Wattenscheid. Viele Eisdielen erhöhen ihre Preise regelmäßig. Das Eiscafé Adria in Wattenscheid geht einen anderen Weg. Bei einigen Kunden sorgt das für Ärger.
„Die Menschen geben weniger Geld aus, das merken wir sehr“, erklärt Marco Polentarutti, der Gastronom, der das Eiscafé „Adria“ in Bochum-Höntrop gemeinsam mit seiner Frau Candida leitet. Fast fünfzig Prozent weniger Gewinn macht der Eiswirt im Vergleich zu der Zeit vor der Covid-19-Pandemie.Gleichzeitig kämpft das Paar mit immer weiter steigenden Kosten: Personal, Lebensmittel, Lieferkosten, alles wird teurer. Deshalb gilt in seinem Laden jetzt Selbstbedienung.
Während viele seiner Kollegen einfach den Preis für ihr Eis anheben und von ihren Kunden jetzt vielerorts zwei Euro pro Kugel oder mehr verlangen, sieht Polentarutti darin nicht die Lösung. Schon jetzt seien viele seiner Kunden viel zurückhaltender beim Eiskonsum als früher: „Viele Familien kaufen jetzt nur noch eine Kugel pro Person. Das ist schon ein Problem für uns“, sagt er.
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Bei anderen sei der Unterschied zu früher noch auffälliger: „Wir haben inzwischen immer wieder Eltern bei uns, die nur noch für ihre Kinder eine Kugel kaufen, selbst aber gar kein Eis mehr hier essen.“ Woran das liegen könnte? Dafür hat Polentarutti gleich mehrere Ideen: „Die Leute wollen sparen. Sie wollen in den Urlaub und Kurztrips machen.“
Eiskugel-Preis: „Wenn ich den Preis anhebe, dann verliere ich weitere Kunden“
Seit der Pandemie hätten sich außerdem die Lebensweisen vieler Menschen verändert. „Früher sind viele Menschen auch abends noch einmal rausgegangen und zu uns gekommen.“ Das Eiscafé hätte dabei auch als sozialer Treffpunkt und die Kugel Eis als kleine Auszeit vom Alltag fungiert, erklärt der Gastronom. Die vergangenen Jahre sei das deutlich weniger geworden. „Sehr viele Menschen haben während der Pandemie irgendwann Streamingdienste abonniert und sich auch daran gewöhnt, abends nichts mehr zu unternehmen.“
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Noch hinzu komme das unberechenbare Wetter, dass dem Wirten schon im vergangenen Jahr zu schaffen machte. Und die EM, die die Menschen aus den Vierteln in die Innenstädte ziehe.
Die Bereitschaft, für so etwas wie eine Kugel Eis Geld auszugeben, ist in Marco Polentuttis Augen also insgesamt gesunken. „Wenn ich jetzt auch noch den Preis anhebe, dann verliere ich weitere Kunden“, fürchtet er. Und andere kämen dann, da ist er sich sicher, zumindest deutlich seltener.
Aus Liebe zum Job: Wattenscheider Eiswirt sucht neue Wege
„Von irgendetwas muss ich meine Mitarbeiter und Rechnungen bezahlen. Und meine Familie will ich ja auch ernähren.“ Die Gewinneinbußen einfach hinzunehmen, ist daher nicht wirklich eine Option. Aufgeben aber auch nicht: „Ich liebe meinen Job. Deshalb bleibe ich optimistisch.“
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Stattdessen setzt Polentutti jetzt eben auf Selbstbedienung: Wer etwas essen oder trinken will, muss zur Theke kommen. Dort nimmt das Personal die Bestellung dann auf und bereitet sie zu. Dadurch braucht Polentarutti weniger Angestellte. Das für ihn der beste Weg, um mit seinem Laden „zu überleben, bis es eine bessere Lösung gibt“.
Mit der Selbstbedienung schindet er Zeit, während er sich nach anderen Lösungen umsieht und schaut, was in der Branche passiert. Eisautomaten seien beispielsweise ein neuer Trend, günstig allerdings auch nicht gerade: Fünfstellige Summen zahle man derzeit für einen gescheiten Automaten.
Bei der Selbstbedienung kommt das Eiscafé Adria seinen Kunden entgegen
Außer dem Kostenpunkt sei aber auch die Bereitschaft der Cafégäste, neue Wege zu gehen, eine Herausforderung. „Es geht nicht beides“, meint Polentarutti, also den Service und den Preis auf demselben Niveau zu halten, wie früher. „Durch die Selbstbedienung habe ich auch Kunden verloren.“ Angefangen hat er damit während der Corona-Pandemie. Damals habe es wenig Kritik an dem Konzept gegeben. Erst als es auch nach den Lockerungen so blieb, seien die Beschwerden lauter geworden – aber auch nicht in allen Altersgruppen.
„Die jungen Menschen haben überhaupt kein Problem damit. Von den älteren Kunden viele auch nicht“, erklärt der Eiswirt. Aber gerade unter den Menschen, die zwischen 35 und 45 Jahre alt seien, komme die Selbstbedienung nicht besonders gut an.
„Mit dieser Situation müssen wir leben. Aber wir kommen den Leuten ja auch entgegen.“ Wer nicht mehr gut gehen kann und im Rollstuhl sitzt oder eine Gehhilfe braucht, kann auch einfach bis zur Tür kommen. Dort nimmt das Personal dann auch Bestellungen an.
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