Bochum. Ehrenamtliche sehen Bedarf, rasch Begegnungsmöglichkeiten für Flüchtlinge aus der Ukraine zu schaffen. Sie rufen Akteure in den Stadtteilen auf.

In der Ukraine herrscht Krieg: Mehr als 2.8 Millionen Menschen haben das Land laut dem internationalen Flüchtlingshilfswerk UNHCR bereits verlassen. Knapp 150.000 davon sind in Deutschland registriert worden, auch in Bochum kommen täglich ukrainische Flüchtlinge an. Ein Großteil von ihnen ist bislang in privaten Unterkünften, etwa bei Verwandten oder Bekannten, untergekommen. 

Belastungsprobe für Bochumer Ehrenamtler

"Die Hilfsbereitschaft derjenigen, die Flüchtlinge in ihrer Privatunterkunft aufnehmen, ist sehr ehrenhaft. Allerdings kann man dabei schnell an seine Grenzen stoßen", sagt Bernd Vössing, der seit Jahren in der Bochumer Flüchtlingshilfe aktiv ist und beispielsweise das "Netzwerk Wohlfahrtstraße" initiiert hat. Die Herausforderungen lägen sowohl im sprachlichen als auch im emotionalen Bereich.

"Die Menschen kommen mit unverarbeiteten Eindrücken. Die Bochumer, die Unterkünfte anbieten, können durch die Schilderungen schnell überfordert sein", fürchtet er. Weinende Mütter im Zimmer nebenan zu hören, das Trauma der Menschen zu sehen und zu spüren - das sorge für Entsetzen. 

Räume zum Austausch schaffen

Das kann auch Andreas Stiewe, Supervisor von ehrenamtlich Tätigen in der Flüchtlingsarbeit, bestätigen. Er hilft aktuell den Menschen, die am Bochumer Hauptbahnhof ankommen. "Ich weiß von Familien, in denen die ukrainischen Frauen mit ihren Männern telefonieren, die gerade im Bombenhagel stehen", berichtet er. 

Stiewe und Vössing sind sich deshalb sicher: Es braucht Räume zum Austausch - und zwar schnell. "In allen Stadtteilen müssen schnell Begegnungsmöglichkeiten geschaffen werden, damit Flüchtlinge ihr Erlebtes, die aktuelle Lage und ihre Sorgen miteinander, verarbeiten können", sagt Vössing. Bei diesen Treffen könnten dann weitere Hilfen und Strukturen vor Ort übersetzt und kommuniziert werden.

Begleitet durch Dolmetscher

Stiewe sagt: "Es ist auch für die Familien, die die Unterkunft stellen, entlastend, wenn es für die Flüchtlinge Ausweichorte zum Aufhalten gibt." Dort müsse es im Idealfall auch Verpflegung geben. Stiewe hält es für sinnvoll, wenn die Austauschräume von deutsch-russisch oder deutsch-ukrainisch sprechenden Menschen begleitet würden. "Die Menschen brauchen jetzt eine klare und eindeutige Kommunikation. Sonst entstehen Gerüchte und Flurfunk", sagt er.

Die Räumlichkeiten könnten aus Sicht der lokalen Akteure der Flüchtlingshilfe in Gemeinden, Vereinen, Initiativen oder Institutionen angeboten werden. "Begegnungen mit der Nachbarschaft können dann in weiteren Stufen angeboten werden", sagt Vössing.

Netzwerke reaktivieren sich

Die Netzwerke, die bereits 2015 und 2016 gegründet wurden, reaktivieren sich gerade. Dazu zählen beispielsweise das Netzwerk "Hamme Hilft!", das "Netzwerk Langendreer" oder das "Netzwerk Willkommen in Laer". "Damals kamen aber viele Menschen in Sammelunterkünften unter, darüber bestand Kontakt zu anderen Flüchtlingen", erinnert Vössing.

Auch Aktivistin Judith Büthe, die mit dem Verein "Kollektiv" jüngst einen Bus nach Krakau schickte, um dort 60 Flüchtlinge aus der Ukraine abzuholen, sagt: "Wir dürfen uns nicht nur um das ganze Organisatorische und Behördliche kümmern, sondern auch um die Menschen, die herkommen."

Initiativen miteinander koppeln

Am effektivsten funktionieren die verschiedenen Netzwerke, wenn sie ineinandergriffen. "Städtische und ehrenamtliche Initiativen müssen zusammenarbeiten", sagt sie. Zwar sieht auch Büthe Vorteile darin, wenn die Begegnungsstätten von Dolmetschern begleitet oder psychologisch betreut werden, sagt aber auch: "Oft geht es um den Wunsch, in der eigenen Community Anschluss zu finden und zur Ruhe zu kommen."

Dafür brauche es nicht immer ein "beobachtendes Auge". Büthe sagt: "Wertvoll ist eine Umgebung, in der die Menschen das Gefühl haben: Hier muss ich mich nicht erklären. Die anderen wissen, was mir passiert ist." 

Kontaktmöglichkeiten 

Wer einen Raum zum Austausch für Flüchtlinge zur Verfügung stellen möchte, kann sich an die Akteure der Flüchtlingshilfe im Stadtteil wenden. Gebündelt sind sie unter: www.fluechtlingshilfe-bochum.de.

Außerdem gibt es eine Hotline der Bochumer Ehrenamtsagentur. Die Servicestelle koordiniert Hilfsangebote. Erreichbar: Montag bis Freitag (10 bis 16 Uhr), 0234 - 95 70 99 49. Per Mail: spontanhilfe@bochum.de.