Bochum-Hamme. Atlantis-Megamax in Bochum war früher sehr gut besucht, heute kommen kaum noch Kunden. Deshalb ist zum Jahresende endgültig Schluss.
Wie sich das Leben durch das Internet verändert hat, sieht man kaum besser als an Videotheken. In den 80er und 90er Jahren gab es sie an beinahe jeder Straßenecke. Man kam, suchte sich einen Film auf Videokassette (später DVD und Bluray) aus, hatte zu Hause auf der Couch einen schönen Abend – und brachte den Film am nächsten Tag pflichtschuldig wieder zurück. Ein todsicheres Geschäftsmodell, bis die Streamingdienste kamen und einer ganzen Branche den Dolchstoß versetzten.
Bochums letzte Videothek hat etwa 50.000 Filme und Spiele
Heute gibt es in Bochum nur noch eine einzige Videothek: Atlantis-Megamax (ehemals Videobuster) befindet sich an der Herner Straße 150. Allerdings nicht mehr lange. Ende des Jahres ist Schluss. Inmitten von grob geschätzten 50.000 Filmen und Computerspielen, die es hier zum Leihen und Kaufen gibt, steht Geschäftsführer Wolfgang Mohrlang (75) und erinnert sich an goldene Jahre.
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Denn für Filmfreunde weit über Bochum hinaus war Atlantis über Jahrzehnte ein klingender Name: „Zur Blütezeit hatten wir über 30 Läden mit 400 Mitarbeitern in ganz NRW, davon allein fünf Filialen in Bochum“, erzählt er. Viele erinnern sich auch an Medion neben dem Hauptbahnhof, wo teilweise 24 Stunden am Tag geöffnet war. Später wurde der Laden von Atlantis-Megamax übernommen.
Vor allem die Einführung der DVD, die Mitte/Ende der 90er Jahre die schwerfällige Videokassette ablöste, bescherte den Videotheken ihre Glanzzeit. „Die Scheiben waren anfangs sündhaft teuer“, sagt Mohrlang. „30 bis 40 Mark für eine DVD waren keine Seltenheit.“ Statt dafür tief in die Tasche greifen zu müssen, gingen viele lieber in die Videothek ihres Vertrauens, was den Atlantis-Filialen in Bochum an gut besuchten Wochenenden etwa 1300 bis 1500 neugierige Kunden bescherte.
„Wer mehrere Streamingdienste im Abo hat, bezahlt dafür mehr, als wenn er die Filme bei uns leiht.“
Heute sind es höchstens noch 150 Kunden, die an einem Freitag oder Samstag den Weg in die Videothek finden – und das hat natürlich einen Grund. Denn seit Streamingdienste wie Netflix, Amazon Prime und Disney+ wie Pilze aus dem Boden schossen, hat das Interesse am DVD-Verleih kolossal nachgelassen. „Das war zunächst halb so wild, weil das Angebot etwa bei Netflix deutlich schlechter war als unseres“, so Mohrlang. Noch heute hat die Bochumer Videothek wesentlich mehr Filme im Repertoire als jeder Streamingdienst. Doch dazu kam ein zweites Problem: „Die Menschen wurden bequem.“
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Mit Corona begann das große Videotheken-Sterben
Denn klar ist es einfacher, den gewünschten Film abends per Knopfdruck auf dem Fernsehschirm zu starten, statt dafür zweimal zur Videothek gurken zu müssen. Dabei rechne sich das preislich gar nicht, meint der Geschäftsführer: „Wer mehrere Streamingdienste im Abo hat, bezahlt dafür unterm Strich mehr, als wenn er die Filme bei uns leiht.“ So zahlt man bei Atlantis-Megamax pro Film vier Euro für zwei Tage, doch es gibt auch günstigere Paketpreise (etwa sieben Filme für eine Woche für zehn bis 15 Euro).
Mit Beginn der Corona-Pandemie wurde die Lage dann endgültig bitter: „Corona hat uns das Genick gebrochen“, sagt Mohrlang. Wochenlang waren seine Läden geschlossen – und die Kunden entdeckten endgültig den Reiz des heimischen Streamings. Schon 2013 begann Mohrlang damit, einige Filialen zu schließen, heute besteht tatsächlich nur noch eine einzige.
Zukunft der Videothek ist offen
Wie lange an der Herner Straße noch Filme ausgeliehen und gebraucht gekauft werden können, war zuletzt offen: „Wir denken gerade darüber nach, wie es hier weitergeht und wie lange sich das überhaupt noch lohnt“, sagte Mohrlang noch vor einem Monat. Nun teilt er mit, dass er Ende 2024 auch diese letzte Videothek schließen wird.
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Bis dahin können Kunden wie Hans Decker noch in aller Seelenruhe die zahlreichen Angebotstische im Laden durchstöbern: „Ich leihe hier eigentlich nie etwas, dafür kaufe ich die Filme lieber für kleines Geld“, erzählt er. Seine Wahl fällt auf die Komödie „Bella Martha“ und den Thriller „Inside Man“: „Für 1,99 Euro pro Film. Wo gibt es das noch?“