Bochum. Das war clever: Ein Bochumer Unternehmer hat Telefonbetrüger reingelegt. Ein Täter wurde festgenommen. Seine Strafe ärgert den pfiffigen Bürger.
„Nicole!?“ – Mit diesem Ausruf begann ein Telefonat, das der Bochumer Unternehmer Martin Ernst (57) wohl nie in seinem Leben vergessen wird. Der Ausruf stammt von ihm selbst, und am anderen Ende der Leitung waren hochkriminelle Betrüger, „falsche Polizisten“. Ernst hatte sie im Laufe des Telefonates geschickt hereingelegt und so verhindert, dass sie viel Geld erbeuteten. „War ‘ne coole Aktion“, sagt Ernst im Rückblick.
Dank seiner Hellhörigkeit und Cleverness konnte einer der Täter jetzt vom Amtsgericht verurteilt werden.
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Das Drama ereignete sich am Mittag des 17. Februar 2023 an der Poststraße in Bochum-Hofstede. Ernst war gerade zu Besuch bei seiner 83-jährigen Mutter. Das Festnetztelefon klingelte. Der Sohn nahm ab. „Eine Frau hat ins Telefon geheult. Da machte es bei mir Klick. Man liest das ja oft in der Zeitung“, sagte er der WAZ.
Lüge: Bei einem Unfall soll Anruferin einen Menschen totgefahren haben
Ernst dachte genau richtig: Falsche Polizisten wollte seine Mutter mit einer Lügengeschichte abzocken. Die Anruferin gab sich als die Nichte der Seniorin aus und erzählte, dass sie einen Verkehrsunfall verursacht habe, bei dem ein Mensch getötet worden sei. Nun sitze sie in U-Haft. Blitzschnell wählte Ernst mit dem Ausruf „Nicole“ einen frei erfundenen Mädchennamen und stieg damit in die Betrugsmasche ein, um den Tätern eine Falle zu stellen.
Nach der Heulerei übernahmen eine angebliche Polizistin und ein angeblicher Staatsanwalt das Telefon; sie forderten eine Kaution, andernfalls komme die Nichte nicht frei. „Die wollten 150.000 Euro von mir.“
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Um sich weiter als mögliches Opfer zu tarnen, veränderte Ernst seine Stimme so, als sei er ein viel älterer Mann. „Ich habe immer ein bisschen auf alt und düddelig gemacht.“ Zum Schein ging er auf die Forderung ein, erklärte aber, dass er nur 49.000 Euro habe. Er könne aber noch ein paar Goldbarren dabei legen. „Dann gingen sie steil“, erinnert sich der 57-Jährige und meint damit, dass die Täter immer neugieriger wurden. „Die waren so geldgeil.“
„ Eigentlich könnte ich Schauspieler sein. Irgendwann habe ich mir selber geglaubt.“
Mehr als zwei Stunden dauerte die Verhandlung am Telefon. „Das war echt zermürbend.“ Mehrfach wurde das zähe Gespräch unterbrochen, weil Ernst auflegte, um Nachfragen der Täter zu den eingravierten Zahlen auf den vermeintlichen Goldbarren beantworten zu können. Er googelte im Internet, was so alles auf Goldbarren steht und gab dies als eigenes Wissen aus. „Ich bin auf das Spiel eingegangen und habe den Spieß umgedreht. Eigentlich könnte ich Schauspieler sein. Irgendwann habe ich mir selber geglaubt.“
Polizist: „Es ist unglaublich und man ist irgendwie sprachlos“
Schon seit sehr vielen Jahren versuchen es Telefon-Betrüger immer wieder: Vor allem gegenüber älteren Menschen geben sie sich als echte Polizisten aus und zocken dann mit zahlreichen Tricks die Ersparnisse ab.
„Es ist einfach unglaublich und man ist irgendwie sprachlos“, sagte ein Polizeisprecher, der regelmäßig solche Fälle auf den Tisch bekam, einmal in einem WAZ-Interview vor vielen Jahren. „Das schauspielerische Talent dieser Trickbetrüger ist so ausgereift, dass keiner von uns glauben soll, nicht auch auf diese kriminellen Maschen reinfallen zu können.“
Manchmal beträgt die Beute mehrere Zehntausend Euro. Die Polizei erfragt aber die Vermögensverhältnisse nicht – weder per Telefon noch an der Haus- oder der Wohnungstür. Die Bürger sollten unbekannten Personen keine Auskünfte über ihre Vermögensverhältnisse oder andere sensible Daten geben. Und ihnen auch nicht die Haus- oder Wohnungstür öffnen.
Die Polizei rät: Wenn ein Anrufer einen verdächtigen Eindruck macht, sofort auflegen und den Notruf 110 wählen.
Die von Gold und Geld geblendeten Täter durchschauten Ernst nicht. Sie verlangten, dass er die Beute in einem Karton vor die Haustür an der Straße stelle, jemand würde sie dann dort abholen. Ernst gab zwar die Poststraße an, aber eine ganz falsche Hausnummer. Tatsächlich erschien dort ein junger Mann per Taxi und schaute sich an der genannten Adresse um. Er merkte jedoch, dass da etwas nicht stimmt, zumal kein Karton vor der Tür lag. Gleichzeitig hatte Ernst die Polizei alarmiert und steuerte die Beamten von seinem Handy aus auf die Spur des Täters, der in Richtung Dorstener Straße/Hannibal-Center in eine Straßenbahn flüchtete. Drei Zivilbeamte versperrten der Bahn mit ihrem Auto die Weiterfahrt und holten den gescheiterten Betrüger aus der Bahn.
Bei der Festnahme warf er sein Handy weg, es konnte aber sichergestellt werden.
Vor einigen Tagen stand der bisher nicht vorbestrafte Mann, ein 25-jähriger Bochumer, vor Gericht. Er war geständig. Die Strafe: ein Jahr Haft auf Bewährung wegen versuchten Betruges. Eine mitangeklagte, erheblich vorbestrafte Frau (41) aus Krefeld, laut Anklage die Auftraggeberin, wurde mangels Beweisen freigesprochen.
Ernst ist über das Urteil sehr unglücklich. „Lächerlich, ich bin mehr als enttäuscht. Kuscheljustiz. So ein Täter hat keine Bewährung verdient.“ Solche Leute, sagt er, „machen die Seele der Menschen kaputt.“ Der Schaden solcher Taten liege nicht nur beim Geld.