihnen wahrscheinlich ziemlich wurscht. Das beschäftigt auch eher die Großen.

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Wie Hendrik Straub vom Stadtsportbund, der optimistisch ist, dass es vielleicht auch in Zukunft noch zusätzliche Sportangebote für Wattenscheid geben wird. „Wir sind da schon in guten Gesprächen, auch mit der Politik.“ Ihm schwebt vor allem eine feste Anlaufstelle vor, ein Projektbüro und eine 20-Stunden-Stelle. „Der persönliche Kontakt ist sehr wichtig.“

Übungsleiter gesucht

Sowohl der TV Kronenburg Wattenscheid als auch der Stadtsportbund Bochum suchen Übungsleiter und Ehrenamtliche, die sich engagieren und Sportangebote leiten möchten.

Kontakt: britta.kuprat@tvk-wattenscheid.de und info@sport-in-bochum.de .