Bochum. In Bochum begrüßen Freiwillige am Hauptbahnhof Flüchtlinge aus der Ukraine und helfen. Ihr Vorwurf: Eigentlich müsste die Stadt das leisten.

Einige hundert Menschen aus der Ukraine sind mittlerweile nach Bochum gekommen – mit dem Auto, mit dem Bus und viele auch mit dem Zug. Wer am Hauptbahnhof ankommt und dort nicht von Angehörigen empfangen wird, erhält Hilfe von der Bahnhofsmission und von Freiwilligen, die seit Freitag in der Eingangshalle fast rund um die Uhr einen Infopoint unterhalten und die spätestens nach 17 Uhr, wenn die Bahnhofsmission nicht mehr besetzt ist, hier die erste Anlaufstelle für die Flüchtlinge sind.

Ankömmlinge am Bahnhof werden versorgt und informiert

Jennifer Ganster (29) steht an diesem Montagnachmittag gemeinsam mit einigen Mitstreitern an dem Tisch von „Bochum Solidarisch“ unter der großen Infotafel. Kaffee, Wasserflaschen, Obst und Snacks stehen auf dem Tisch, an einer Säule hängen Infos in ukrainischer Sprache. Von dort werden Ankömmlinge zur Zentralen Aufnahmestelle des Landes (LEA) am Gersteinring oder zur Harpener Feld begleitet, wo die Stadt ihre zentrale Aufnahmestation unterhält.

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Willkommen in Bochum. Jennifer Ganster gehört zu den vielen Ehrenamtlichen, die Flüchtlinge aus der Ukraine begrüßen und ihnen nach der Ankunft am Hauptbahnhof weiterhelfen.
Willkommen in Bochum. Jennifer Ganster gehört zu den vielen Ehrenamtlichen, die Flüchtlinge aus der Ukraine begrüßen und ihnen nach der Ankunft am Hauptbahnhof weiterhelfen. © FUNKE Foto Services | Dietmar Wäsche

Am Tisch sitzt der 14-jährige Egor. Gemeinsam mit seinem Vater ist er hier, um zu übersetzen, wenn Ankömmlinge nur Ukrainisch oder Russisch sprechen. Fast ihre ganze Familie hat Unterschlupf in der Wohnung von Jennifers Freund gefunden, der wiederum zu seiner Freundin gezogen ist und vorerst seine Wohnung zur Verfügung stellt. „Die Deutschen sind so freundlich und hilfsbereit zu uns. „Dafür möchten wir uns bedanken und gerne ein bisschen mithelfen, so gut es geht“, sagt Eduard, der leidlich Englisch spricht. Der Ukrainer ist vor gut einer Woche mit seiner Frau und drei von vier Söhnen geflohen. Sie kommen aus Dnipro, einer Millionenstadt im Osten der Ukraine. Und sie sind froh, hier Hilfe zu finden.

Mehr als 200 Freiwillige engagieren sich bereits

Einige Dutzend Menschen aus der Ukraine kommen täglich am Hauptbahnhof an, erzählen Jennifer und Hannah Melies (22) von der Bahnhofsmission. Und am Samstag seien es besonders viele gewesen, berichtet Felix, einer der Initiatoren der Hilfsaktion. Mehr als 200 Menschen gehören mittlerweile der Telegram-Gruppe an, die er gegründet hat und in der freiwillige Helfer ihre Dienste anbieten können. Es geht darum, den Stand zu besetzen, Auskünfte zu geben, einfach da zu sein. Die Deutsche Bahn würde helfen, heißt es. Und die Bogestra sei auf dem Bahnhofsvorplatz mit eigens abgestelltem Personal da.

In Schichten sei es bislang gelungen, den Infopoint mit den Freiwilligen zu organisieren. „Es wäre schön, wenn sich noch mehr Menschen melden würden, die Ukrainisch oder Russisch sprechen“, sagt Jennifer Ganster. „Aber eigentlich müsste die Stadt eine solche Anlaufstelle anbieten und mit Personal vertreten sein“, sagen Felix und Sven, auch er gehört zu den Organisatoren.

