Bochum. Das DRK Bochum verpflichtet Beschäftigte, die kurzfristig erkranken, zu Gesprächen mit der Geschäftsführung. Gewerkschaft Verdi ist entrüstet.

Der August hat im Haus der Generationen „An der Holtbrügge“ in Bochum-Weitmar, einer Pflegeeinrichtung des Deutschen Roten Kreuzes (DRK) Bochum, mit einem Paukenschlag begonnen. Eine Dienstanweisung verpflichtet die 245 Beschäftigten aus den Bereichen Pflege, Sozialer Dienst, Hauswirtschaft, Haustechnik und Verwaltung dazu, nach einer kurzfristigen Erkrankung rund um Wochenenden, Urlaube, Feiertage und/oder arbeitsfreie Tage zu einem Gespräch mit dem Vorstand.

DRK Bochum verpflichtet genesene Mitarbeiter zum Gespräch

Mit „Dienstanweisung Krankenrückkehrgespräche“ ist das von DRK-Geschäftsführer Swen Framenau unterzeichnete Papier überschrieben. Es liegt der WAZ-Redaktion vor.

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„Ist das überhaupt arbeitsrechtlich okay oder nicht?“, fragt sich ein WAZ-Leser, der sich mit der Redaktion in Verbindung gesetzt hat. Er vermutet, mit der Anweisung soll „psychologischer Druck auf die Belegschaft“ ausgeübt werden. Im Haus der Generationen gibt es nach Angaben des DRK 250 Beschäftigte.

Gewerkschaft spricht von Misstrauen gegenüber Beschäftigten

Bei der Gewerkschaft Verdi ist der Eindruck ein ähnlicher: „Das drückt nur Misstrauen gegenüber den Beschäftigten aus“, sagt Agnes Palloks. Die Gewerkschaftssekretärin ist empört über das Papier, das nach Einschätzung der Verdi-Rechtsexperten null und nichtig sei. Palloks: „Das DRK setzt sich damit über die Mitbestimmungspflicht hinweg. Das ist eine Unverfrorenheit.“

„Diesen Vorwurf weisen wir aufs schärfste zurück“, kontert das DRK. Vielmehr nehme sich der Arbeitgeber auf „höchster Ebene Zeit, um mit den Mitarbeitern ins Gespräch zu kommen“. Dabei gehe es „um die individuellen, persönlichen Belange der Arbeitnehmer, um Zuhören, um Verstehen und darum, über mögliche Verbesserungen zu sprechen. Mehr Vertrauen in die Mitarbeiterschaft geht nicht.“ Ohne Ausnahme seien alle Mitarbeitenden mit einem positiven Gefühl aus den Gesprächen gekommen.

Betriebsrat unterstützt offenbar den DRK-Vorstand

Der Betriebsrat unterstütze die Idee. Auch wenn die Dienstanweisung besagt, dass seine Beteiligung an Gesprächen nicht vorgesehen und nur in Einzelfällen möglich sei. Beschäftigte, „die aufgrund kurzfristiger Erkrankung unmittelbar vor, während oder nach einem Wochenende oder einem Feiertag sowie unmittelbar vor, während oder nach ihrem Urlaub krankheitsbedingt ausfallen“, müssen sich in ihrer ersten Arbeitswoche nach der Genesung zu einem Gespräch mit dem Vorstand „einfinden“, heißt es. Und: Dem DRK gehe es um „Sicherstellung der Einsatzfähigkeit, Erforschung und Behebung betrieblicher Krankheitsursachen, Förderung des gesundheitsbewussten Verhaltens der Mitarbeiter“.

Unterschiedliche Rechtsauffassung von DRK und Verdi

Möglicherweise spielt eine unterschiedliche arbeitsrechtliche Auffassung eine Rolle in dem Konflikt. Verdi argumentiert: Unternehmen, in denen es einen Betriebsrat gibt, müssten Regelungen wie Gespräche über Fehlzeiten mit dem Betriebsrat absprechen bzw. Maßnahmen gemeinsam beschließen. „Dann wäre es eine Dienstvereinbarung“, so Palloks. Davon könne im vorliegenden Fall aber keine Rede sein.

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Auf Anfrage der WAZ an den Betriebsrat hieß es, dieser kenne das Papier. Weitere Auskünfte gab er nicht. Das DRK bietet derweil ein gemeinsames Gespräch mit Vorstand und Betriebsrat an und verweist ansonsten darauf, dass eine „Betriebsvereinbarung mit gleichem Inhalt“ bereits in Vorbereitung sei. Diese werde die Dienstanweisung ablösen. Und: „Selbstverständlich gab es im Vorfeld Gespräche und Abstimmungen. Betriebsrat und Arbeitgeber sind sich zudem einig, dass die bisherigen Gespräche ein Erfolg sind und von den betroffenen Mitarbeitern sehr positiv aufgenommen wurden.“

Krankheitsquote liegt in einigen Bereichen über 20 Prozent

Ob wirtschaftliche Gründe beim DRK eine Rolle gespielt haben, die Krankenrückkehrgespräche einzuführen, ist nicht bekannt. Allerdings sagt Gewerkschaftssekretärin Palloks: „Angesichts der Refinanzierungslage, die wir momentan haben, ist es unfassbar schwierig, ein Pflegeheim in den schwarzen Zahlen zu behalten.“ Die Krankenquote sei angesichts von Personalmangel und großer Arbeitsbelastung in vielen Pflegeeinrichtungen sehr hoch.

Im Bundesdurchschnitt liege diese in der Pflege bei etwa neun Prozent, so Christian Seibel, Pressesprecher des DRK Bochum. „Leider mussten wir der Krankheitsstatistik entnehmen, dass die Krankheitsausfälle im Haus der Generationen weit über dem Bundesdurchschnitt der Krankheitsquote in der Pflege liegen und sich an bestimmten Tagen häufen.“ Die Krankheitsquote liege im Haus der Generationen in einigen Bereichen über 20 Prozent.

„Diese hohen Krankenstände stellen nicht nur für die Erkrankten, sondern auch für alle anderen eine erhebliche Belastung dar“, so das DRK. Es sehe sich in der Pflicht, herauszufinden, woran das liege. Und: Der geschützte Rahmen, in dem die Gespräche stattfinden, ermöglicht den Arbeitnehmern frei zu berichten. „Diese Möglichkeit hat bereits eine überraschend große Anzahl Mitarbeiter wahrgenommen.“

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