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Solidarität darf nicht in Diskriminierung umschlagen

„Die Solidarität mit der Ukraine ist auch in Bochum erfreulich groß. Das zivile Engagement äußert sich nicht nur in Demonstrationen, sondern auch in Spenden für die Menschen aus und in der Ukraine“, so Carsten Bachert, Ratsmitglied der Stadtgestalter.

Er mahnt aber auch, dass die herzliche Solidarität nicht in Diskriminierung der russischstämmigen Menschen umschlagen dürfe.

„Russinnen und Russen, die in Bochum leben, gehören zu unserer gemeinsamen zivilen Stadtgesellschaft. Sie können, wie wir alle hier vor Ort, nichts für die verbrecherische Entscheidung des Putin-Regimes zum Überfall auf die Ukraine,“ so Bachert.

Einige Flüchtlinge wüssten zwar, dass sie sich bei der LEA melden können. Aber sie wüssten nicht, wie sie dorthin kommen. Wer spät abends oder nachts am Hauptbahnhof ankommt, hätte überhaupt keinen Ansprechpartner und keine Unterkunft. Berichtet wird von vielen Problemen, die die Ehrenamtlichen nicht mal so eben lösen können. Von der jungen Ukrainerin etwa; die schon länger in Bochum wohnt, aber nur ein kleines Zimmer hat und daher ihre vor kurzem angekommenen Eltern nicht aufnehmen kann. Am Harpener Feld seien sie nach 18 Uhr nicht mehr aufgenommen worden, in der LEA drohten sie nach der Registrierung irgendwohin in NRW verschickt zu werden.

Hilfe am Infopoint. Bahnhofsmission und „Bochum Solidarisch“ engagieren sich gemeinsam. Auch der 14-jährige Egor und sein Vater Eduard, die vor einigen Tagen aus der Ukraine geflohen sind, helfen. Sie übersetzen, wenn Ankömmlinge am Hauptbahnhof kein Englisch sprechen.
Hilfe am Infopoint. Bahnhofsmission und „Bochum Solidarisch“ engagieren sich gemeinsam. Auch der 14-jährige Egor und sein Vater Eduard, die vor einigen Tagen aus der Ukraine geflohen sind, helfen. Sie übersetzen, wenn Ankömmlinge am Hauptbahnhof kein Englisch sprechen. © FUNKE Foto Services | Dietmar Wäsche

„Das geht doch nicht“, sagt Felix. „Diese Leute haben doch einen Angehörigen hier.“ Und er erzählt von einem anderen Fall, bei dem mitten in der Nacht eine Frau mit einem behinderten Baby angekommen sei, die ohne die spontane Hilfe von Freiwilligen nicht gewusst hätte, wie es weiter geht.

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Helfer mit Ukrainisch-Kenntnissen sind gefragt

„Schwierig wird es auch, wenn Menschen mit ihren Haustieren kommen“, sagt Jennifer Ganster. In den Aufnahmeeinrichtungen sind Tiere nicht erlaubt. Dringend gesucht würden daher Helfer, die zumindest vorübergehend Tiere aufnehmen oder aber Mensch und Tier unterbringen können. „Ich fände es auch gut, wenn Paare, die zwei Wohnungen haben, eine für Flüchtlinge zur Verfügung stellen“, sagt die 29-Jährige. Wer helfen möchte, der könne zum Infopoint kommen und im Zweifelsfall seine Telefonnummer hinterlassen.

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Stadt verweist auf Hilfsangebote

Die Stadt begrüßt die freiwillige Hilfe im Hauptbahnhof und unterstützt sie ausdrücklich. „Wir haben die Bahnhofsmission mit ins Boot geholt und auch die Streetworker der Diakonie“, sagt Stadtsprecherin Tanja Wißing. Der Infopoint werde mit Masken und Kaffeebechern unterstützt. In Vorbereitung seien Flyer, die als Wegweiser dienen sollen.

Wer spät am Hauptbahnhof ankomme, der finde am Infopoint einen telefonischen Anlaufpunkt. „Niemand muss auf der Straße übernachten. Wir haben noch genügend Unterkünfte“, so die Sprecherin. „Aber wir machen uns auch Gedanken, ob wir uns noch einmal anders aufstellen müssen“, so die Sprecherin.